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Angeschaut! Speed Grapher

Wirklich dunkle Anime-Serien mit erwachsenen Charakteren sind heute äußerst rar. Im Jahr 2005 bewarb das Animationsstudio eine neue Serie mit den Worten „ein Märchen für Erwachsene“. Bei dieser Serie handelt es sich um Speed Grapher. Viel Märchenhaftes mag man an der Serie zunächst nicht finden, aber „für Erwachsene“ ist sie definitiv. Die hohe Dichte an Korruption, Gewalt, Erotik und grotesken Darstellungen macht die Serie zweifelsohne ungeeignet für jüngere Zuschauer – und zu einem erinnerungswürdigen Erlebnis.

nipponart hat die Serie nun als Gesamtausgabe für Blu-ray neu veröffentlicht. Was die Serie und die Veröffentlichung euch bieten kann, erfahrt ihr hier.

Über Speed Grapher

speed_grapher_scr_06Speed Grapher spielt in einem Japan der unbestimmten Zukunft. Das Land wird von korrupten Politikern regiert, die ihrer Machtgier und ihrer Lust freien Lauf lassen. Zu diesem Zweck wurde ein geheimer Club erschaffen, dem fast alle wichtigen Personen im Land angehören. Die Angehörigen dieses Clubs tragen auf den Veranstaltungen Masken und lassen ihrer Lust freien Lauf.

Der Protagonist Saiga Tatsumi, ein ehemaliger Kriegsfotograf, kommt diesem Club auf die Schliche. Er wird Zeuge der Orgien, denen auch namhafte Politiker beiwohnen. Als plötzlich ein engelsgleiches Mädchen von der Decke hinabgleitet, das von den Clubmitgliedern als „die Göttin“ bezeichnet wird, kann Saiga sich nicht zurückhalten und schießt ein Foto. Dabei wird er entdeckt, doch ein Kuss des Mädchens verleiht ihm übernatürliche Kräfte und er kann sich retten.

Das Mädchen heißt Kagura und ist in Wirklichkeit die 15-jährige Tochter des Vorsitzenden des mächtigsten Konzerns der Nation. Sie spielt gegen ihren Willen eine ganz besondere Rolle in den Plänen des Clubs, dabei sehnt sie sich vor allen Dingen nach einem: Freiheit. Gemeinsam mit Saiga wagt sie die Flucht. Damit beginnt eine lange und wendungsreiche Verfolgungsjagd.

Regie bei Speed Grapher führte Kunihisa Sugishima, der sich zuvor beispielsweise für Yu-Gi-Oh! Duel Monsters verantwortlich zeichnete. Speed Grapher blieb sein einziger Ausreißer in die Welt der Erwachsenenunterhaltung.

speed_grapher_scr_03Ein äußerst gelungener Ausreißer jedoch, denn wenige Anime-Serien stellen eine korrupte, verdorbene Welt so intensiv dar wie Speed Grapher. Das ist eine der großen Stärken der Serie, jedoch auf Kosten der Tatsache, dass die Antagonisten mit wenigen Ausnahmen einfach nur verrückt, korrupt oder schlichtweg „böse“ sind und keine nachvollziehbaren Motive aufweisen.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind Gewalt- und Sexszenen in Speed Grapher Alltag. Der Sex wird natürlich nie explizit gezeigt, ist auch bewusst eher verstörend als erotisch dargestellt und trägt deshalb eine Menge zum World Building bei. Auch grotesk mutierte Menschen und große Mengen an Blut sind bei Speed Grapher an der Tagesordnung.

Positiv hervorzuheben ist, dass fast jede Folge etwas Wichtiges zur Handlung beiträgt; episodische Nebenhandlungen gibt es fast keine. Die düstere Atmosphäre, die bereits zu Beginn deutlich zu spüren ist, baut sich mit der Zeit immer stärker auf. Die Serie hat einige spannende Höhepunkte, die jedoch nie ihr ganzes Potential erreichen. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Serie, obwohl sie recht actionreich ist, sehr sparsam animiert ist. Kaum eine Action-Szene im Film wirkt wirklich schnell oder dynamisch und generell mangelt es an Bewegung im Bild. Ob nun ein zu geringes Budget oder Zeitdruck das Problem waren: dass gerade eine Serie wie Speed Grapher diesem Missstand zum Opfer fällt, ist bedauerlich. Der Soundtrack sticht nicht hervor, ist aber gerade in emotionalen Szenen durchaus gelungen.

Im Großen und Ganzen ist Speed Grapher durchaus ein lohnenswertes und stellenweise faszinierendes Erlebnis. Die Handlung ist interessant, entwickelt sich gut und wird zufriedenstellend aufgelöst. Die Hauptfiguren sind sympathisch, recht gut ausgearbeitet und wachsen einem nach und nach ans Herz. In der obersten Liga spielt Speed Grapher leider dennoch nie mit, dafür ist die Inszenierung zu mittelmäßig.

Die deutsche Veröffentlichung

speed_grapher_scr_01Zunächst sollte erwähnt werden, dass es in Japan keine remasterte Fassung von Speed Grapher gibt. Es handelt sich bei der Blu-ray-Fassung also nur um hochskaliertes SD-Bildmaterial. Das sieht man auch unweigerlich, denn die Hintergründe sind nicht sonderlich scharf und die Konturen der Charaktere leiden häufig unter Interlacing und Treppchenbildung, selbst auf Abspielgeräten mit entsprechenden Filtern.

