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Kolumne #4: Einfach mal alles kurz und klein schlagen…

von Andreas G.

Nein, was jetzt kommt, ist keine Anleitung zum aktiven Zerstören von fremdem (oder eigenem) Eigentum. Und auch kein Plädoyer gegen die fortschreitende Überdimensionierung von PKWs (auch wenn dies durchaus diskutabel wäre) beziehungsweise ein Lob minder entwickelter männlicher Genitalien. Nein, was jetzt kommt, ist ein Loblied auf Spiele, die kurz sind. Was? Bitte? Wie kann man das für positiv befinden? Kann man. Und es kommt noch dicker: Oft ist es besser, wenn ein Spiel kurz ist. Oder eine kleine Spielwelt hat. Oder sogar beides.

Warum eigentlich? Nun, man kann hier einen ganz massiven Punkt anführen, den ich spontan auf den Namen „Content-Size-Relation“ getauft habe. Oder um es zu präzisieren, es geht vor allem um das Verhältnis von Größe/Länge zu den dargebotenen Inhalten. Als Beispiel soll uns die Literatur dienen: Große, mehrere Jahrzehnte und Handlungsstränge umfassende Romane wie Dumas’ „Graf von Monte Christo“ können schon einmal problemlos tausend oder mehr Seiten umfassen. Ein Werk wie Murakamis „Afterdark“, welches gerade einmal die Ereignisse von knapp sechs Stunden dokumentiert, ist da schon mit knapp 300 Seiten gut bedient. Ausnahmen bilden meist Thriller, die die Ereignisse von einem Tag beschreiben und dabei immer wieder andere Blickwinkel einnehmen.

Umfangreichere Spiele sind also zwangsläufig nicht „besser“, sondern zunächst einmal „umfangreicher“. Captain Obvious hat gesprochen.

Super Metroid: Nur die eigenen Fähigkeiten entscheiden über das Durchspieltempo.

Bleiben wir zunächst beim Thema „Spielzeit“, obwohl dies nicht direkt ein fest messbarer Faktor ist. Warum? Weil die Spielzeit oft sehr stark fluktuiert und damit eine Festlegung auf eine bestimmte Dauer nicht selten von den Fähigkeiten des Spielers abhängig ist. Passendes Beispiel sind die Ableger der SciFi-Jump’n’ShootReihe

„Metroid“. Man kann einen Ableger dieser Reihe in knapp zwei Stunden durchspielen, man kann aber auch sieben Stunden durch die klaustrophobisch anmutenden Gänge laufen. „God of War“ für die PlayStation 2 ist in unter fünf Stunden schaffbar, „ICO“ sogar in unter zwei (mehr oder minder). Vorausgesetzt, man beherrscht das Spiel.

Zweitens ist die Spielzeit nicht selten genreabhängig. Ein epochales Rollenspiel wie „Skyrim“ oder „Xenoblade“ kann schon mal gut 100 Stunden auf die Uhr bringen, „Super Mario Bros.“ hat man in knapp einer halben Stunde zwei Mal durchgespielt. Auch deshalb ist die Behauptung, dass eine längere Spielzeit gleichzusetzen sei mit einem besseren Spiel, eigentlich Unsinn, da bei verschiedenen Genres verschiedene Anforderungen an die Spielzeit gestellt werden. Ein universeller, genreübergreifender Vergleich kann somit eigentlich als hanebüchen abgestempelt werden.

Grinden als Spielzeitstrecker. Nicht immer hat man die Geduld dafür.

Drittens, und hier kommen wir auch wieder zur „Content-Size-Relation“, ist „Länge“ auch gleichzusetzen mit „Langeweile“ oder „Spielzeitstreckung“. Schafft es der Entwickler nicht, einen hohen Quotienten bei der „Content-Size-Relation“ zu erreichen, entstehen leicht Stellen im Spiel, an denen man sich frustriert fühlt und gar den Controller weglegt. Eines der größten Negativbeispiele für „Spielzeitstreckung“ bei Rollenspielen ist das Grinden, das massive Bestreiten von Kämpfen zum Zwecke des Erfahrungserwerbes. Klar, irgendwann muss man mal ein wenig leveln.

Aber es gibt doch ein paar Spiele, bei denen der eigentliche Spielfluss unterbrochen werden MUSS, um die Geschichte des Spieles weiterzuverfolgen. Ein Spiel, welches durch diese Mechanik sogar mir – obwohl ich recht tolerant bin, was Grinden betrifft – den Spielspaß zum Abbruch hin verleidet hat, ist „.hack//OUTBREAK“, in dem es streckenweise nötig war, fünf bis zehn Level aufzusteigen, um das nächste Story Gebiet zu schaffen. I call Bullshit. Andere bizarre Konzepte sind der Zwang, ein Minispiel spielen zu müssen (wie das Notensammeln bei „The Legend of Zelda: Skyward Sword“) oder zähe Tauschquests, denen ein tieferer Sinn komplett fehlt.

Erhebt die bei anderen Spielen oft unangebrachte Leere zum Stilmittel: Shadow of the Colossus.

Die Problematik der „Content-Size-Relation“ betrifft aber nicht nur die Spieldauer. Nein, auch zu große Spielwelten können darunter leiden, wenn es ihre Schöpfer nicht schaffen, sie abwechslungsreich zu gestalten und sie mit Inhalten zu füllen. Schlimmstenfalls reitet man durch eine Welt, in der nur gelegentlich mal ein Baum steht oder ein Gegner herumflattert und in der keine Quick-Travel-Funktion existiert. Die lobenswerte Ausnahme ist hier „Shadow of the Colosssus“, welches die Einsamkeit und Unendlichkeit zum prägenden Stilelement erhebt.

Letztlich ist es dem eigenen Gusto unterworfen, ob ein Spiel länger oder kürzer sein muss. Jedoch wage ich zu behaupten, dass falsche Gigantomanie und Spielzeitstreckungen Frustfaktoren sind, die jedem von uns innewohnen. Und leider sind es auch Krankheiten, die die Spielebranche bis heute nicht auszumerzen wusste. Man darf also mal ruhigen Gewissens ein kürzeres Spiel einlegen und dabei abgehen. Denn wie heißt es so schön? „In der Kürze liegt die Würze.“

von Andreas G.

Das war erst der vierte Teil unserer neuen Kolumnen-Serie. Wollt ihr eine Kolumne auf jpgames.de veröffentlichen und eure Meinung zu einem aktuellen Thema zur Diskussion stellen? Oder einfach nur loswerden? Gern! Meldet euch bei tony@jpgames.de!

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