Lange ist es her, dass wir von der lang bekannten und oft von Fans und Kritikern betitelten „Sex-Ikone“ Lara Croft ein zumindest positives Lebenszeichen vernahmen. Die abenteuerlustige Archäologin, die im Jahre 1995 ihr Debut mit dem PlayStation 1 Titel “Tomb Raider” feierte, begleitete kommende Konsolengenerationen über die Jahre hinaus und sicherte sich wohl verdient einen Platz unter den bekanntesten Videospiel Helden neben Mario und Solid Snake. Doch diese Zeiten sind lange vorbei, wurde es doch etwas ruhig um die Tomb Raider Spiele. Vor allem der letzte Hauptableger “Tomb Raider: Underworld” schnitt unter den Erwartungen ab.
Es war klar, dass die Serie sowie Lara überarbeitet und neu aufgezogen werden müssen, um auch Spieler in Zukunft ansprechen zu können. Als schließlich Eidos mitsamt dem Entwickler Crystal Dynamics von Square Enix übernommen wurde, sah das Entwicklerteam die Chance gekommen, ihre lange ersehnte Vision eines neuen Tomb Raiders in die Tat umzusetzen. Das neue Tomb Raider soll einen gänzlich anderen Ton aufsetzen als die Vorgänger, ein neuartiges Gameplay abliefern und so nebenbei auch den Werdegang einer jungen Lara zur mutigen Heldin, wie wir sie kennen, erzählen. Ob Crystal Dynamics dieses Unterfangen geglückt ist oder das Spiel ebenso Schiffbruch erleidet, könnt ihr nun in unserem Review lesen!
A Survivor is Born
Das Spiel beginnt recht abrupt mit der bereits bekannten Szene aus den ersten Trailern zum Spiel. Die junge und frisch diplomierte Archäologin Lara Croft befindet sich an Board der Endurance auf der Suche nach dem verlorenen japanischen Königreich Yamatai, welches sich irgendwo im Pazifik östlich von Japan befinden soll. Mit dabei ist eine bunt gemischte Crew aus Kollegen und Schiffsleuten. Als das Schiff jedoch in einen Sturm gerät, nimmt die Katastrophe ihren Anfang. Die Endurance wird außeinander gerissen und treibt mitsamt ihrer Crew auf eine mysteriöse unkartierte Insel. Doch damit ist der Albtraum nicht vorbei, denn es scheint als ob sie bereits auf der Insel erwartet wurden. Lara wird am Strand bewusstlos geschlagen und von ihren Freunden getrennt. Kurz darauf findet sie sich gefesselt in einer Höhle mit eigenartigen Schreinen und einer Fülle von dem was wie menschliche Opfer aussieht wieder. Schnell kommt sie in Kontakt mit Anhängern eines eigenartigen Kults, die eine gewisse Sonnengöttin anbeten und eine starke Abneigung gegenüber fremden Leuten hegen.
Was genau hat es mit diesem Kult auf sich? Wer ist diese Sonnengöttin? Und vor allem – wie kommt man wieder von dieser Insel weg? Lara wird schnell bewusst, dass hinter dieser mit zahlreichen alten Ruinen versehenen Insel mehr steckt als es zuerst den Anschein hat und während sie sich darauf begibt, ihre Freunde zu retten, enthüllt sie nicht nur nebenbei die großen Geheimnisse auf jener Insel, sondern lernt, was es heißt zu überleben.
Von Anfang an wird klar, in welche Richtung die Entwickler mit ihrer Story gehen wollen. Sie wollen, dass der Spieler mit Lara mitfühlt. Dies gelingt auch – teilweise. Wenn es aber gelingt, dann mit großer Wirkung. Ein unschuldiges Mädchen, das auf einer von verrückten Kultisten besetzten Insel strandet, da liegt es auf der Hand, dass einige traumatische Erlebnisse mitspielen müssen! Auch wenn es nur solche Momente wie das unglückliche Fallen auf einen rostigen Nagel oder das Erlegen eines Hirsches für Nahrung sind, sie bringen den Spieler unmittelbar näher zum Charakter und das ist gut so. Lara entpuppt sich als Mensch mit sehr ausgeprägtem Charakter, der denkt und fühlt. Am Anfang natürlich etwas zierlich und schreckhaft bringen die Ereignisse auf der Insel sie dazu, über ihren eigenen Schatten zu springen. Es ist insofern eine rührende Geschichte, die zeigt, dass jeder von uns in der Lage ist Großartiges zu leisten, sofern nur etwas Mut vorhanden ist.
