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Im Test! Ame no Marginal -Rain Marginal-

Ame no Marginal -Rain Marginal- ist eine sehr kurze Visual Novel von Stage-nana und Tomo Kataoka, dem Autoren von Narcissu, die sich der Unterart „Kinetic Novel“ zuordnen lässt und von Sekai Project auf Englisch veröffentlicht wurde. Als Kinetic Novels werden Visual Novels beschrieben, die keinerlei Gameplay und keine Pfade oder Entscheidungsmöglichkeiten haben. Der Leser wird also wie bei einem Buch nicht involviert.

Ich persönlich mag Kinetic Novels gern, weil ich am liebsten in einem einzigen Durchgang „alles“ erleben möchte. Das, und die Tatsache, dass Ame no Mariginal nur etwa drei Stunden lang ist, macht die Visual Novel zur perfekten Lektüre für einen oder ein paar Abende.

Ame no Marginal Screenshot 01Die Geschichte von Ame no Mariginal dreht sich um einen namenlosen Protagonisten, der des Lebens überdrüssig ist. Er ist nicht verzweifelt genug, um Selbstmord zu begehen, aber es beruhigt ihn, zu wissen, dass er es theoretisch immer tun könnte. Eines Tages tritt er wie gewohnt in den Fahrstuhl seiner Firma und entdeckt einen Knopf, den es vorher nicht gab.

Als er diesen betätigt, landet er in einer anderen Welt. Eine Welt, in der es immer regnet, in der alles gleich aussieht und in der nur eine Person lebt: ein fröhliches junges Mädchen namens Rin, das zugleich die zweite Hauptfigur der Geschichte ist.

Nach und nach erfährt der Protagonist mehr über die Regenwelt, doch seine Zeit ist begrenzt, denn er kann dort nur wenige Tage verweilen. In dieser Zeit kommen sich die beiden ein wenig näher. In der Nacht wird Rin jedoch zu einer ganz anderen Person: Ihre kindische Persönlichkeit vom Tag macht einer überaus kalten Platz, die den Protagonisten dazu drängt, wieder in seine Welt zurückzukehren.

Gegliedert ist die Geschichte in insgesamt elf Abschnitte von etwa 15-25 Minuten. Nach dem Prolog unterteilt sich die Handlung in die aktuellen Geschehnisse und in die Vergangenheit von Rin – insgesamt jeweils vier Kapitel. In den Rin-Kapiteln erfährt man, wie sie überhaupt in diese Welt gekommen ist, wie die Welt funktioniert und was sie vorher gemacht hat. Diese Kapitel sind zudem auch hilfreich, um ihr Verhalten in der Gegenwart zu verstehen. Da man jedoch immer abwechselnd ein Protagonisten- und ein Rin-Kapitel liest, kann man sich nicht zu viel vorweg nehmen. Am Ende verschmelzen die beiden Handlungsstränge dann wieder zu einem.

Ame no Marginal Screenshot 02Die Stimmung des Spiels ist insgesamt sehr trüb; es regnet permanent und viel Verzweiflung prägt die Handlung. Umso stärker kommt der Kontrast der fröhlichen Rin des Tages in dieser Welt zur Geltung.

Ame no Marginal arbeitet nicht allzu viel mit Charaktergrafiken, nur gelegentlich werden sie in Szenen verwendet. Die meiste Zeit sieht der Spieler wie in Narcissu nur die Hintergründe und liest den Text. Die Musik ist unaufdringlich, aber sehr stimmungsprägend. Schön ist dabei, dass das Spiel nicht übermäßig versucht, die Emotionen des Lesers zu manipulieren, sondern die Gesamtstimmung auf ihn wirken lässt.

Die englische Übersetzung ist leider nicht so gut gelungen. Das fällt vermutlich verstärkt denjenigen auf, die die englische Sprache gut beherrschen, andere merken es vielleicht gar nicht. Die Übersetzung orientiert sich aber häufig sehr stark an den japanischen Satzstrukturen und Ausdrucksweisen, sodass viele Stellen nicht ganz natürlich klingen. Wer ein bisschen Japanisch kann, wird erkennen, dass oft einfach zu direkt übersetzt wurde und eine Sprache verwendet wird, die in Wirklichkeit niemand so anwenden würde.

Die Handlung selbst ist schön erzählt und man fühlt durchaus mit den Charakteren mit. Die trübe Stimmung entfaltet nach und nach ihre Wirkung und man ist interessiert, wie die Geschichte ausgeht. Bisweilen gibt es jedoch Momente, die ein bisschen schwer nachzuvollziehen sind, besonders die, in denen es um eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten oder Jahrhunderten geht – konkreter will ich hier nicht werden, denn ich will niemandem die Handlung vorwegnehmen.

Ame no Marginal Screenshot 03Insgesamt handelt es sich aber um einen schönen Ausflug in eine fantasievolle andere Welt, die ich besonders denen nahelegen will, die eine durchgehend ernste und stimmungsmäßig sehr konsistente Visual Novel lesen wollen.

Der Preis ist für drei Stunde Lesezeit allerdings recht hoch: 12,99€ kostet das „Spiel“ auf Steam aktuell. Wer Narcissu noch nicht kennt, sollte zuerst damit anfangen, denn diese Visual Novel vom gleichen Autor ist kostenlos, und für aktuell 4,99€ (Normalpreis: 9,99€) bekommt man auch planetarian. Wer die beiden bereits kennt und eine vergleichbare Visual Novel sucht, kann aber durchaus zu Ame no Marginal greifen.

Ein Hinweis zum Schluss: Ame no Marginal entstand parallel zur Light Novel Mizu no Marginal. Die beiden Geschichten hängen zusammen, und Mizu no Marginal gibt es nur auf Japanisch. Man kann Ame no Marginal jedoch auch problemlos ohne Mizu no Marginal lesen, weil die Geschichte in sich abgeschlossen wirkt.