Es grenzt quasi an ein kleines Wunder, dass wir hier im Westen seit dem 14. februar 2014 Danganronpa: Trigger Happy Havoc in den Händen halten können, denn vor gar nicht all zu langer Zeit noch schien es sehr schlecht um eine Veröffentlichung im Westen zu stehen, weil kein Publisher sich so recht an das Spiel herantraute – bis NIS America letztes Jahr überraschend die Vita-Version des Murder-Mystery-Games ankündigte und damit viele Fans glücklich machte.
Bevor die Lokalisierung des Spieles enthüllte wurde, gab es bereits einige fleißige Fans, die versucht haben, die Danganronpa-Reihe im Westen bekannter zu machen und haben es sogar auf sich genommen, den ersten Teil zu übersetzen. Gerade dadurch erreichte die bis dahin noch sehr unbekannte Reihe einen gewaltigen Zuwachs an westlichen Fans, die teils Publisher, wie XSEED, ihre Hilfe(und sogar eine komplette Übersetzung) anboten, damit der Westen eine offizielle Veröffentlichung erhält. So viel Theater um eine Spielreihe, die kaum Chancen hatte aus Japan herauszukommen, hat man bislang nur selten zu Gesicht bekommen.
Die Frage ist jetzt natürlich, ob der ganze Aufstand es überhaupt Wert war. Lohnt es sich in die skurrile Welt aus Danganronpa: Trigger Happy Havoc einzutauchen und gemeinsam mit den Ausnahmetalenten der Eliteschule einen Fluchtweg zu suchen? Das erfahrt ihr in unseren ultimativen Test!
Unser Schulleiter ist ein… Bär?
Als unser Protagonist Makoto Naegi an der Hope’s Peak Academy, eine Eliteschule für Ausnahmetalente eingeladen wird, wirkt es fast wie ein Traum für ihn. Normalerweise nimmt diese Schule nur Schüler an, die eine außergewöhnliche Begabung besitzen, aber Makoto ist einfach nur normal und zeigt in keinem Fach besondere Leistungen. Wie sich herausstellt, sucht die Hope’s Peak Academy per Losverfahren einmal pro Jahrgang einen sogenannten „Ultimate Lucky Student“ aus und in diesem Jahr ist Makoto der glückliche Gewinner.
Seinen ersten Schultag hat sich Makoto allerdings etwas anders vorgestellt. Kaum hat er das Schulgebäude betreten, verschwimmt alles vor seinen Augen und als er einige Zeit später wieder zu sich kommt, erscheint die Hope’s Peak Academy plötzlich wie ein Gefängnis aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint. Schuld an der Sache ist der Schuldirektor höchstpersönlich, der in Form eines sprechenden Roboterbären namens Monokuma daherkommt und Makoto, sowie seinen neuen Klassenkameraden mal so eben verkündet, dass dies ein Schulaufenthalt auf Lebzeit werden wird.
Natürlich sorgt die Gesamtsituation für reichlich Verwirrung unter den Anwesenden und keiner ist sehr von der Idee angetan sein restliches Leben an dieser Schule verbringen zu müssen. Laut Schuldirektor gibt es jedoch einen Weg seinen Abschluss zu machen und so aus dem Gefängnis zu entkommen. Wie das ganze funktioniert? Man muss einfach unbemerkt einen seiner Mitschüler umbringen!
So beginnt Makotos Aufenthalt an der Hope’s Peak Academy, welcher zu Anfang, trotz Schreckensnachricht, ganz friedlich verläuft. Doch der Frieden währt leider nicht lange, denn schon bald passiert wirklich ein Mord!
Monokumas ultimativer Schulwahnsinn
Danganronpa: Trigger Happy Havoc lässt sich grob in zwei unterschiedliche Gameplaysegmente unterteilen, die Daily Life und Deadly Life genannt werden. Beide werdet ihr abwechselnd aus der Sicht von Protagonist Makoto bestreiten.
Daily Life ist euer normaler Schulalltag. Hier werdet ihr allerhand Gespräche mit euren Mitschülern führen und nach und nach das Schulgebäude genauer unter die Lupe nehmen. Gespielt wird dabei aus der Ego-Perspektive und je nachdem, wo ihr euch befindet, habt ihr unterschiedliche Freiheiten. In Räumen werdet ihr euch zum Beispiel nur umschauen und per auf dem Bildschirm platzierten Fadenkreuz Objekte und Charaktere anklicken können, während ihr euch in Flurgegenden frei bewegen könnt.
