Es ist soweit! Eines der größten Franchises Nintendos seit 1996 geht in die sechste Runde. Mit Pokémon X & Y wird wieder einmal eine neue Generation geboren und dieses Mal nicht schrittweise in einzelnen Weltregionen, sondern weltweit zeitgleich. Sind die neuen Pokémon, die Region Kalos sowie neue und überarbeitete Mechaniken interessant genug, um für langanhaltenden Spielspaß zu sorgen oder tun es diejenigen richtig, die sich mit einem Kauf zurückhalten? Erfahrt es in unserem Test!
Eine charmante Rückentwicklung
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Noch nie war die Hauptreihe des Pokémon-Franchises für eine tiefe Handlung bekannt, vielmehr diente sie dem Zweck, doch mit der Duologie der Editionen Schwarz und Weiß versuchte man insbesondere im ersten Spiel eine atmosphärische Handlung aufzubauen. In Pokémon X & Y geht man wieder zur alten Rezeptur zurück. Der Plot ist kindgerecht und vermittelt etwa die Bedeutung von Freundschaft und Individualität.
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Zur alten Rezeptur werden aber auch fesche Elemente, teilweise aus vorigen Generationen, hinzugegeben. So spielt man im Spiel den Sprössling des bekannten Rihorn-Jockeys Primula und wird gleich einen Tag nach dem Umzug in die Kalos-Region gemeinsam mit anderen Gleichaltrigen damit betraut, die Region zu bereisen und den Pokédex von Professor Platan zu füllen. Dabei trifft man immer wieder auf die neugewonnenen Freunde und erlebt mit ihnen in episodischen Handlungsabschnitten immer wieder kleine, in sich abgeschlossene, Quests.
Auffällig ist auch, dass die Arenen, in denen man sich für die Pokémon-Liga qualifizieren kann, gerade zu Beginn weit auseinander liegen. Ständig wird man mit neuen Orten, Aufgaben und Features konfrontiert, sodass man sich schon mal in der Zeit verlieren und das eigene Abenteuer erleben kann – fernab vom Konkurrenzdruck oder linearen Röhren. Insgesamt mag der Plot zwar gerade für die ältere Spielergeneration sehr flach sein, charmant ist die Handlung aber allemal.
Kalos – Zu groß für einen Pokédex
Kalos ist wahrlich eine große und vielfältige Region, die Frankreich nachempfunden ist. Die Vielfalt an Pokémon ist in dieser Region so groß, dass ein Pokédex nicht ausreichend ist, um alle Wesen zu umfassen. Während sich die Auswahl an Pokémon in vorherigen Editionen gerade zu Spielbeginn auf einige wenige Arten beschränkte, hat man in Pokémon X & Y gleich zum Start die Möglichkeit, das eigene Team mit den unterschiedlichsten Typen zu vervollständigen, wenn man möchte. In der Kalos-Region sind zudem die Pokémon nicht nur im hohen Gras, im Wasser und auf dem Boden von Höhlen und anderen Dungeons beheimatet. Auch bunte Blumenwiesen und bröckelige Felsen beherbergen Pokémon. In Höhlen kann es zudem vorkommen, dass man von der Decke aus attackiert wird.
Doch nicht nur in Bezug auf die Pokémon ist die Kalos-Region groß. Jeder Ort verfügt über seine Eigenheiten, die nicht einfach mit nur einem Besuch erledigt werden können. Doch auch bevor man in Windeseile von Stadt zu Stadt gelangen kann, wird man wenig Probleme haben, zu früheren Orten zurückzukehren. Die Routen und Dungeons können sich durch alternative Wege und versteckte Items erstmals umfangreich gestalten, sind beim nächsten Mal aber in Kürze zu durchqueren – gerade durch die Rollerskates, die man recht früh erhält und eine stark erhöhte Geschwindigkeit ermöglichen im Vergleich zum Gang zu Fuß.
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Markant für Kalos ist auch die große Anzahl an Hotels, Cafés und anderen luxuriösen Gebäuden. Wie auch in der vorherigen Generation, wendet Pokémon X & Y auf der Oberwelt wieder einmal, wenn auch fortschrittlicher, 3D-Optik in 2D-Graphik an. Hier wird leider viel zu selten der 3D-Effekt des Handhelds ermöglicht, was schade ist. Dafür gibt es allerdings viele kleine Details in der Umgebung und der Charaktere sowie deren Interaktion.
Man kann sich in Boutiquen neu einkleiden und auch die vielen NPCs bestehen nicht andauernd aus dem üblichen Einheitsbrei. Interagiert man mit kleinen Kindern, erweist sich der eigene Charakter als sehr kinderfreundlich, indem er sich auf ihre Augenhöhe bückt. Interessant ist auch der Wechsel zwischen Tag und Nacht, welcher flüssig und auch mit Schattenverläufen abläuft, was auch in Kämpfen zur Geltung kommt. Die noch nicht ganz durchgehende 3D-Optik versucht mit Farbenvielfalt und Liebe zum Detail zu punkten, was auch recht gut gelingt.
