Mit Gravity Rush liefern uns SCE Japan und Project Siren definitiv eines der meist erwarteten und erfolgversprechendsten Titel für die neue Sony Playstation Vita. Ursprünglich für die Playstation 3 konzipiert, vollzog sich der Wechsel auf den neuen Handheld doch sehr schnell, nicht nur um die Fähigkeiten der neuen Plattform auskosten zu können, sondern auch gleich einen soliden Systemseller parat zu haben. In Japan ist das Spiel schon seit längerer Zeit käuflich erwerbbar, nun darf sich auch der Westen an diesem Spiel erfreuen. Doch hält Gravity Rush das was es verspricht? Ist das Spiel tatsächlich der Systemseller, den die Playstation Vita derzeit so dringend nötig hat? Lest es hier in unserem Review!
Eine Stadt, sondergleichen
Hekseville, die Stadt und die Bühne dieser Geschichte, ist ein durch und durch sehr merkwürdiger Ort. Eine riesige Säule, die aus unerkennbaren Wirbeln eines mysteriösen schwarzen Sturms herausragt und scheinbar ins unendliche gen Himmel steigt, dient ans Trägersäule für jene riesige Stadt, die durch wirre Stahlkonstruktionen an ihr befestigt ist. Ob es neben dieser Stadt weitere Orte gibt, ist nicht bekannt und bis auf ein paar Vermutungen scheint es die Bevölkerung auch nicht groß zu stören.
Ein Mädchen und ihre Katze
Ein etwas freizügig gekleidetes Mädchen öffnet ihre Augen und findet sich in einem Innenhof jener genannten Stadt wieder. Sie kann sich an rein gar nichts erinnern, nicht einmal an ihren Namen. An ihrer Seite befindet sich eine merkwürdig aussehende Katze, die aus welchen Gründen auch immer, nicht von ihrer Seite weichen will. Sie streift ein wenig im Innenhof umher und wird plötzlich von einem alten Mann bedrängt. In dem Glauben, der Mann möchte sie belästigen, schlägt sie ihn zu Boden, doch kurz danach stellt sich heraus, er sucht ihre Hilfe. Ein merkwürdiger Sturm am Himmel droht sein zu Hause zu zerstören, in welchem sich noch sein kleiner Sohn aufhält.
Das Haus liegt mehrere hundert Meter über ihnen und auf normalen Weg wäre die Zeit viel zu knapp. Sie soll ihre Superkräfte verwenden, um ihn zu retten. Völlig irritiert, was er von ihr erwartet, beginnen plötzlich die Augen jener Katze zu leuchten und das Mädchen findet sich auf einmal in der Luft schwebend wieder. Sie begreift schnell, dass diese merkwürdige Katze in der Lage ist, die Schwerkraft zu ändern.
Hier beginnt das Spiel seine wahre Form anzunehmen. Mit Begleitung eines Tutorials fliegt das Mädchen von Plattform zu Plattform, um noch rechtzeitig den Jungen außer Gefahr zu bringen. Schnell merkt der Spieler den einfachen Mechanismus hinter diesem System und es ist verwunderlich, dass kein Entwickler schon vorher auf diese Idee kam. Mit der R1 Taste begibt man sich in absolute Schwerelosigkeit. Es erscheint eine Markierung in der Mitte des Bildschirms und mit dem Analogstick bzw. mit Sixaxis der Playstation Vita lässt sich die Kamera mit der Markierung rotieren. Drückt man nun erneut R1 oder X, fliegt man in die Richtung der Markierung oder genauer gesagt, man fällt, denn eigentlich hat man nichts anderes getan, als die Richtung der Schwerkraft zu verändern. So ist es möglich, auf Wänden oder gar Decken zu stehen und zu laufen.
Das Mädchen rettet schließlich den Jungen, doch dem Heim der beiden konnte sie nicht mehr helfen. Schnell findet sie heraus, dass sie unter der Bevölkerung eine sogenannte „Shifter“ ist, die nicht unbedingt ein hohes Ansehen genießen. So wird sie trotz ihrer Rettungsaktion nicht mit hohen Dank belohnt und sie flüchtet schwer betroffen von dannen. Doch bald begegnet sie einer anderen Gefahr.
Nicht Stürme terrorisieren die Stadt, sondern auch abscheuliche Monster, die „Nevi“ genannt werden. Als die Nevi unschuldige Passanten bedrohen, macht sie sich auf, diese zu bekämpfen. Diese Nevi erinnern vom Aussehen her schattenartigen Kreaturen, doch sie alle besitzen eine leuchtende Kugel, die es zu zerstören gilt. Mit Viereck kann man auf die Gegner kicken, doch gibt es ebenso ausgefallenere Techniken, wie z.B. wenn man mit dem Finger über den Bildschirm streift, sie daraufhin eine Ausweichrolle macht und durch anschließendes drücken von Viereck einen besonders starken Konterangriff durchführt. Eine weitere Attacke ist der sogenannte „Gravity Kick“, bei dem sie in ihrer Shifter-Form einen Kick ausführt.