Nicht nur Lara sondern auch die Insel ist versehen mit Geheimnissen und den ein oder anderen kleinen Geschichten. Versteckte Tagebücher geben interessante Information über Personen preis, die vor oder während Laras Aufenthalt auf der Insel leben. Die Spannweite reicht dabei von antiken Gesandten aus China über japanische Soldaten des zweiten Weltkriegs bis hin zu den Kultisten und sogar der eigenen Endurance Crew selbst. Verschollene Relikte werden von Lara untersucht und interpretiert und manche enthüllen bei näherer Betrachtung weitere Geheimnisse oder kleine Nebeninformationen. Durch diese Feinheiten bekommt ebenso die Insel mit all ihren Bewohnern ein Gesicht und lässt die Welt insgesamt einfach glaubwürdiger erscheinen.
Kenner der Serie LOST werden vielleicht die ein oder andere Parallele ziehen, doch im Ganzen weiß die Story, wie sie den Spieler in ihren Bann ziehen kann. Anders als besagte Serie schafft die Story es aber nie zu sehr in den Bereich des Übernatürlichen zu stapfen. Es macht einfach Spaß die Geheimnisse und Geschichten der Insel nach und nach aufzudecken und dabei mit zu erleben, wie Lara sich stetig zu jener Heldin formt, die wir von früher kennen (die sexy Aufmachung natürlich ausgenommen).
Action gewürzt mit einer Prise RPG
Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der die Erkundung der Insel so schmackhaft macht ist neben der Story natürlich auch das ausgezeichnete Gameplay, das vor allem durch die Abwechslung punkten kann. Entspannte Erkundungstouren werden abgelöst durch hitzige Verfolgungsjagden oder Schleicheinheiten. Was diese Vielfalt dabei so außergewöhnlich macht, ist dass die Übergänge nahtlos und natürlich stattfinden. Niemals schafft es das Spiel, den Spieler dabei zu verlieren, was zum Großteil der einfachen und angenehmen Steuerung von Lara zu verdanken ist. Sie bewegt sich natürlich und der Umgebung entsprechend. Wer einmal einen Hang hinunterrollt und von einem brennenden Cockpit verfolgt wird, weiß was gemeint ist. Ab und an trifft man auf ein Qucktime-Event, doch diese halten sich zum Glück sehr in Grenzen und nehmen keineswegs die Überhand im Spiel.
Neben Spielen wie Uncharted oder Assassin’s Creed borgt sich Tomb Raider ebenso von Rollenspielen einige Elemente aus, allen voran Open-World Rollenspielen wie zum Beispiel Skyrim. Jedoch ist Tomb Raider keineswegs ein Open-World Spiel, auch wenn es vielleicht beim ersten Blick so aussieht. Die Story selbst ist ein strikter roter Faden, doch die einzelnen Gebiete an sich sind sehr umfangreich gestaltet und bieten viel Raum zum Erkunden. Neben Relikten und Büchern kann Lara auch GPS Signale einsammeln und je nach Areal bestimmte Herausforderungen meistern. Diese Herausforderungen beschränken sich in der Regel auf Gegenstände zum Aufsammeln, Zerstören oder zum Betätigen. Eher Beschäftigungstherapie als eigentliche Herausforderung.
Anhand der Karte werden sämtliche interessanten Orte mittels Legenden aufgezeichnet. Die wohl interessanteste Kategorie dieser Orte sind die sogenannten Tombs (Gräber), quasi die Namensgeber des Spiels. Bis auf eine Handvoll dieser Tombs sind diese aber rein optional und bieten neben einer beeindruckenden Aufmachung und netten Puzzles lediglich Erfahrungspunkte und die Aufdeckung aller noch nicht aufgesammelten Gegenstände.
