Es ist eine unglaublich Geschichte, die man in Chad Concelmo’s Blogeintrag liest. Darin beschreibt er, wie schlecht es ihm in einer Phase seines Lebens ging und wie ausgerechnet ein Spiel, nämlich Final Fantasy VI, ihm das Leben rettete. Wir haben für diejenigen, die es gerne auf Deutsch lesen würde, übersetzt. Legt euch schon mal ein Taschentuch bereit…
Dies ist wohl der persönlichste Eintrag, den ich je für Destructoid geschrieben habe.
Zuerst war ich mir unsicher, so viel über mein Leben zu teilen. Aber dann realisierte ich, dass es eine Geschichte war, welche ich wirklich erzählen wollte. Ich dachte, wenn dieses sehr persönliche Erlebnis irgendjemanden inspiriert oder hilft, jemandes Leben nur ein bisschen zu verbessern, dann ist es das wert.
Dies ist ein Geschichte über einen sehr irritierenden Abschnitt in meinem Leben und ein einziges Videospiel, welches alles komplett zum Besseren geändert hat. Dies ist die Geschichte, in der Final Fantasy VI mein Leben gerettet hat.
Wenn man mich jetzt kennt, irrwitzig und optimistisch, dann ist es schwer zu glauben, dass ich früher ein unglaublich scheues Kind war. Ich hatte ein paar Freunde als ich noch sehr jung war. Doch als es dann in Junior High und High School ging war ich abgeschieden und kapselte mich ab. In meiner Freizeit hing ich in meinem Zimmer rum und tat nur zwei Dinge: Achterbahnen zeichnen und Videospiele spielen. Das waren die zwei Aktivitäten, die mich am glücklichsten machten.
Weder war meine Kindheit traurig, noch gab es sonst etwas, was mein Verhalten ausgelöst haben könnte. Es gibt einen Haufen Kinder, die wirklich schlimme Dinge erlebt haben. Ich hatte jedoch wunderbare Eltern, ging auf eine gute Schule und hatte sehr gute Noten. Ich war einfach nur sehr ruhig und hatte wenig bis gar keine Freunde. Aber außer alledem wusste ich, dass irgendetwas in mir vorging, nicht mit mir stimmte. Es war etwas, was mich verwirrte und was ich nicht verstand.
Nachdem ich mit der Highschool fertig war besuchte ich ein College. Ich wollte unbedingt ein Designer für Achterbahnen werden. Also entschied ich mich für eine günstige und hoch angesehene Universität in meiner Heimat North Carolina. Wie jeder andere war auch ich aufgeregt als das College begann. Doch ich sagte mir, solange ich Skizzenbuch und Super Nintendo habe, wäre alles gut.
Das College war eine komplett andere Welt für mich.
Es war schwer, sich von der Welt der Spiele und Achterbahnkurven abzukapseln. Ich musste sozialer werden, mit einer großen Gruppe von Leuten kommunizieren. Aber ich überwand mich und tat, was von mir erwartet wurde. Ich war aufmerksam in den Vorlesungen, habe Mitschriften geführt und hing mit einer kleinen Gruppe von netten Leuten beim Mittag oder zwischen den Lesungen ab. Wenn ich im Studentenwohnheim war trollte ich mich in mein Bett, schnappte mir meinen Super Nintendo und spielte. Das war es, worauf ich mich jeden Tag freute. Die Zeit in meinem Raum, wenn es nur mich und meine Videospiele gab. Doch dann nahmen die Dinge ihren Lauf.
Mein Mitbewohner war jemand, den ich zufällig auswählte und ohne Kriterien. Er war nicht wirklich ein netter Mensch. Nonstop machte er Witze über mich und meine Videospiele. Ich wurde verspottet weil ich nicht nach draußen ging und meine Freizeit mit anderen Leuten verbrachte. Mir ging es gut, solange ich ihn ignorierte. Jedoch wurde es schlimmer. Nach einer Weile schloss er sich mit seinen Kumpels zusammen und machte sich weiterhin über meinen Lebensstil lustig. Sie begannen, mich als schwul zu bezeichnen.
