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Angeschaut! In this Corner of the World

Mit Anime verbindet Otto Normalbürger üblicherweise relativ schrille und überdrehte japanische Zeichentrickfilme. In this Corner of the World schlägt da in eine andere Kerbe als ernster, aber doch leichtherziger Film über die Jahre vor und während dem Zweiten Weltkrieg in der Umgebung von Hiroshima.

Suzu ist ein junges Mädchen, dessen Familie in Hiroshima lebt und das durch eine Heirat in das nahe Dorf Kure zieht. Als ein eher verträumtes und gutgelauntes Mädchen arbeitet sie fleißig im Haushalt ihrer neuen Familie mit, lässt sich allerlei von ihrer etwas rüden Schwägerin gefallen und freundet sich mit deren Tochter an. Dabei wird der japanische Alltag nicht gerade vereinfacht davon, dass immer wieder Lebensmittel rationiert werden, doch sind zumindest die japanischen Kriegsschiffe schön anzusehen, die im Hafen lagern. Zum Glück für Suzu und ihre Familie ist der Krieg ganz weit weg und die Gegend um Hiroshima wird kaum angegriffen. Ihr Leben ändert sich jedoch noch einmal stärker, als die Luftsirenen fast nicht mehr aus dem Heulen herauskommen und man sich fast jeden Tag im Bunker verstecken muss. Das, und ein Schicksalsschlag, zerrt an den Nerven.

Alltagsleben vom ländlichen Japan um 1940

Der Zeichenstil des Anime fällt zuerst auf, da die Charaktere teilweise etwas an Figuren aus Charlie Brown erinnern. Vor allem Suzu, wenn sie verstohlen (oder leicht naiv) lächelt, wirkt etwas wie einer der Charaktere rund um Snoopy. Eher bunte und frische Farben dominieren die Umgebung und auch die Charaktere sind keine tristen, leblos wirkenden Gestalten, sondern lebendige und ausgearbeitete Persönlichkeiten. Da Suzu gerne zeichnet, verwandelt sich die Szene manchmal in ihre Gedanken beziehungsweise Zeichnungen, was eine gelungene Abwechslung ist. Die normalen Zeichnungen müssen sich aber auch nicht verstecken, da das Leben in Kure und Hiroshima gut eingefangen wurde und jeder, der schon einmal in Hiroshima war, wird zumindest den noch nicht zerstörten Atomic Bomb Dome erkennen. Dabei wurde akribisch nachgeforscht, wie das Leben damals war, und man befragte noch lebende Zeitzeugen. Im Endeffekt kam ein sehr gelungenes Bild der alten Zeit dabei heraus, welches von Zeitzeugen gelobt wurde.

Die Haupthandlung spielt jedoch nicht direkt in Hiroshima, sondern in Kure und wir sehen viel vom Haushalt und Alltagsleben der Japaner. Passend ändert sich der Zeichenstil in eher drastischen und schockierenden Szenen, um die Gefühle der Charaktere rüberzubringen. Musikalisch wird das durch ruhige Stücke untermalt, die die Stimmung der Szene gut unterstützen, oder durch ein Overlay von Stimmen, die zum Beispiel das Rotieren der Gedanken eines Charakters um ein Thema darstellen.

Irgendwann kommt dann doch der Krieg.

Durch den Fokus auf das Alltagsleben der Japaner von damals und durch die leichtherzige Art von Suzu versprüht der Film eine lockere Atmosphäre, die ein gutes Gegengewicht zum Kriegssetting des Films ist. Ist zu Anfang des Films noch kaum etwas vom Krieg zu sehen, mit der Ausnahme von Soldaten und Kriegsschiffen, rückt dieser immer näher und dominiert das letzte Drittel des Films, da der Feind mit Luftangriffen in der Nähe anfängt, bis hin zu einem starken Blitz eines Morgens. Dabei wird die Atombombe nicht als „das große Ding, das da passiert ist“ oder als „Fokus der Geschichte“ dargestellt, sondern ganz im Sinne des Geistes des Films, der die Atmosphäre von damals einfangen will: ein kurzer, starker Blitz, ein kurzes Beben und eine Ambosswolke. Die Charaktere erfahren nur, dass der Feind eine neue Bombe eingesetzt hat und dass manche Leute sich nun krank fühlen und seltsame Flecken auf der Haut bekommen. Obwohl der Film also im Großen und Ganzen leichtherzig ist, beinhaltet er doch Szenen, die zu einem Krieg passen, das Leid der Menschen zeigen und wie diese sich dennoch über Wasser halten. Vor allem das Ende ist noch einmal traurig, als (und das kann nun kein Spoiler sein, da jeder weiß, wie der Zweite Weltkrieg für Japan ausging) Japan verliert und all das Leiden umsonst war.

Die deutsche Synchronisation des Films ist sehr gelungen. Die Sprecher vermitteln Emotionen und haben zum Glück keine monotone Sprechweise. Japanische Namen werden korrekt ausgesprochen, was die Authentizität erhöht. Der Blu-ray (und eventuell auch der DVD) liegt ein Informationsheftchen bei, das kurz über die Atombombe berichtet, dann über den ursprünglichen Manga von Fumiyo Kouno und die Autorin selbst und weitere Informationen zur nicht ganz einfachen Filmumsetzung einer so schwierigen Zeit liefert. Außerdem ist für alle Fans des riesigen USK-Logos natürlich ein Wendecover enthalten.