Es wurden Erfahrungspunkte erwähnt, aber Tomb Raider ist doch kein Rollenspiel? Nein, nicht wirklich, aber es beinhaltet durchaus einige Elemente. Erfahrungspunkte werden entweder durch das Töten von Tieren bzw. Gegnern, Ernten von Pflanzen, Lösen von Herausforderungen oder schlicht Weiterkommen in der Story gesammelt. Mit genug Erfahrungspunkten bekommt Lara einen Skillpunkt, den sie dann an sogenannten Camps für 3 Skillbäume verwenden kann: Survival, Hunter und Brawler. Alle 3 Bäume geben bestimmte Boni, sei es im Kampf oder am einfachen Feld. Doch sollte man sich dabei nicht allzu sehr vom „Rollenspiel“-Aspekt blenden lassen, ist es doch ein Leichtes, bis zum späteren Spielverlauf alle 3 Bäume fast vollständig ausgefüllt zu haben. Schade eigentlich, ist gerade mit einem ausgebauten Skillsystem viel Potential für das Gameplay gegeben, wenn man z.B. an Deus Ex: Human Revolution denkt, ein anderes Square Enix Spiel.
Hat man einmal ein bestimmtes Relikt vergessen oder eine Herausforderung noch nicht gemeistert, wird einem die Möglichkeit gegeben, an den Camps eine Schnellreise zu bereits besuchten Orten zu machen, was sehr angenehm ist, da sich vor allem ungeduldige Spieler so zuerst einmal auf die Story konzentrieren können und Optionales, falls sie noch Lust haben, so nachholen können.
Die Kämpfe in Tomb Raider sind so wie man es mittlerweile von vielen anderen Shootern in dritter Person kennt – hinter Kisten verstecken und schießen. Positiv hierbei ist, dass Lara automatisch in Deckhaltung geht und man selbst nicht den Befehl dazu geben muss. Parallel dazu erhält man ebenso die Fähigkeit, an Gegner anzuschleichen und sie heimlich auszuschalten – für mehr Erfahrungspunkte versteht sich. Nicht selten kommt Lara in die Situation, wo sie sich mit Waffengewalt durch Gegner schießen muss. Manche werden vielleicht etwas genervt stöhnen, wenn sie „schon wieder Horden an Menschen umnieten“ müssen. Was hier jedoch dabei hilft, ist zum einen eine sehr intelligente Gegner KI, die sich mehr als zu helfen weiß und die Tatsache, dass oft der subtile Weg in diesen Kämpfen besser als der offene ist. Ein Gefecht im offenen Feuer überlebt man selbst auf normaler Schwierigkeitsstufe nur wenige Sekunden.
Ihr Waffenarsenal beschränkt sich auf ganze 5 Waffen, die wären: Bogen, Pistole, Sturmgewehr, Schrotflinte und ein Eispickel. Anders als noch bei alten Tomb Raider Spielen verliert Lara jedoch eine ihrer zwei Pistolen. Die neue markante Waffe für Lara ist diesmal der Bogen, eine nicht minder tödliche Waffe und die mit Abstand Nützlichste, da sie im späteren Spielverlauf einige nette Zusatzfunktionen bekommt, die jedoch besser nicht gespoilert werden. Der Bogen sowie der Eispickel sind neben dem Kampf auch für das Vorankommen am Gelände gut. Ausgehöhlte Stellen an der Wand eignen sich mit dem Pickel zum Klettern und der Bogen ist in der Lage Seile zu schießen, an denen Lara anschließen klettern kann. Ihre Ausrüstung lässt sich ebenso aufwerten. Dies geschieht durch Ersatzteile, die verstreut im Spiel auffindbar sind oder von Leichen geplündert werden. Bestimmte Verbesserungen einer Waffe verlangen eine bestimmte Summe an solchen Teilen, die mit der Anzahl an bereits gemachten Aufwertungen natürlich steigt. Diese Verbesserungen beinhalten das, was sich die meisten Shooter erprobten Spieler denken können, nämlich höhere Munitionskapazität, höhere Schaden, schnelleres Nachladen, etc.
Zu guter letzt das wohl markanteste neue Talent der jungen Lara: der Survival-Instinct. Da es keine Radars oder Minikarten gibt, ist Lara auf diesen angewiesen, um wichtige Orte in ihrer Umgebung finden zu können. Missionsziele, Gegner oder interagierende Gegenstände werden auf eigene Art in der ansonsten entsättigten Umgebung hervorgehoben. Dieses Feature ist jedoch genauso beeindruckend, wie es leider auch billig ist, da es das Spiel an vielen Stellen doch zu einfach macht. Eine mögliche Option, die den Modus vielleicht für einen zweiten, härteren Durchgang verbietet, wäre mehr als gewünscht!