Ich war nicht schwul. Das sagte ich mir immer wieder und fragte mich dabei, warum sie Dinge behaupteten, die nicht stimmten. Aber vielleicht stimmte es doch? Ich war verstört über viele Dinge und dachte mir, dass Schwulsein wahrscheinlich dazu gehören würde.
Um mich besser zu fühlen spielte ich noch mehr. Ich hörte auf mich auf meine Achterbahn Designs zu konzentrieren, nachdem ich nicht mal die Kraft hatte, morgens aus dem Bett zu steigen. Die Torturen hörten nicht auf, hatten die physische Grenze überschritten. Ich hatte Angst, dass Wohnheim zu verlassen, Angst, mit irgendjemandem darüber zu reden, was passierte. Ich fürchtete mich, das Wort „schwul“ überhaupt in Zusammenhang mit meinem Namen zu erwähnen.
Bis zu dem Tag war das erste Jahr auf dem College der Tiefpunkt in meinem ganzen bisherigen Leben. Einen so persönlichen Kampf mit sich selber zu führen -wie ich damit umgehen sollte, wäre ich wirklich schwul- war schwer genug, wenn man allein war. Leute um sich herum zu haben, welche damit beschäftigt waren überall im Wohnheim Spott und Hohn zu verbreiten, und einen zu schlagen wenn sie dachten, man hätte in der Gemeinschaftsdusche unsittlich gestarrt. Das machte das ganze noch brutaler. Ich konnte nicht mehr.
Ich habe nie etwas getan, was andere vielleicht in der Situation getan hätten. So weit ist es bei mir nie gekommen. Doch ich war traurig und verwirrt. Genug, um mich das Studium abbrechen zu lassen. Ich fuhr an einem Wochenende nach Hause und kehrte nie mehr zurück. Meiner Familie sagte ich, dass ich nicht mehr zum College zurück wolle. Verständlicherweise waren sie irritiert. Sie hatten keine Ahnung was mit mir passiert war. Also dachten sie, ich hätte es einfach aufgegeben. Ich weigerte mich ihnen zu erzählen, was geschehen war. Ganz abgesehen von der Angst sie würden mich fragen, ob ich schwul sei. Ich lebte nur in meinem Zimmer. Ich lebte darin und versank in meinen Videospielen.
Ich entschied mich für Final Fantasy VI. Es war eines meiner liebsten Spiele und ich wusste, dass allein die Länge des Spiels mir schon die Entschuldigung liefern würde, warum ich mich von allem was in der Welt abging abgrenzte. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr das Spiel mein Leben beeinflussen würde. Ich war wie besessen vom Spielen. Jeder einzelne Teil des Spiels bedeutete mir etwas. Als Terra und ihre Begleiter auf Narshe zukamen war ich hingerissen.
Von bestimmten Charakteren wurde ich regelrecht verzaubert. Terra, Celes, Locke, Sabin, Cyan, Setzer, Relm. All diese Charaktere wurden wie Freunde, während ich ihre traurigen und oftmals sehr dramatischen Storylines auf dem leuchtenden Bildschirm vor mir offen legte. Ihre Geschichten wurden zu meinen.
Während das ganze Spiel mich schon fast hypnotisierte gab es Schlüsselszenen, welche mich auf einer ganz persönlichen Ebene beeinflussten(The Opera House, The Ghost Train, The Solitary Island). Jede dieser Szenen hatte einen sehr tiefgründigen Effekt. Schon lange spielte ich nicht mehr nur ein Videospiel. Ich erlebte ein wunderbares Stück Kunst, welches langsam aber sicher mein Leben zum besseren wendete.