Akustisch hat es Pokémon X & Y in sich. Wenn man auch Gitarren nicht unbedingt als erstes mit Frankreich verbinden würde, ergibt der häufige Einsatz dieser doch einige schöne Melodien, die sofort einen Bezug zur Inspiration der Kalos-Region herstellen sollten. Weiterhin findet man im Spielverlauf auch verhäuft düstere Musikstücke vor, was für noch mehr Abwechslung im musikalischen Bereich sorgt. Wer die alten Rufe der Pokémon gewohnt war und vielleicht schon auswendig zuordnen konnte, wird neu aufhorchen müssen. Mit den neuen Editionen wurden auch die Rufe der Pokémon neu aufgenommen. Insgesamt klingen diese klarer, verlieren gleichzeitig aber auch ein wenig an Individualität, insbesondere für Ohren von Nostalgikern. Wenigstens wird man wenig Probleme damit haben das „Pikapika!“ des Maskottchens Pikachu zu erkennen.
Alles beim Alten im Kampf – nicht ganz
Grundsätzlich hat sich beim Kampfsystem selbst wenig verändert. Noch immer lässt man Pokémon gegen Pokémon mit unterschiedlichen Typen, inklusive der Wechselwirkungen zwischen diesen, und bis zu vier Attacken antreten, um sich der Welt zu beweisen. Nach Erhalt des ersten Pokémon, wird die eigene Sammlung grundsätzlich durch das Fangen von wilden Pokémon mit Pokébällen erweitert, um den Pokédex zu füllen und ein möglichst ideales Team aus sechs für den Spieldurchlauf zu bilden. Durch gewonnene Kämpfe werden Erfahrungspunkte verteilt, welche zu Level-Ups führen, die wiederum bessere Werte, neue Attacken und unter Umständen auch eine Entwicklung mit sich bringen.
Neu sind zwei Kampfarten, Horden sowie Luftkämpfe. So kann es vorkommen, dass man beim Kampf gegen wilde Pokémon nicht gegen eines, sondern gegen eine Mannschaft aus Fünf antritt. Zwar befindet sich die Horde auf einem niedrigeren Level als ein einzelnes Exemplar, doch fünf Angriffe in einer Runde können doch gefährlich sein, weshalb Attacken, die mehrere Ziele treffen, hier besonders nützlich sind. Luftkämpfe sind dagegen Kämpfe gegen andere Trainer, die in der Luft ausgetragen werden. Hier besteht der einzige Unterschied zu normalen Kämpfen darin, dass nur Pokémon qualifiziert sind, die dauerhaft fliegen oder schweben können.
Weitere Neuerungen umfassen den Typ Fee und Mega-Entwicklungen. Seit den Editionen Gold und Silber um die Jahrtausendwende gab es keinen neuen Typ mehr in Pokémon – wozu also über ein Jahrzehnt später erst der Entschluss, einen weiteren Typen in das System einzuführen? Zwar gibt es bei Pokémon immer Wege und Taktiken vielerlei Ziele auszuschalten, doch gerade durch die große Anzahl an neuen Typkombinationen in den aktuelleren Generationen gab es immer mehr Ungleichgewicht in der Balance der Spiele. Der neue Typ Fee reiht sich gut ein und stellt einiges auf den Kopf. Einst benachteiligte Typen bekommen eine neue Chance und vormals mächtige Typen müssen nun neuen Gefahren entgegen blicken, auch durch Änderungen bezüglich der Wechselwirkungen und der nachträglichen Typänderung einiger bestehenden Pokémon.
Auch die Mega-Entwicklung wurde vor der Veröffentlichung der Spiele viel thematisiert. Dabei handelt es sich um eine neue Art der Weiterentwicklung bestimmter Pokémon, die nur im Kampf aktiviert und nur während diesen aufrechterhalten werden kann. Benötigt wird ein Pokémon, das eine Mega-Entwicklung durchführen kann und genügend Zuneigung zum Trailer besitzt, ein dazu passender Mega-Stein und den Mega-Ring, den man im Laufe der Handlung erhält. Rüstet man nun das Pokémon mit dem passenden Stein aus, kann man im Kampf bei der Auswahl der Attacken die Mega-Entwicklung ausführen und direkt im Anschluss angreifen. Grundsätzlich erhält ein Pokémon in der Mega-Form erhöhte Werte und eine fixe Fähigkeit. Generell ist die Mega-Entwicklung ein schönes Feature, das frischen Wind in die Serie bringt, im normalen Spielverlauf aber nicht notwendig ist, um zu siegen.