Das Untersuchen von Objekten geht sowohl per Knopfdruck, als auch mit dem Touchscreen, während die Kamera sich leider nur mit den Schultertasten bewegen lässt. Die zur Vita-Version hinzugefügte Touchscreenbedingung vereinfacht die Benutzung des Fadenkreuzes sehr, trotzdem kann es immer noch passieren, dass man sich leicht einmal vertippt und so mitunter unfreiwillig weiter die Plot vorantreibt, obwohl man nur wissen wollte, was ein bestimmter Charakter zu sagen hat.
Zwischen den storyrelevanten Gesprächen, stehen euch in jedem Kapitel sogenannte „Free Time Events“ zur Verfügung. Diese lassen sich ein wenig mit den Social Links aus der Persona-Reihe vergleichen und bringen euch neue Hintergrundinformationen über die Charaktere ein. Bevor es zu einem Gespräch kommt, heißt es allerdings, die richtige Geschenkewahl zu treffen. Gebt eurem Mitschüler etwas, was er oder sie mag, und erntet Pluspunkte bei ihm oder ihr.
Geschenke bekommt ihr im School Store an einem Kapselautomaten. Als Bezahlung nimmt der Automat Monocoins an, die ihr auf unterschiedliche Art und Weise erhalten könnt. So sind diese zum Beispiel überall im Schulgebäude versteckt. Wer mit der Professor-Layton-Reihe bekannt ist und des öfteren schon Hinweismünzen gesucht hat, weiß, wie das Ganze abläuft.
Das Spiel wechselt in den Deadly Life Mode sobald ein Mord geschehen ist. In dieser Phase ruft Monokuma die Schüler dazu auf, dem Fall auf den Grund zu gehen und Beweismittel zu sammeln. So einfach wird der Täter nämlich nicht mit seiner Tat davonkommen, denn ein Mord alleine reicht nicht aus, um sein Abschlusszeugnis zu erhalten und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden – zumal das auch viel zu langweilig wäre.
Ihr seid nun dazu aufgefordert, den Tatort und andere verdächtig wirkende Orte zu untersuchen oder eure Mitschüler zu befragen. Jedes wichtige Element wird in Form einer Truth Bullet gespeichert. Dabei kann es sich sowohl um Objekte, als auch um Aussagen der Charaktere handeln.
Sobald ihr alles Wichtige zusammen habt, ruft Monokuma zum Class Trial und somit zum letzten Gameplayteil des Spieles aus.
Die Kunst des Mordens
Wie schwer die verschiedenen Minispiele in der Gerichtsphase sind, entscheidet die Einstellung des Schwierigkeitsgrades. Das meiste aus dem Spiel holt ihr übrigens mit ‚Mean‘ heraus, alles andere bietet einfach nicht genug Herausforderung. Auf Gentle werden euch übrigens nicht alle Funktionen des Class Trials zur Verfügung stehen.
Zu Anfang könnt ihr noch einmal alle eure Truth Bullets durchgehen und nützliche Skills ausrüsten, die ihr von Charakteren nach erfolgreich abgeschlossenen Free Time Events erhaltet. Seid ihr bereit, geht es auf, den Mörder zu überführen. Die allgemeine Regel Monokumas heißt hierbei: „Findet den Täter und er wird seine gerechte Strafe erhalten. Solltet ihr aber die falsche Person verdächtigen, so werdet ihr alle bestraft und nur der Täter wird lebend die Schule verlassen.“
Das klingt ganz schön gemein, nicht wahr? Da ihr Leben mit auf dem Spiel steht, setzen Makoto und seine Mitschüler alles daran, den Fall Stück für Stück anzugehen, um mit eurer Hilfe die Wahrheit herauszufinden.
Sowohl der Investigationspart, als auch das Class Trial lassen sich gut mit Ace Attorney vergleichen und Danganronpa: Trigger Happy Havoc leiht sich eindeutig auch Elemente aus Capcoms bekannter Spielreihe aus, fügt aber weitere kreative Elemente und Minispiele hinzu und setzt viel mehr auf Geschwindigkeit.
So werdet ihr in der Lage sein, Beweismittel zu zeigen oder müsst bei einer gestellten Frage, die richtige Entscheidung treffen. Ansonsten lässt sich die Gerichtsphase in vier unterschiedliche Minispiele einteilen.
Das sogenannte Nonstop Debate stellt das wichtigste Element des Prozesses dar. Als Makoto hört ihr hierbei die Diskussionen eurer Mitschüler an und werdet dazu aufgefordert falsche Aussagen ausfindig zu machen. Diese müsst ihr dann mit der richtigen Truth Bullet abschießen, was sich vor allem in späteren Class Trials als gar nicht so einfach herausstellt, vor allem da immer kleinere Funktionen hinzugefügt werden. Wer mit den sehr wackeligen Fadenkreuz nicht so gut klar kommt, kann auch einfach dank Touchscreen die falschen Aussagen antippen.
