Im Mai veröffentlichte Nintendo – völlig entgegen des mittlerweile gängigen Klischees – mit Codename S.T.E.A.M. und Splatoon gleich zwei neue IPs. Vor allem Splatoon wurde vor der Veröffentlichung verhältnismäßig stark von Nintendo beworben und erste Zahlen lassen vermuten, dass es sich gelohnt hat. Doch kann der Titel auch spielerisch überzeugen? Hat man es bei Nintendo geschafft, einen spaßigen Online-Shooter zu schaffen, der es mit Titeln wie Mario Kart oder Super Smash Bros. aufnehmen kann? Antworten auf diese und weitere Fragen lest ihr in unserem Test!
An der eigenen Coolness arbeiten
Nachdem ihr das kurze Tutorial abgeschlossen und euren Inkling entworfen habt, findet ihr euch in Inkpolis, dem Hotspot für alle coolen Inklings, wieder. Der Platz mit seinen hippen Shops und dem Battleturm ist an den Tokioter Stadtteil Shibuya angelehnt und bildet den Ausgangspunkt für sämtliche Modi im Spiel. Auch wenn Inkpolis nicht besonders groß ist, versprühen die Shops, der Spielautomat und die stylischen Charaktere ordentlich Charme. Durch das täglich wechselnde Angebot innerhalb der Bekleidungsshops, aber auch durch die Tatsache, dass die meisten Charaktere auf dem Platz keine leblosen NPCs, sondern die Avatare anderer Spieler sind, wirkt Inkpolis allerdings auch sehr lebendig. Durch ein Anklicken eines solchen Avatars kann man sich Mode-Inspirationen holen (und diese auch direkt bestellen) oder einfach persönliche Miiverse-Einträge bestaunen. Die Idee einer urbanen und lebendigen Home-Basis wurde optimal umgesetzt.
„Die Home-Basis ist lebendig und urban“
Doch nach der unmittelbaren Ankunft bleiben euch zunächst einmal die meisten Türen verschlossen. Die Ladeninhaber wollen euch nicht bedienen, weil ihr noch zu uncool seid. Bevor ihr euch zwischen zahlreichen Hüten, Oberteilen und Schuhen, aber auch zwischen den verschiedenen Waffen entscheiden könnt, müsst ihr an eurer Coolness arbeiten. Hierfür sucht ihr, lediglich mit einem Junior-Kleckser ausgestattet, den Battleturm auf und bestreitet eure ersten Revierkämpfe. Gleichzeitig werdet ihr damit auch mit dem Herzstück von Splatoon, nämlich dem 4-gegen-4-Online-Mehrpsieler, konfrontiert, doch dazu später mehr.
Netter Zusatz: Die Einzelspieler-Kampagne
Auch wenn Splatoon überwiegend mit seinen Mehrspielerschlachten beworben wurde, bietet der Titel jedoch auch eine Einzelspielerkampagne, die relativ unabhängig von den Ereignissen in Inkpolis ist. Ihr erreicht die Kampagne über einen Gullydeckel in Inkpolis, in der sich der schräge Käpt’n Kuttelfisch versteckt. Wahlweise kann man sich übrigens auch über das GamePad durch Inkpolis navigieren. Habt ihr die Kanalisation durchquert, erreicht ihr eine völlig eigenständige, leider jedoch auch sehr triste Spielwelt. Hier spielt sich der „Storymodus“ von Splatoon ab.
Wie die Anführungszeichen schon erahnen lassen, kann man hier jedoch nicht wirklich von einer Story sprechen. Der Raub des Elektrowelses, der wichtigsten Energiequelle Inkpolis‘, wird zum Anlass genommen, um das schwierige Verhältnis zwischen den Inklings und den Oktarianern zu erklären – wobei selbst das noch zu vielversprechend klingt. Abgesehen von einer kurzen Einführung durch Kuttelfisch und Kleinstfetzen aus Schriftrollen, die man zuvor erst finden muss, erfährt man in der fünf- bis sechsstündigen Kampagne eigentlich kaum etwas.