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Auch im Kampf ist die größte Neuerung ästhetischer Natur. Wenn auch die kämpfenden Pokémon noch immer auf ihren runden „Kampffeldern“ verbleiben, so tun sie dies nun in 3D inklusive stereoskopischer Tiefe. Jedes Pokémon hat individuelle Bewegungen im Kampf, sei dies im Ruhezustand oder beim Ausführen von Attacken. Dabei erhält man nie den Eindruck, dass sich die Pokémon unpassend zur Situation verhalten. Erstmals innerhalb der Hauptreihe kämpfen die Pokémon in einem richtigen Hintergrund gegeneinander. Dieser erinnert grundsätzlich an ein Gemälde, besitzt aber auch aktive Elemente, wie wehendes Gras, umher fliegende Blätter oder auch Effekte von Wetterumschwüngen. Durch diverse Angriffe können auch Teile der Umwelt zerstört werden, was den Hintergrund noch glaubhafter erscheinen lässt. Durch viele Effekte im Kampf kann es vorkommen, dass die Framerate kurzzeitig etwas einbricht, dies ist allerdings selten der Fall.
Der Schwierigkeitsgrad in Pokémon X & Y kann stark variieren. Generell sind Trainer-Kämpfe recht rar, was zu einem recht niedrigen Level ohne Grinding führt. Mit dem EP-Teiler, den man recht früh erhält, kann man allerdings insgesamt viel mehr Erfahrungspunkte erhalten, was den Schwierigkeitsgrad in absurde Tiefen stürzen lässt. Wer also eine Herausforderung neben der Handlung sucht, sollte keinen Gebrauch vom EP-Teiler machen.
The Social Networks meet Pokémon
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Pokémon war schon immer eine Spieleserie, die Wert auf Konnektivität gelegt hat – Pokémon X & Y bringt diese auf ein neues Level. Gleich nach Erhalt des ersten Pokémon stehen die Applikationen Super-Training, PokémonAmi und das PSS(Player Search System) auf dem Touchscreen zur Verfügung.
Im Super-Training können Pokémon durch Trainingseinheiten in Form Fußballabwandlungen ihre Basiswerte trainieren. Durch das Absolvieren der Trainingseinheiten werden auch Sandsäcke gewonnen, mit welchen Pokémon während des Abenteuers automatisch ihre Basiswerte weiter trainieren können, wobei der willige Trainer durch gezieltes Antippen des Sandsacks das Training beschleunigen kann.
Während man sich im Super-Training um die Werte des Pokémon kümmert, ist in PokémonAmi die Zuneigung des Pokémon der wichtigste Fokus. Hier können Pokémon gestreichelt und mit Süßigkeiten gefüttert werden, was ihre Zuneigung erhöht. Weitere Leckereien können durch Minispiele gewonnen werden. Wird das Pokémon auf diese Weise zutraulicher, können neue Dekorationen für den Hintergrund von PokémonAmi erhalten werden. Weitere Geschenke sind durch fremde Pokémon möglich, die durch Süßigkeiten angelockt werden.
Das PSS umfasst sämtliche interaktive Tätigkeiten mit anderen Spielern, die es auch schon vorher gab. Angezeigt werden Freunde auf dem Handheld, Online-Bekanntschaften sowie zufällige Spieler aus der ganzen Welt. Diesen kann man zeitlich begrenzte Boni zukommen lassen, aber man kann mit ihnen auch kämpfen und tauschen. Weitere Möglichkeiten des Tauschs im PSS sind die Globale TauschStation, eine internationale Tauschbörse, sowie der Wundertausch, bei dem man nie weiß, wer was erhält. Über die Spielsynchro lässt sich das Spiel auch mit dem neuen Global Link verbinden, wo nun das Medaillensystem aus Pokémon Schwarz/Weiß 2 zu finden ist. Auch lassen sich schwer zu findende Gegenstände dort, wie auch im Spiel mit anderem Sortiment, mit Poké-Meilen erwerben, die man unter anderem durchs Laufen in der Kalos-Region erhält. Durch diese ganzen Applikationen erinnert Pokémon X & Y schon fast an ein gelungenes soziales Netzwerk, indem man sich ohne Mikrotransaktionen jederzeit unterstützen kann.
Kaufen oder nicht kaufen?
Sicherlich haben die treuen Fans schon zugegriffen, wenn nicht schon ihre Edition durchgespielt. Skeptiker und ewige Nostalgiker können aber ebenfalls beruhigt zugreifen. Pokémon X & Y wirkt einerseits wie ein Konglomerat aus allem bisher dagewesenen in der Serie, bietet aber gleichzeitig eine gänzlich neue Spielerfahrung. Zwar wirkt die neue Generation stellenweise roh und verschwendet Potenzial, setzt aber vielerlei neue Akzente, die viele Spieler ansprechen sollten. Wer sich allerdings auf die neue Generation noch nicht einlassen möchte, kann noch immer auf zusätzliche Editionen hoffen, die es bisher in jeder Generation gab.
Story: enttäuschend flach, aber mit Charme.
Gameplay: über 500 Pokémon zum Sammeln, Kämpfen und Tauschen in einer großen Region.
Grafik: hübsch im Kampf, verschwendetes Potenzial auf der Oberwelt.
Sound: häufiger Einsatz von Gitarren, trotzdem französisch schön, Pokémon-Rufe gewöhnungsbedürftig.
Sonstiges: Viele interaktive Möglichkeiten mit den eigenen Pokémon und anderen Spielern.