Im direkten Vergleich zur DVD-Fassung von OVA Films (die heute ebenfalls durch nipponart vertrieben wird), fällt jedoch auf, dass das Bild der Blu-ray-Fassung merklich heller und die Farben kräftiger sind. Die Figuren und Hintergründe wirken leicht schärfer, kleine Details sind besser auszumachen. Diese Verbesserungen sind jedoch nicht direkt ersichtlich und verbessern das Erlebnis nur unmerklich.

Im Gegensatz zur alten DVD-Fassung hat die Blu-ray-Version jedoch auch zwei Schwächen: Es gibt keine Untertitel von Schildern und Ähnlichem mehr und in Szenen, in denen in der japanischen Fassung Englisch gesprochen wird, sind japanische Untertitel im Bild, die man nicht abschalten kann. Auch dann nicht, wenn man die deutsche Vertonung ohne Untertitel auswählt. Schaut man mit Untertiteln, überdecken sich japanische und deutsche Untertitel in besagten Szenen leider, was das Lesen erschwert. Diese Probleme gab es bei der DVD-Version nicht.

Speed Grapher Foto 1Die deutsche Vertonung ist im Kern gelungen, gehört aber definitiv nicht zu den besten deutschen Anime-Synchronisierungen. Saiga, im Japanischen von Yuuji Takeda vertont, ist im Deutschen sehr gut durch Oliver Mink besetzt worden, der seine Arbeit durchgehend gut erledigt und vom Klang seiner Stimme her auch hervorragend zu Saiga passt. Marieke Oeffinger, die Kagura Tennouzu vertont, klingt etwas weniger mädchenhaft als Kei Saitou, deren Debüt diese Rolle war, spricht ihre Rolle aber prinzipiell gut. Kei Saitou hat eine sehr hohe Stimme, weshalb ein starker klanglicher Unterschied zwischen den beiden Sprachfassungen besteht. Ich persönlich finde beide Besetzungen nicht optimal, aber von einer Fehlbesetzung kann keine Rede sein.

Die meisten erwachsenen Charaktere sind größtenteils gut vertont. Saigas Ex-Freundin Ginza, im Deutschen von Veronika A. Neugebauer vertont, passt allerdings nicht immer ganz zur Figur. Wirklich hervorstechende Sprecher gibt es kaum (höchstens in Nebenrollen). Gar nicht gelungen ist die Vertonung von Kindern und jüngeren Figuren, meistens klingen die Stimmen unpassend und die gesprochenen Zeilen künstlich. Zum Glück nehmen junge Figuren nur eine Nebenrolle in der Serie ein.

Ein weiteres Manko ist die inkonsistente Aussprache japanischer Namen. Besonders die Namen „Saiga“ und „Suitengu“ werden von Sprecher zu Sprecher anders ausgesprochen, was das Gesamtbild etwas trübt. Insgesamt ist Speed Grapher aber trotzdem eine Serie, die man auch auf Deutsch gucken kann. Die Vertonung ist weder ein Meisterwerk noch eine Katastrophe.

Speed Grapher Foto 2Als Extras befindet sich auf den Discs neben textlosen Openings und Endings ein sogenanntes „Casting-Special“ mit einer Gesamtlaufzeit von über zwei Stunden. Dieses Special folgt Kaguras Sprecherin Kei Saitou, deren Debüt Speed Grapher war. Interessant werden die Videos dadurch, dass es sich im Grunde genommen um eine kleine Dokumentation über den Arbeitsalltag einer japanischen Seiyuu handelt, die sehr deutlich zeigt, dass die eigentliche Sprecharbeit nur einen Teil der Arbeit darstellt und Seiyuus zugleich auch Models sind, in Radiosendungen mitsprechen, in die Öffentlichkeitsarbeit eingebunden sind und an zahllosen Events teilnehmen. Sehr spannende Einblicke!

Wie die meisten der anderen Re-Releases von nipponart kommt auch Speed Grapher mit einem schicken Nova-Slipcase – einem Pappschuber mit Hochglanzoptik – daher. Die Pappe ist, wie auch bei Last Exile, Ghost in the Shell und den meisten anderen nipponart-Veröffentlichungen, dünner als der stabile Schuber von Eureka Seven. Als Extras liegen drei dünne Postkarten mit Motiven aus der Serie und ein Booklet bei. Das Booklet umfasst nur wenige Seiten, die Charakterbeschreibungen enthalten und somit nur einen kleinen Mehrwert bieten.

Das Design des Schubers und des Digipacks (vgl. Foto) verdienen erneut großes Lob. Die Aufmachung macht einiges her, was besonders Sammler erfreuen dürfte.

Fazit

Speed Grapher ist eine durchaus gut inszenierte Serie, die das Setting einer verdorbenen Welt intensiver nutzt als die meisten anderen Animes. Die Serie ist kein Pflichttitel, aber wer etwas für dunkle Geschichten übrig hat, wird an Speed Grapher durchaus seine Freude haben. Die deutsche Veröffentlichung sei primär denen empfohlen, die die DVD-Version noch nicht besitzen, denn einen großen Mehrwert bietet die Blu-ray-Fassung bestenfalls durch die schöne Verpackung.

Technische Daten & Extras

  • Laufzeit: 600 Minuten
  • Bild: 1080i High Definition , Bildformat 16:9
  • Audio: Japanisch (DTS-HD Master Audio 5.1), Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1)
  • Untertitel: Deutsch (weiße Schrift, schwarzer Rand)
  • Bonusmaterial: Openings, ausführliches Casting-Special
  • Extras: drei Postkarten, Booklet
  • Altersfreigabe: ab 16