Die Level selbst sind auf fünf Inseln verteilt und müssen erst unter Gerüsten und Geröll entdeckt werden, was teilweise zeitaufwändiger ist, als das eigentliche Beenden der Level. Spielerisch erinnerten uns die Level durch ihre vielen Warp-Felder und die Jump’n‘Run-Einlagen etwas an Super Mario Galaxy und auch die Bosskämpfe sind sehr klassisch gestaltet. Während die normalen Level durchaus interessant konstruiert sind, fanden wir die Bosskämpfe nur wenig kreativ.
Insgesamt kann man sagen, dass die Kampagne als Zusatz zum Mehrspielermodus ganz nett ist und durchaus ihren Sinn hat. Sie wirkt wie ein großes Tutorial, das dem Spieler die grundlegenden Mechaniken beibringt und durch die Schriftrollen noch etwas Hintergrundinformationen zur Welt von Splatoon liefert. Vor allem die Kämpfe gegen die Oktolinge, Gegner, die selbst ihre Gestalt ändern können, bereiten unmittelbar auf die Mehrspielerschlachten vor. Zusätzlich dazu erhält man allerdings auch noch Gegenstände, die in Inkpolis und den Revierkämpfen genutzt werden können.
Jeder Quadratzentimeter zählt!
Doch kommen wir endlich zur Hauptattraktion von Splatoon, nämlich die bereits vielfach erwähnten Revierkämpfe. Diese erreicht ihr über den Turm in Inkpolis, wo ihr sie wahlweise mit den Freunden auf eurer Freundesliste oder aber mit Mitspielern auf der ganzen Welt spielen könnt. Während ihr darauf wartet, dass sich acht Spieler eingefunden haben, könnt ihr euch die Zeit mit einem eigens für Splatoon entwickelten Arcade-Spiel auf dem GamePad vertreiben. Sobald die übrigen sieben Verbündeten beziehungsweise Kontrahenten vorhanden sind, beginnt die dreiminütige Farbschlacht. Das Ziel ist es, möglichst viel der Kartenfläche in der eigenen Farbe einzufärben. Die Farbe und damit übrigens auch die Haarfarbe eures Inklings variiert von Schlacht zu Schlacht.
Unterschieden wird grundsätzlich zwischen drei Waffentypen, nämlich Allroundern wie dem Kleckser, Präzisionswaffen à la Kleckskonzentrator oder aber flächendeckende Waffen wie dem Klecksroller. Zusätzlich dazu besitzen alle Waffen die drei Attribute Feuerkraft, Feuerrate und Reichweite. Generell kann man sagen, dass alle Waffen in etwa gleich stark sind, wobei Übung auch hier den Meister macht. Der Kleckskonzentrator kann beispielsweise von höheren Stellen präzise Schüsse auf gegnerische Mitspieler abfeuern, während der Klecksroller in kürzester Zeit große Flächen einfärben kann, dafür aber an den Nahkampf gebunden ist.
Alle anderen Waffen, die ihr durch Levelaufstieg im späteren Verlauf des Spieles freischaltet, lassen sich einer dieser Waffengattungen zuordnen, variieren allerdings in ihren Werten. Jede dieser Hauptwaffen wird außerdem mit einer Sekundär- und Spezialwaffe verkauft. Bei den Sekundärwaffen handelt es sich meist um eine Art von Tintenbombe oder -sprenkler. Sie können wie normale Schüsse zu jedem Zeitpunkt eingesetzt werden, vorausgesetzt ihr habt genügend Tinte im Tank.
Sollte dieser mal leer sein, solltet ihr für eine Weile in die Tintenfischform wechseln und untertauchen. Die Spezialwaffen werden erst aktiviert, wenn ihr durchs Tintenspritzen eine entsprechende Leiste gefüllt habt. Das Angebot an Subwaffen ist bunt, denn vom einfachen Schutzschild bis hin zum bildschirmfüllenden Tintentornado ist alles vorhanden. Was alle Subwaffen aber verbindet, ist eine zeitliche Beschränkung.
Einige der Spezialwaffen benutzen auch das GamePad, das während der gesamten drei Minuten eine Übersicht zum aktuellen Farbverhältnis liefert. Die Nutzung des GamePads ist auch im Revierkampf durchaus sinnvoll gestaltet worden, gibt es doch auf dem TV-Bildschirm keine separate Karte der Ereignisse. Dennoch muss man sagen, dass das Geschehen eigentlich viel zu hektisch ist, um die Karte während des Umherstreifens ausführlich zu studieren. Spätestens wenn man dem Gegner unglücklich vor die Flinte läuft und so wieder an der eigenen Basis landet, lässt sich allerdings ein Blick erhaschen.