Jedes Mal wenn ich FF VI spielte, fühlte ich mich besser mit dem was ich war und was mit mir geschah. Ich fing an mich aus meiner Depression zu winden als ich mich selbst im Spiel verlor. Ich lächelte jedes Mal, wenn ich eine Sequenz in dieser wunderschönen Grafik sah. Ich schloss mein Augen und fühlte mein Herz im Rhythmus der Musik schlagen. Wenn eine Sequenz begann dachte ich über meine Zukunft nach und über die Person, die ich sein wollte.
Es gab viele Spiele, die ich liebte. Aber Final Fantasy VI war anders. Ich denke nicht, dass es verrückt ist zu sagen, dass es wirklich mein Leben gerettet hat.
Nachdem ich mit Final Fantasy VI fertig war, begann ich die Person zu werden, die ich heute bin.
Ich dachte über die Leute nach, welche mich im College gedemütigt hatten. Je mehr ich darüber nachdachte, wie viel FF VI für mich bedeutete -und je mehr ich darüber nachdachte, wie großartig Dinge in der Welt sein konnten-, desto weniger kümmerte es mich, was sie mir angetan hatten. Warum haben sie sich über das Spielen von Videospielen lustig gemacht? Videospiele sind etwas großartiges! Warum geht man bis zur physischen Gewalt, wenn jemand schwul ist? Schwulsein ist viel besser als das!
Verflucht seien diese Personen und das, was sie sagten.
Ich kann nicht genau sagen, wann der Moment war, in dem ich mich geändert hatte. Aber ich weiß, dass mir das Spiel geholfen hat dorthin zu gelangen. Vielleicht war es der Moment in dem Edgar und Sabin eine Münze geworfen haben um zu entscheiden, wer über das Reich ihres Vaters herrschen sollte. Vielleicht war es, als ich das erste Mal entdeckte, dass ich auf Shadow warten und ihn vor dem Tod bewahren konnte. Vielleicht war es als Setzer den Verlust seiner geliebten Daryl betrauerte.
Vielleicht gab es auch überhaupt keinen speziellen Moment. Eher war es das Zusammenspiel all dieser brillanten Augenblick welche meine Augen für alles fantastische dieser Welt öffneten. Alles was ich weiß ist, dass es mir nach Beenden von Final Fantasy VI gut ging und ich glücklich war.
Ich war zuversichtlich, hatte keine Angst vor mir selbst. Ich hatte mich in einer neuen Schule eingeschrieben, Schwerpunkt: Schreiben. Ich hatte eine Unmenge an neuen Freunden und fing an, allen von meiner Homosexualität zu erzählen. Ich war außer Kontrolle und es war großartig!
Final Fantasy VI hatte einen derartig positiven Effekt auf mein Leben, dass ich, immer wenn ich einen einzigen Ton der Musik höre, sofort an diese wunderbare Wende denke. Ich werde das Spiel, so lange ich lebe, nicht vergessen.
Das ist der Grund, warum ich Videospiele so liebe. Sie sind nicht nur Unterhaltung für mich. Sie haben mich zu dem geformt, der ich heute bin. Sie wiesen mir den Weg durch die härteste und verworrenste Zeit meines Lebens. Als ich letztendlich zur Schule zurück ging, war meine Verwandlung komplett. Ich war glücklicher denn je.
Nach all den Jahren gehe ich weiterhin so durchs Leben. Videospiele sind weiterhin ein wichtiger Teil. Ich bin noch immer glücklich, zuversichtlich und nicht nur zufrieden sondern stolz auf die Person, die ich bin.
Hätte ich mich auch ohne Final Fantasy VI so entwickelt? Vielleicht. Könnte es sein, dass das alles nur Zufall war? Hätte FF VI durch alles andere ersetzt werden können, in das ich in dieser Zeit hätte versinken können? Ein gutes Buch, ein toller Film? Möglich.
Aber ich weiß nicht, ob es dasselbe gewesen wäre. Ich glaube, dass es etwas magisches an Final Fantasy VI war, was mein Leben derart änderte. Ich denke noch immer, dass etwas magisches darin liegt, immer, wenn ich mich setze um es zu spielen.
Es ist wirklich etwas besonderes.
via destructoid.co