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Im Test! Deadly Premonition: The Director’s Cut

“Das polarisierendste Survival-Horror Spiel aller Zeiten“, so heißt es laut Guinness-Buch der Weltrekorde, wenn man nach Deadly Premonition sieht. Ursprünglich erschien dieses Spiel im Jahre 2010 für die Xbox 360 und teilte die Videospielwelt in zwei Lager. Die eine Hälfte krönte es zum größten Geheimtipp und viele Awards, wie “Game of the Year“ folgten.

Doch die andere Hälfte bemängelte die grottige Technik, die unmögliche Steuerung und die absurden Charaktere in einer gestörten Geschichte. So zumindest hat es den Anschein, dass Deadly Premonition den Eintrag in das Guinness-Buch der Weltrekorde verdient hat. Im Jahre 2013 hat es nun auch der Director’s Cut für die Playstation 3 geschafft hier in die Regale zu kommen und die Videospieler dieser Welt erneut zu spalten. Kann dieses ungewöhnliche Spiel auch nach 3 Jahren als Meisterwerk angesehen werden, oder vergrault es einen wieder von der Konsole?

Zunächst muss festgestellt werden, dass der Director’s Cut nicht allzu viel anders macht als das originale Spiel. Es wurde etwas an der Grafik geschraubt, die Steuerung wurde verbessert und ein Kapitel wurde der Story hinzugefügt. Mehr wurde nicht geändert.

Mord in der Kleinstadt Greenvale. Die wunderschöne Anna Graham hängt mit aufgeschlitztem Körper an einem kahlen Baum. Die Einwohner sind entsetzt. Doch soll dem Verbrecher bald Einhalt geboten werden, denn FBI Agent Francis York Morgan wird nach Greenvale geschickt, um sich dem anzunehmen. Doch wo soll York (denn so nennt ihn jeder) mit seiner Suche anfangen? Schließlich könnte jeder der vielen und vor allem verrückt, skurrilen Einwohner der Mörder sein. Schlussendlich fällt auch York in den Kreis der Verdächtigen, denn seine dauernden Selbstgespräche mit “Zach“ und die Tatsache, dass er von Geistern und Hundemonstern angegriffen wird, machen ihn nicht gerade zur glaubwürdigsten und mental stabilsten Person im Plot.

FBI-Agent Francis York Morgan: “ Nennen Sie mich York. So nennen mich alle“

Die Story ist komplett abstrus. Greenvale wird bevölkert von einer Vielzahl von eigenständigen und verrückten Charakteren, die mal grandios klischeehaft gezeichnet und ein anderes mal absolut überzogen und viel zu übertrieben sind. Der dominante Sheriff Gerorge Woodman leistet sich immer wieder ein peinlich-witziges Wortgefecht mit York und gewinnt dadurch an Charakter.

Das Hotel, in welchem York untergebracht wird, ist im Besitz einer kleinen, gebrechlichen alten Dame, die das absolut gigantische Hotel (und gigantisch ist noch untertrieben) ganz allein in Schuss hält. Die Unterhaltungen mit dieser Dame arten unter anderem aufgrund ihrer Hörschwäche und der Tatsache, dass sie lieber 30 Meter von York entfernt sitzt zu einer Farce aus, wo selbst sexuelle Themen aufkommen können. Doch diese kleinen Details schaffen die Gratwanderung zwischen Humor, Wahnsinn und Tiefe. Andere dennoch, wie die Gespräche mit dem Gasmaske-tragenden Harry Stewart, der nur über seinen Assistenten kommuniziert, sind einfach nur verrückt.

Im Ganzen jedoch schafft Deadly Premonition diesen doch sehr schmalen Akt. Aber eben nicht dadurch, dass sich die Story darauf befindet, sondern weil man immer wieder auf die eine bzw. auf die andere Seite gerissen wird. Die vielen Anlehnungen und Zitate auf unzählige Jahre Film- und Videospielgeschichte lassen das Herz eines Kenners förmlich aufspringen. So zum Beispiel wenn York mit Zach über Spielberg-Filme philosophiert oder man Szenen aus der Serie Twin Peaks 1:1 in dem Spiel wieder findet. Oder wenn der Sheriff York bittet seinen Muskel-Trainer Arnold zu finden, der sich als eiserne Hantel herausstellt. Wer in den ersten Minuten von Deadly Premonition die Disk aus der Konsole nimmt und sie aus Frust darüber, dass man Geld dafür gezahlt hat an die nachbarliche Ziege verfüttert, kommt leider nicht in den Geschmack dieser fantastischen Details, doch trifft er mit dieser Aktion auch auf viel Zuspruch.