Nach drei Minuten wird das Ergebnis auf den Prozent genau ausgewertet, woraufhin es immer einen Gewinner gibt. Je besser man abschneidet, desto mehr Erfahrungspunkte und Geld gewinnt man. Dieses kann dann wiederum in neue Waffen und Klamotten investiert werden. Letztere besitzen übrigens hilfreiche Effekte, die euch beispielsweise schneller schwimmen lassen oder euch ein Angriffsplus bescheren. Es lohnt sich allerdings auch, einen eigenen Stil zu entwickeln und seiner Linie treu zu bleiben, denn durch einige absolvierte Revierkämpfe lassen sich zusätzliche Effekte für eure Kleidungsstücke freischalten.
„Bis zur letzten Sekunde ist alles möglich“
Die Revierkämpfe stellen die Königsdisziplin von Splatoon dar und diese meistert der Titel ordentlich. Zwar kam es während des Spielens immer wieder zu Verbindungsproblemen, die ein Online-Match sofort beenden, dennoch gab es jederzeit genügend Mitspieler, um kurz darauf schon in die nächste Runde zu starten. Darüber hinaus setzt Splatoon aber ganz auf die Stärken von Titeln wie Super Smash Bros. und Mario Kart, nämlich intuitiven und kurzweiligen Mehrspieler-Spaß, bei dem bis zur letzten Sekunde alles möglich ist.
Weitere Modi: Luftballonjagd und Tower-Defense-Einlagen
Doch Splatoon bietet nicht nur die Einzelspieler-Kampagne, die auch als Helden-Modus bezeichnet wird, für Offline-Spielrunden, sondern auch das Duell-Dojo für zwei Spieler. Anders als im Revierkampf, wo es um eine größtmögliche Fläche in der eigenen Farbe geht, sind Luftballons hier das Ziel der Tintenflecke. Gesteuert wird zum einen mit dem GamePad und dessen eingebauten Bildschirm und zum anderen über den TV-Bildschirm und alle Arten des Classic-Controllers. Auch wenn das Ziel im Duell-Dojo ein anderes sein mag, ändert das nichts an den Kampfhandlungen.
Hat man den Gegner erstmal besiegt, muss dieser wieder von seiner Basis starten und man selbst hat etwas Zeit, um sich weitere Luftballons zu krallen. Das Einfärben des Bodens lohnt sich hier insofern, dass man sich in der Tintenfisch-Form natürlich dennoch schneller bewegen kann. Eine Besonderheit in diesem Modus ist die Tatsache, dass ihr hier die Karte selbst aussuchen dürft, auf der ihr spielen möchtet. Auf diese Art und Weise könnt ihr euch offline mit den verschiedenen Gebieten vertraut machen, um später im Revierkampf zu glänzen.
Möglicherweise noch eine Stufe rasanter als der Revierkampf ist der zweite Online-Modus, der Namen Rangkampf trägt.Der wird aus gutem Grund erst ab Level 10 freigeschaltet, sollte man dafür doch schon eine gewisse Erfahrung mitbringen. Auf den bekannten Karten der Revierkämpfe wird dann ein Gebiet in der Mitte der Karte markiert, um das die beiden Teams kämpfen. Das Team, das es zuerst schafft, dieses markierte Gebiet eine bestimmte Zeit lang unter Kontrolle (sprich unter Farbe) zu halten, gewinnt. Doch wie ihr euch vorstellen könnt, entbrennt ein intensiver Kampf um das wenige Quadratmeter große Teilstück der Karte. In diesem Modus könnt ihr nur mit Unbekannten spielen. Das mag schade sein, ist aber für derartige Modi in Online-Shootern durchaus nicht unüblich.