Nach all dem Trubel rettete sie auch den sympathischen Polizeibeamten Syd das Leben. Als er sie nach ihren Namen fragt und sie antwortet, sie hätte keine Ahnung, gibt er ihr den Namen „Kat“, wegen der schwarzen Katze, die sie begleitet. Kurz darauf bekommt auch die Katze den Namen „Dusty“. Kat und Dusty werden nach und nach die neuen Helden der Stadt, denn die Stürme und die Angriffe der Nevi waren keine Einzelfälle. Tatsächlich ist Hekseville mit vielen dieser Stürme verseht und die einzelnen Bezirke dieser Stadt sind mitsamt der dort lebenden Bevölkerung voneinander abgeschnitten. Kat sieht es daher als ihre Aufgabe, diese verlorenen Teile der Stadt wieder zugänglich zu machen. Doch gibt es eine andere Shifter, die nicht ganz Kat’s neue Ansicht teilt …
Gravity „Rushed“ Story?
Etwas konfus zu Beginn, braucht es kurze Zeit, bis die Geschichte einen wirklich greifen kann. Dass es nicht gerade viele Hintergrundinformationen zu Welt und Menschen gibt, trägt unter anderem seinen Teil dazu. Zwar läuft Kat an der ein oder anderen Nebenmission vorbei, doch handelt es sich bei diesen nur um Herausforderungen, wie z.B. einen Parcours unter einer gewissen Zeit abzuschließen, als wirkliche Nebenmissionen, die vielleicht einen gewissen Einblick in die Welt von Gravity Rush geben könnten.
So schön und interessant die Stadt Hekseville auch aussieht, so unnahbar ist sie doch für den Spieler. Es hätte definitiv gut daran getan, diese Herausforderungs-Missionen vielleicht um die Hälfte zu reduzieren und die übrigen Ressourcen dafür in den allgemeinen Lore des Spiels zu stecken. Ebenso hätten auch die meisten Charaktere, die man unterwegs trifft, etwas mehr Tiefe vertragen können.
Auf der anderen Seite kann man aber nicht die Originalität des Spiels abstreiten, denn die Entwickler haben sich sichtlich Mühe gegeben, mit diesem Setting dem Spieler ein völlig neues Erlebnis zu bieten. Dazu mit einer eigens gesprochenen Sprache und einer prächtigen musikalischen Untermalung der Umgebungen sowie der in comicartiger Form gehalten Zwischensequenzen, die ein bisschen an die alten Batman Comics erinnern, lässt sich zumindest sagen, dass sich das Spiel schön ansehen lässt.
Openworld in portabler Form
Was sich auch schön ansehen lässt, ist das Gameplay in Gravity Rush. Das Spiel ist zwar ein Platformer durch und durch, aber dank Kat’s einzigartige Fähigkeiten kann das Spiel auch leichte Puzzle Elemente annehmen, wenn es z.B. darum geht, sich ungesehen wo anzuschleichen, indem man Außenwände entlanggeht und ähnliches. Dies, gepaart mit einer offenen Spielwelt, die nicht selten an Spiele wie GTA erinnert, wird der Spieler nur zu oft zu waghalsigen Erkundungstouren verleitet, einfach weil man es kann. Doch sollte niemand wirklich große Geheimnisse oder Belohnungen dafür erwarten. Bis auf gewisse Treffen zweier schleierhafter Personen, die eine nicht uninteressante Nebengeschichte, die einzige wohlgemerkt, zur Haupgeschichte liefern, erwarten eines meistens nur Gems, die es aufzusammeln gilt.
Die ewige Sammlerei
Mario hat Münzen, Sonic hat Ringe, Kat hat Gems. Gems sind sozusagen die Währung in Gravity Rush. Sammelt Kat eine bestimmte Anzahl dieser Gems kann sie zum einen Herausforderungsmissionen freischalten oder ihre Talente verbessern, indem sie z.B. ihre Angriffe stärker macht oder schneller bzw. länger ihre Fähigkeiten verwenden darf. Je fleißiger man jede Ecke in Hekseville sucht, desto größer ist die Belohnung durch Gems. Ebenso ist die Belohnung in den Herausforderungsmissionen eine bestimmte Anzahl von Gems, abhängig davon wie gut man sich schlägt. Es ist auf jeden Fall ratsam, so viele Gems wie möglich zu ergattern, werden die Kosten für ein Upgrade der Fähigkeiten stets teuer. Neben den genannten Gems gibt es auch welche, die Leben wiederherstellen oder die sogenannte „Gravity Gauge“ auffüllen.