Da rennt wohl einer vor der schrecklichen Grafik weg, oder vor dem musikalischen Hauptthema. Wer weiß

Technisch gesehen ist Deadly Premonition eine Beleidigung für diese und teilweise auch für die letzte Konsolen-Generation. Und das liegt nicht nur daran, dass seit 2010 nicht viel überarbeitet wurde, sondern vor allem daran, dass das Spiel 2010 schon wie ein mittelmäßiger Playstation 2 Titel aussah. Nur wenige Charaktere sind gut animiert und bewegen sich bestenfalls wie menschliche Roboter.

Der Rest wird wie von Schnüren gezogen und sieht eckig und unschön aus. Greenvale besitzt zwar einen einzigartigen Charme und ist komplett frei begeh- oder fahrbar, doch ist das keine Entschuldigung für die schrecklichen Umgebungsdetails, die schlechten Texturen, die Popups, die Klongebäude, Klonpflanzen und Klongegner. Teilweise heftige Slowdowns, Ruckler und Abstürze vollenden das Bild der technischen Leistung. Die letzten Kritikpunkte werden womöglich mit kommenden Patches behoben, doch für einen Re-Release darf man sich zumindest technische Ausgereiftheit wünschen, wenn schon nicht besonders viel an der grafischen Qualität geschraubt wurde.

Auch die Geräuschkulisse befindet sich auf dem selben Niveau wie die Grafik. Soundeffekte sind platt, lahm und verzerrt. Das Auto hört sich absolut schrecklich an und geht einem schon nach wenigen Sekunden dermaßen auf die Nerven, dass der Lautlos-Knopf auf der Fernbedienung immer attraktiver wirkt. Die Synchronsprecher scheinen ihre Dialoge und Monologe teilweise in anderen Sphären der Existent aufgenommen zu haben und mit großer Sicherheit haben die Synchronsprecher nicht gesehen, welche Gestiken die Charaktere im Spiel genutzt haben.

Positiv am Sound ist einzig und allein der Soundtrack, der mit seinen wenigen Stücken doch eine ungewöhnliche Atmosphäre erzeugt und einen großen Ohrwurmcharakter besitzt. Nur schade, dass die Stücke dermaßen oft wiederholt werden, dass erneut ein wiederholter Blick auf die Fernbedienung geworfen wird. Hier hätten die Entwickler wirklich etwas ändern sollen. Besonders bei einem Survival-Horror ist die musikalische Untermalung einer der größten Gänsehautfaktoren. Man erinnert sich gern an Silent Hill 2 oder an den ersten Resident Evil, die mit Bravour vielfältige Soundtracks und effektive Stille nutzen um die dichte Atmosphäre zu verstärken. Deadly Premonition fällt hier vollständig aus dem Bild. Manchmal grenzt die repetitive Nutzung des Themas an physischen Schmerz. Zwar wäre das für ein Survival-Horror nicht ganz Off-Message, aber auch hier hätte man ganz viel anders und wesentlich besser machen können.

Bitte…BITTE liebes FBI-Team. Ist ein Auto mit normaler Fahrphysik und erträglicher Geräuschkulisse zu viel?

Jetzt stellt sich aber die Frage, wie dieses Spiel von etwa der Hälfte der Videospielwelt als Meisterwerk bezeichnet werden kann und unter anderem volle Punktzahlen bei Reviews einheimsen konnte. Der Grund dafür liegt in Greenvale und an dem gesamten Konzept. Ein Open-World Survival-Horror Spiel. Diese fünf Wörter bezeichnen ein absolut brillantes Spielgefühl, dass bis jetzt noch kein anderes Spiel so wie Deadly Premonition einfangen konnte.

Die Einzigartigkeit ist es, die dieses Spiel zu einem Geheimtipp macht. Man kommt in Greenvale an, baut im Regen, der angeblich verflucht sein soll einen Unfall, weil man die Silhouette einer Person auf der Straße gesehen hat (Klischee!!!) und kämpft sich durch ein Horde Untoter durch schlauchiger Levels. So weit so Survival-Horror. Doch dann geschieht das womit man nicht gerechnet hat.

Man wacht am Morgen im Hotel auf, kann sich umziehen, sich rasieren und beim Frühstücken einen Plausch mit der Besitzerin führen. Man fühlt sich wirklich wie in Greenvale. Eines der interessanten Features ist, dass York tatsächlich Essen, Schlafen und sich um sein Äußeres kümmern muss. Indikatoren für den Hunger, Schlaf etc. findet man in Form von Leisten, ähnlich wie bei einem Sim. Hat man zu wenig Schlaf, so kann sich York nicht gegen die Untoten wehren und wenn man schläft, dann bekommt man natürlich Hunger. Also muss York beim stetigen Tag- und Nachtwechsel darauf achten genügend Schlaf zu bekommen und etwas Essbares wie Kekse, Lollies und der Gleichen im Handgepäck zu haben.