Sobald ihr auf der Suche nach einem bestimmten Wort seid, kommt Hangman Gambit zum Zuge. Der Bildschirm zeigt euch bei diesem Minispiel eine Vielzahl von Buchstaben an, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden – deswegen gilt es schnell zu sein und sie in der richtigen Reihenfolge zu treffen, damit in der linken unteren Ecke das passende Wort entstehen kann.
Hört ein Charakter euch nicht mehr zu oder hält sein Argument für überzeugend und akzeptiert nichts anderes, dann wird er euch in ein Bullet Time Battle verstricken. Das Ganze spielt sich wie ein Musikspiel ab, in dem ihr zu bestimmten Zeitpunkten Buttons drücken müsst, um die Sätze eures Gegners zu zerstören und ihn so Schaden zuzufügen. Den Rest gebt ihr ihm zum Schluss mit der richtigen Truth Bullet.
Habt ihr den Fall letztenlich komplett gelöst und die richtige Person als Täter entlarvt, so wird Makoto noch einmal zusammenhängend den Tathergang erklären. Genannt wird dieses Minispiel Closing Argument und kommt in Form eines unvollständigen Comics daher. Hier werdet ihr kleine Bildschenausschnitte in den Comic richtig einsetzen, was sich nicht immer als ganz einfach herausstellt. Es wird nur ein kleiner Teil von diesen gezeigt und auch gerne Mal ähnlich aussehende Bilder mit in die Auswahl genommen. Als Hilfe stehen euch zum Glück noch die Fragezeichen im Comic zur Verfügung, die eine kleine Beschreibung offenbaren, wenn man sie anklickt, und so einen Hinweis darauf geben, was ihr an der Stelle einsetzen müsst.
Je nach euren Leistungen und dem erhaltenen Schaden, werdet ihr zum Schluss entsprechend mit Monocoins belohnt.
Eine wirkliche Herausfordeurng bieten die Fälle in Danganronpa: Trigger Happy Havov allerdings nur sehr selten. Oftmals werdet ihr fast alle Zusammenhänge bereits vor Beginn dss Class Trials entschlüsselt haben oder wisst sogar bereits um den Mörder Bescheid. Zwar macht es immer noch eine Menge Spaß zu sehen, wie sich alles entfaltet, aber stellenweise werden die Class trials einfach zu sehr hinausgezögert. Sich zig Mal wiederholende Rückblenden und Szenen tragen dazu weiterhin bei.
Nichtsdestotrotz weiß das Spiel mit einigen sehr tollen Plottwists zu glänzen und vermittelt vor allem im späteren Verlauf ein richtiges Gefühl der Verzweiflung.
Kunterbuntes Aufklapp-Bilderbuch
Kreativität beweist Danganronpa: Trigger Happy Havoc vor allem in der Gestaltung der Grafik, die von Entwickler Spike Chunsoft als 2.5D Motion Graphics bezeichnet wird. Die Umgebung wird euch in 3D präsentiert, während Gegenstände und Charaktere in 2D daherkommen. So hat man oftmals das Gefühl, man befinde sich inmitten eines Pop-up-Bilderbuches. Hinzu kommt, dass alles sehr farbenfroh wirkt und damit in direktem Kontrast zur Atmosphäre steht. Selbst das Blut der Opfer wird nicht in gewohntem Rot, sondern in einem knalligen Pink dargestellt. Ob die Entwickler dies getan haben, um eine Alterseinstufung ab 18 Jahren zu verhindern, oder weil es perfekt zum Spiel passte, ist allerdings nicht bekannt.
Die musikalische Untermalung kommt mit sehr unterschiedlichen Klängen daher und setzt vor allem in Class Trials sehr auf Techno. Positiv hervorstehen tun hier zum Beispiel das Investigation-Theme und Monokumas Thema. Selbst wenn ihr nicht vorhabt das Spiel zu zocken, so lohnt es sich doch einmal in den Soundtrack reinzuhören.
Leider gibt es keine deutsche Untertitelauswahl und ihr müsst über sehr gute Englischkenntnisse verfügen. Es wird viel auf logisches Denken und Geschwindigkeit gesetzt, zudem gilt es, die Übersicht über komplette Mordfälle zu behalten. Wer da nicht alles versteht, der fühlt sich schnell verloren. Bei der Synchronisation habt ihr die Wahl zwischen Japanisch oder Englisch. Einzige negative Nachricht ist wohl, dass nur die Class Trials vollständig synchronisiert sind und einige wenige Szenen in anderen Teilen des Spieles, ansonsten geben die Charaktere pro gezeigtem Textfeld nur ein paar wenige Wörter oder Laute von sich.