Fester Boden unter den Füßen?
Egal, was Kat genau einsetzt. Hat es etwas mit der Veränderung der Schwerkraft zu tun, nimmt die Gravity Gauge ab. Ist die Gravity Gauge einmal leer, sollte man sich vergewissern, zumindest festen Boden darunter zu haben. Obwohl der Fall in die absolute Tiefe nicht wirklich nachhältige Schäden verursacht. Streift man doch zu sehr vom Kurs ab, schickt einem Dusty sofort auf sicheren Boden, aber es beansprucht eine Ladezeit und Ladezeiten können verdammt lang dauern! Steht man auf normalen Boden oder wartet eine Zeit im freien Fall, füllt sich die Leiste nach einer gewissen Dauer wieder auf 100%. Die Benutzungs- sowie Ladezeit der Gravity Gauge ist ebenfalls durch Gems aufwertbar und es ist kein schlechter Tipp, dies so schnell wie möglich zu tun.
Schwerkraft kann auch weh tun!
Der Kampf ist ein weiteres zentrales Element in Gravity Rush. Neben den bereits erwähnten Attacken lernt Kat im Laufe ihres Abenteuer auch Spezialangriffe, die ordentlich viel Schaden verursachen, aber nur einmal für bestimmte Dauer verwendbar sind. Weiters erhält Kat die Fähigkeit des „Stasis Field“, wo sie ein Gravitationsfeld um sich herum erzeugt und eingefangene Gegenstände auf Gegner werfen kann.
Weiters gibt es dann den „Gravity Slide“, eine Fähigkeit, mit der sie auf einer Fläche gleiten kann und daher etwas schneller als zu Fuß ist. Gravity Slide ist jedoch der einzige negative Kritikpunkt in dem sonst sehr spaßigen Gameplay. Die Steuerung mit Sixaxis funktioniert überhaupt nicht. Eine alternative Steuerung mit Analogstick wäre hier echt von Vorteil.
All diese Fähigkeiten sind früher oder später wichtig, wenn es zum Bosskampf kommt. Ab und an muss sich Kat einem riesigen Nevi stellen, die alle auf spezielle Art zu besiegen sind. Ebenso trifft man mit etwas Glück auch auf geheime sehr schwer zu knackende Bossgegner, die neben reichlich Gems als Belohnung auch mit einer Trophy winken.
Home sweet home
Ist man einmal des Kämpfens und der Fliegerei müde, so kann man es sich jederzeit in Kat’s Heim in der Kanalisation von Hekseville gemütlich machen. Dieser Ort ist nicht nur der einzige mit Speicherpunkt, es gibt ebenso eine Möglichkeit zum Wechseln von Kat’s Outfit (Achtung, DLC!) sowie eine Schnellreise Funktion, in der Kat das weit verstreute Kanalisationssystem von Hekseville verwendet.
Hin und weg!
Was das Spiel rettet, ist schlicht und einfach der hohe Spaßfaktor. Noch nie hat Newton’s Gravitationsgesetz so viel Freude bereitet! Allzu oft verliert man sich einfach in den Lüften von Hekseville, wenn man wie verrückt über den Dächern von Ort zu Ort flitzt und nicht unbedingt weil man der Markierung zum nächsten Zielgebiet folgt. Jedes mal, wenn man auf Wänden oder Decken steht, offenbart sich die Stadt aus völlig neuen und ungesehenen Blickwinkeln und man wird nur selten so eines Anblicks müde.
Systemseller?!
Alles in Allem lässt sich sagen, dass Gravity Rush trotz gewisser Schwächen in der Story durchaus Spaß macht. Falls es mal einen zweiten Teil geben sollte, wäre ein stärkerer Fokus auf Story und Charaktere sicher nicht verkehrt. Mit einem ausgefallenen Gameplay, aber zwar originellen und doch recht leblosen Setting, ist es ein bisschen schwer, diesen Titel definitiv als Systemseller abzustempeln. (Anmerkung des Autors: Meiner Meinung nach gebührt dies Wipeout 2048) Dennoch sollte Gravity Rush in keiner Sammlung von Vita Spielen fehlen. Nicht nur weil es aus technischer Sicht gut die Leistung der Vita zeigt, sondern weil es sich hier um eine neue IP handelt, die trotz mancher Mängel das Potential zu einem großartigen Franchise hat.
Story – Nette Story, der es doch an Tiefgang fehlt (6,5/10)
Gameplay – Ausgefallene Ideen, lädt zur Erkundung ein, Newton wäre stolz auf die Entwickler (9/10)
Grafik – Ein Originelles Design sorgt für ein völlig neuartiges Spielerlebnis (8,5/10)
Sound – Schön anzuhörende Musik und eigens fürs Spiel entwickelter Kauderwelsch ;) (7,5/10)
von Para