Wunderschön und doch gefährlich
Die Entwickler gaben sich sichtlich Mühe, die Insel so lebendig aber auch mysteriös wie möglich zu gestalten. Die Tombs sehen ehrfürchtig aus und so manche Ruinen erdrücken einen glatt durch ihr hohes Alter. Die Insel erweckt ein Gefühl des Forscherdrangs aber gleichzeitig der Erleichterung, dass man nicht selbst auf ihr gestrandet ist. Die Szenerie wird untermalt von einer Musik, die nicht zu sehr auffällt und bestimmte Szenen und Begegnungen die perfekte Atmosphäre gibt. Trifft Lara auf Gegner wechselt diese oft in einen Ton, der vergleichbar mit denen von Horrorfilmen ist, der zusätzliche Spannung aufbauen soll.
Die Charaktere sind sehr detailiert und kitzeln dabei wohl das letzte heraus, was von der Konsolengeneration noch übrig bleibt. Besonders lobenswert ist hierbei das neue Design von Lara, deren Aussehen im Gegensatz zu einem anderen Reboot nicht Gefahr läuft, die Fans zu verärgern. Die neue Lara mag vielleicht nicht so viel „Femininität“ besitzen wie die alte, dafür aber bekam sie einiges an Menschlichkeit und Glaubwürdigkeit hinzu. Bis auf den Prolog sieht man Lara eigentlich immer entweder mit Dreck oder Blut verschmiert und in Anbetracht der Ereignisse im Spiel ist das alles andere als befremdlich.
Ebenso mit dem unglücklichen Ableben von Lara scheuten die Entwickler nicht, manche ihrer Tode durch schmerzhafte bis sogar brutale Szenen zu verdeutlichen. Insgesamt nahm das Spiel in solchen Belangen stark an Realität zu – die Art von Realität, welche man auch im echten Leben erwartet, wenn zum Beispiel jemandem mit der Pistole von nahem ins Gesicht geschossen wird. Das Spiel hat sich daher das ab 18 Siegel durchaus verdient. Leute, die etwas empfindlich auch solche Szenen reagieren, sollten das Spiel mit Bedacht spielen.
Positiv hervorzuheben ist auch das HUD im Spiel, welches sich nur einschaltet wenn es auch gebraucht wird. Vorbei ist die Zeit, bei der immer und überall Leben, Munition, etc. an Rändern gezeigt wird. Diese Zahlen treten nämlich nur in Erscheinung, wenn sie auch gebraucht werden, z.B. wenn Lara eine bestimmte Waffe einsetzt.
Keineswegs ein Schiffbruch!
Tomb Raider ist ein Actionspiel, das sich nur wenige entgehen lassen sollten. Hier und da gibt es vielleicht verbesserungswürdige Sachen, aber nichts von alledem ist wirklich als schlecht zu empfinden, geschweige denn schmälert es den Spielspaß. Mit abwechslungsreicher Action, einer Insel zum erkunden und nicht zu vergessen ebenso einer packenden Story, die für nicht wenige Stunden Spielspaß sorgt, ist Tomb Raider defintiv nicht nur ein Spiel für Hobby-Archäologen und verträumte Schatzjäger. Das Spiel macht Spaß – von Anfang bis Ende. Crystal Dynamics haben einen großartigen Job vollbracht, die Heldin der Neunziger in das neue Jahrzehnt zu versetzen. Wenn so die neue Ära für Tomb Raider beginnt, kann in Zukunft nichts schlechtes dabei rauskommen!
Story – Eine Insel die zum Erkunden einlädt, auf ihr eine Heldin zum Verlieben und Mitfühlen
Gameplay – Abwechslungsreiche Stellen im Spiel gemischt mit vielen Sachen zum freien Erkunden und Aufsammeln. Das Skillsystem könnte etwas Ausbau vertragen
Grafik – Wunderschöne Szenerie und sowohl detaillierte, als auch lebendige Charaktere
Sound – Musik, die das Spiel gut untermalt und die richtige Atmosphäre verleiht
Sonstiges – Neben einer freischaltbaren Bilder- und Modellgalerie besitzt das Spiel ebenfalls einen Multiplayer Modus. Dieser ist jedoch nur sehr dürftig gehalten und wird deshalb nicht im eigentlichen Review behandelt, da er lediglich dem Singleplayer Modus zu unrecht die Wertung runterdrücken würde.