Wechselt man die Kleidung nicht, so sammelt sich nach gewisser Zeit ein Schwarm fliegen um den FBI-Agenten und die Reinigung dauert selbstverständlich auch mindestens einen Tag. Dadurch fühlt sich Yorks Ermittlung wesentlich realistischer an, als die, vieler anderer Open-World Spiele, was der Atmosphäre einen gehörigen Schub erteilt. Verlässt man das Hotel, so entfaltet sich die volle Pracht von Greenvale vor York. Zwar sieht die Kleinstadt schrecklich aus, aber sie ist komplett offen.

Mit dem Auto kann man die Kilometer langen Strecken in kürzester Zeit zurücklegen und die Stadt auf eigener Faust erkunden. Viele Orte sind auch außerhalb der Stadt angelegt und man muss minutenlang durch die Gegend fahren um alles zu finden. Hinzu kommt, dass die Einwohner wirklich ihren Jobs nachgehen und die Welt dadurch organisch und echt wirkt. Auch hier sind fantastische kleine Details eingebaut, wie zum Beispiel, dass die Schulen beim Regen geschlossen sind und das niemand dann auf den Straßen zu finden ist, weil sich die Bewohner vor diesem fürchten. Außerdem lauern Dinge im Dunkeln und im Regen, die einen bei der ersten Begegnung einen Schrecken einjagen. Doch erneut…wo das Spiel mit seinen Stärken protzt, da ist auch der Schatten beheimatet.

Rasieren, Waschen, Kleidung wechseln. Realismus und Atmosphäre +100.

Zum einen verhindern die schreckliche Grafik, der Sound und die Animationen ein vollkommenes eintauchen in die Kleinstadt und zum anderen grenzen Steuerung und Fahrphysik erneut an physische Schmerzen, aber in diesem Fall aufgrund von Frustrationsknirchen und Ähnlichem. Die Autos fahren sich als wäre ein übergewichtiges Nilpferd auf der Haube und sowohl die Kamera, als auch die hackeligen Bewegungen von York gehen einem auf die Nerven. Ganz besonders in den “Actionpassagen“, wenn York sich gegen langweilige Untote verteidigen muss. Hierbei findet man zwar das Survival-Horror typische begrenzte Inventar und der Kampf mit einer Vielzahl von Nahkampfwaffen.

Was jedoch ungewöhnlich ist, ist das unbegrenzte Magazin für die Standardpistole, der nicht vorhandene Schwierigkeitsgrad und die Quicktime-Events. Nichts davon hilft diese absolut unnötigen und nervigen Passagen etwas besser zu gestalten. Währenddessen wünscht man sich eigentlich nur zurück in die Tiefe und Atmosphäre von Greenvale zurück. Hier wird sehr deutlich, dass diese Passagen nicht von Director eingebaut und erdacht wurden, sondern von den Produzenten, die mit Action und Untoten Werbung für das Spiel machen wollten. Nur wenn York mal den Atem anhalten muss um unbemerkt an den grotesken Kreaturen vorbei zu kommen, entsteht wieder ein richtiges Survival-Horror Gefühl.

Technisch ist der Deadly Premonition Director´s Cut ein Witz. Aber Ähnlich wie bei der Story springt das Spiel Gameplaytechnisch zwischen absurd, nervig und einzigartig, grandios. Selbstverständlich ist das Spiel noch mit vielen anderen Kleinigkeiten gefüllt, welche dieses Spiel einzigartig machen und welche, die den Spieler einfach nur nerven werden und man könnte stundenlang über die ungewöhnlichen Charaktere in dieser verrückten Story diskutieren.

Doch wie man das Spiel nun wahrnimmt ist jedem Spieler selbst überlassen. Einige werden diesem Review zustimmen, andere werden es zerreißen, doch eines ist sicher. Deadly Premonition ist ohne Zweifel das polarisierendste Survival-Horror-Spiel aller Zeiten und damit ist es auf jeden Fall einen Blick wert.

Story: Einzigartig, krank, abstrus und genial. Der Plot springt zwischen all diesen Eigenschaften hin und her und beinhaltet dabei alle Charaktere, die sich in diesem Spektrum befinden.

Gameplay: Das Erkunden von Greenvale ist fantastisch und man verliert sich in der tollen Atmosphäre, selbst mit der unmöglichen Fahrphysik. Die Actionpassagen sind hingegen lahm, unnötig und nerven mit hackeliger Steuerung und einer schrecklichen Kamera.

Grafik: Heißer Anwärter auf das hässlichste Spiel dieser Konsolengeneration! Hinzu kommen noch technische Probleme wie Slowdowns, Ruckler und Abstürze.

Sound: Gelungener Soundtrack mit viel zu wenigen Stücken, die so oft wiederholt werden, dass man es kaum noch aushalten kann. Hinzu kommen schwache Soundeffekte und viele Synchronsprecher, die alles andere als überzeugen.

Sonstiges: Man kann sich stundenlang in Greenvale aufhalten um Stadt und Einwohner besser kennen zu lernen. Aber immer schön darauf achten, dass York genug Schlaf und Essen bekommt. Ein tolles Feature.

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