NIS Americas Lokalisierung lässt sich weitgehend als gelungen einstufen, trotzdem ist die Übersetzung durch merkwürdige Entscheidungen nicht gänzlich lobenswert. Zum Beispiel wird Fanfic Creator mit jemandem, der Doujinshi zeichnet gleichgesetzt, und statt Fangirl wird für Fujoshi der seltsame, aber lustig klingende Begriff Fanmadam verwendet. Weniger witzig sind die kleinen Fehler, die dem amerikanischen Publisher unterlaufen sind, die aber nur wirklich aufmerksamen Spielern auffallen sollten. Zudem hat sich NIS America die Freiheit genommen, einige der Charakternamen abzukürzen – wahrscheinlich, damit sich Spieler diese leichter merken können.
Makotos Love Adventure
Nachdem ihr gut 25 – 30 Stunden mit dem Durchspielen der Hauptstory verbracht habt, steht euch von da an ab sofort ein kleines Extraspiel zur Verfügung, der sogenannte School Mode. Dies ist eine alternative Form der Geschichte um Makoto und seine Klassenkameraden, die unblutig und friedlich verläuft. Monokuma stellt euch Aufgaben, die es in einem bestimmten Zeitraum zu erledigen gilt. Dafür habt ihr eine Übersicht im Retrostil, die alle Charaktere zeigt und ihr könnt ihnen Befehle zuteilen. Zur Verfügung stehen Material sammeln, sich erholen oder putzen. Am Anfang kann es noch ein wenig schwierig erscheinen, die Projekte zu verwirklichen, aber die Charaktere werden nach und nach stärker und werden viel mehr erreichen. Zwischen der Arbeit habt ihr Zeit, die fehlenden Free Time Events zu vervollständigen oder ein Trip-Ticket zu verwenden, um mit einer ausgewählten Person Zeit zu verbringen. Wird dies oft genug wiederholt, könnt ihr ein Charakterende erreichen und euren Mitschülern, egal ob nun männliche oder weiblich, näher kommen.
Ein weiteres Extra ist der Gallery Mode, in dem ihr mit Monocoins freigeschaltete Bilder, Artworks, Zwischensequenzen und Musik ansehen, beziehungsweise anhören könnt.
It’s Punishment Time!
Eines steht auf jeden Fall fest: Danganronpa: Trigger Happy Havoc muss sich nicht vor Titeln wie 999, Virtue’s Last Reward oder Ace Attorney verstecken, denn es hat storymäßig mindestens genauso viel zu bieten. Die zuerst sehr stereotypisch wirkenden Charaktere brechen gerne mal aus ihren Rollen heraus und präsentieren unerwartete Seiten, weswegen sie alles andere als platt erscheinen. Dazu gesellt sich ein sehr skurriler Humor, packende Storywendungen und auch die Gameplaygestaltung ist weitgehend sehr gelungen. Vor allem für Visual-Novel- und Rätselfans, die nicht gerade richtig knifflige Fälle erwarten und sich von übertriebenen Charakteren a la Ace Attorney nicht stören lassen, ist Danganronpa: Trigger Happy Havoc ein absolutes Must-Have. Ihr müsst allerdings über ein sehr gutes Englisch zu verfügen und nicht lesefaul sein.
Ihr denkt noch über den Kauf einer Vita nach? Vielleicht wird euch dieses Spiel, zusammen mit den anderen Neuerscheinungen im Februar bei der Entscheidung helfen. Der Nachfolger Danganronpa 2: Goodbye Despair wurde ebenfalls bereits von NIS America angekündigt und so erwartet euch im Herbst das nächste Murder-Mystery-Adventure, das die Story vom ersten Teil weiterspinnt.
Story: eine weitgehend gut erzählte, aber auch sehr textlastige Mystery-Geschichte im Visual-Novel-Stil, die den Ein oder Anderen gelungenen Plottwist parat hat und den Spieler durchgehend zu fesseln weiß. Manchmal werden Szenen und Rückblenden aber etwas zu oft wiederholt.
Gameplay: typische Point’n’Click-Ansicht, das Ansprechen von Charakteren und Untersuchen von Gegenständen läuft mittels Zielkreuz ab, das Class Trial bietet einige sehr spaßige Minispiele an, Steuerung des Zielkreuzes braucht etwas Übung und ist sehr wackelig.
Sound: präsentiert sich genauso vielseitig und verrückt wie das Spiel und kommt mal düster, mal heiter daher. Hörenswert ist vor allem Monkumas Theme.
Grafik: kreativer, aber etwas gewöhnungsbedürftiger Grafikstil, der eine Mischung aus 3D und 2D präsentiert.
Sonstiges: geniale, zum Teil sehr verrückte Charaktere, Extrasektion zum Ansehen von Bildern, Filmen und Artworks, sehr unterhaltsamer Zusatzmodus mit dem man viele Stunden verbringen kann, leider keine deutschen Untertitel, keine vollständige Sprachausgabe.