Alltag und Angebote in Inkpolis
Wie bereits erwähnt, ist die Heimat der Inklings sehr lebendig. Das Angebot in den Läden ändert sich mit jedem Tag und auf dem Platz trifft man zahlreiche Spieler aus allen möglichen Ländern. Zusätzlich ändern sich aber auch regelmäßig die spielbaren Karten, sowohl für die Revierkämpfe, als auch für die Rangkämpfe. Für beide Modi stehen für mehrere Stunden jeweils zwei Karten zur Verfügung, die zu jedem Spielstart bekannt gegeben werden. Auf welcher Karte man letztendlich spielt, ist genauso Zufall wie die eigenen Teamkameraden. Hier kann man durchaus einen Kritikpunkt finden, denn nach einigen Runden auf den immer gleichen Karten wünscht man sich durchaus auch mal einen Tapetenwechsel.
„Nach einigen Runden wünscht man sich einen Tapetenwechsel“
Vielleicht ist dies ein guter Zeitpunkt, um auf den Umfang von Splatoon zu sprechen zu kommen. Neben dem Storymodus und den süchtigmachenden Mehrspielermodi bietet Splatoon derzeit sechs Karten. Zudem versorgt der Waffenshop den Spieler bis Level 20 mit Waffen-Neuheiten. Zusätzlich dazu bietet der Titel Besitzern der Splatoon-amiibo-Serie zusätzliche Missionen, mit denen sich exklusive Kostüme freischalten lassen. Das ist der derzeitige Ist-Zustand und das kann sich – wie wir finden – für 40 Euro sehen lassen. Jedoch hat Nintendo schon kurz nach Veröffentlichung gezeigt, dass man den Titel auch in der Zukunft weiterhin unterstützen wird, sprich: neue Inhalte nachliefert – und das kostenlos. So gab es beispielsweise wenige Tage nach Release bereits zwei neue Waffen und eine neue Karte.
Am 27. Juni wird außerdem das erste europäische Splatfest stattfinden, ein Event, bei dem sich Spieler zunächst für eine von zwei Seiten entscheiden müssen und diese dann gegeneinander antreten. Als Belohnung erhalten die Teilnehmer dann beispielsweise ein besonderes Kleidungsstück. Im August soll ein weiteres großes Update folgen.
Fazit
Nintendo hat mit Splatoon eindrucksvoll bewiesen, dass einem die Ideen noch lange nicht ausgegangen sind. Obwohl Genre-fremd, liefert der Entwickler und Konsolenhersteller hier einen suchterregenden Mehrspieler-Titel ab, der sich vor Titeln wie Super Smash. Bros und Mario Kart nicht verstecken braucht und zu einem der Referenztitel für Nintendo Wii U wird. Die lebendige Home-Basis, das eingängige Gameplay und die anhaltende Unterstützung durch Nintendo sorgen dafür, dass man das GamePad so schnell nicht aus den Händen legt. Der Story-Modus ist kaum der Rede wert, aber ein netter Zusatz zu den Mehrspieler-Modi des Titels. Die wenige Anzahl der vorausgewählten Karten fallen bei längerem Spielen allerdings negativ aus.
Story: Die Oktarianer stehlen die Energiequelle von Inkpolis und der Spieler muss diese zurückgewinnen. Story-Fetzen vermitteln lose einen Eindruck vom Verhältnis zwischen Oktarianer und Inkling. Mehr Zusatz als komplexe Kampagne
Gameplay: Neben Kampagne vor allem dreiminütige 4-gege-4-Onlinemehrspieler-Schlachten. Das Team, welches die größere Kartenfläche färbt, gewinnt die Runde. Zur Verfügung stehen (derzeit) drei Waffengattungen und sechs Karten. Steuerung intuitiv, Gameplay einsteigerfreundlich
Grafik: Bunte Farbschlacht auf schön gestalteten Karten. Optisch sehr sauber. Besonders gut kommen einmal mehr die Lichteffekte zur Geltung, hier vor allem in den Farbpfützen
Sound: Fetzige Melodien innerhalb der Schlachten und coole Beats im urbanen Inkpolis. NPCs besitzen vertone Fantasie-Sprache ähnlich wie in Animal Crossing
Sonstiges: Anhaltender Support durch Nintendo, in Form von neuen Karten, neuen Waffen oder später auch neue Modi. Erstes Splatfest am 27. Juni. Tolle Integration des Miiverse. Amiibo-Support.