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Im Test! Life is Strange – Episode 2: Out of Time

Seit dem 26. März ist Episode 2 „Out of Time“ zu Life is Strange erhältlich. Das Episodenspiel vom französischen Entwickler Dontnod und Publisher Square Enix hat mit Episode 1 viele Spieler überrascht und begeistert, andere gelangweilt. Mal sehen, ob wir euch beide Seiten aufzeigen können. Alhym konnte sich von Episode 1 nicht so recht mitreißen lassen. Heute bin ich – Tony – an der Reihe!

Life is Strange ist über weite Strecken unaufgeregt. Es erzählt abwechselnd eine mystische Geschichte und den Alltag an einer Universität, der mit Belanglosigkeiten und Tabuthemen gespickt ist. Es erzählt allerdings keine Geschichte über Superhelden und Muskelpakete, sondern über die vermeintliche Außenseiterin Max und ihr Leben in einer US-Kleinstadt. Es ist spielerisch anspruchslos und voller Klischees, sagen die einen. Andere schwören auf eine tolle Atmosphäre mit einem ausgezeichnet abgestimmten Soundtrack, interessanten Charakteren und ein Gameplay, das gänzlich ohne Gewalt auskommt.

Victoria schikaniert Kate.
Victoria schikaniert Kate.

Episode 2 „Out of Time“ beginnt damit, dass wir – natürlich weiterhin in der Rolle von Max – in unserem Zimmer im Wohnheim aufwachen. Der Tag beginnt offensichtlich gemächlich. Aber schon im Badezimmer werden wir eine Entscheidung treffen, die den Ausgang dieser Episode wesentlich mit beeinflusst. Life of Strange wird uns auch in Episode 2 immer wieder vor Entscheidungen stellen. Manche sind wenig folgenreich. Andere Entscheidungen wiederum verlangen Bedenkzeit. Und dann treffen wir auch Entscheidungen, von denen wir noch gar nicht erahnen, was für Auswirkungen sie haben…

„Es ist nie ersichtlich, welche Entscheidung die richtige ist. Daran ändert auch das Zurückdrehen der Zeit nichts.“

Dass Max in allen Fällen durch ihre Kraft, die Zeit zu manipulieren, Entscheidungen rückgängig machen kann, um sie zu ändern, schmälert das Erlebnis dabei keineswegs. Es ist nie ersichtlich, welche Entscheidung die richtige ist. Daran ändert auch das Zurückdrehen der Zeit nichts. Das Feature macht euch die Entscheidung eher schwerer, als leichter. Habt ihr dem Schulleiter in Episode 1 erzählt, was auf Toilette passiert ist? Was glaubt ihr, wie wichtig das war? Was glaubt ihr, was die richtige Entscheidung war? Gab es eine richtige Entscheidung überhaupt? Habt ihr die Zeit zurückgedreht, um diese Entscheidung zu ändern? Hat euch das geholfen, sie zu treffen? Wahrscheinlich nicht. Ihr habt – wie so oft im Leben – auf euer Gefühl gehört. Ihr habt die Entscheidung gewählt, von der ihr gemessen an euren persönlichen moralischen und gesellschaftlichen Maßstäben zu dieser Zeit glaubt, dass sie richtig ist. Und wie war das, als Kate in Episode 1 mit dem Security-Chef aneinandergeraten ist? Das sind Entscheidungen, die in Episode 2 Auswirkungen haben werden. Ihr dürft gespannt sein.

Max und Chloe hängen ab.
Max und Chloe hängen ab.

Neben diesen Entscheidungen, die mal mehr und mal weniger Einfluss auf Geschichte und Charaktere haben, trefft ihr Entscheidungen ansonsten auch bei kleinen Rätseln, die für den Fortschritt der Geschichte gelöst werden müssen. Das hat sich auch in Episode 2 nicht geändert. Auch hier kommt Max‘ Fähigkeit der Zeitmanipulation zum Tragen. Zum Beispiel, als ihr eurer alten Freundin Chloe beweisen wollt, dass ihr diese Fähigkeit beherrscht. Die Rätsel beanspruchen durchaus ein wenig Hirnschmalz.

Ansonsten verbringt ihr die meiste Zeit mit Interaktionen. Sowohl mit anderen Charakteren, als auch mit der Spielwelt. Es gibt unglaublich viel zu lernen über Arcadia Bay und seine Bewohner sowie die Universität Blackwell und ihre Studenten. Wer sich darauf einlassen kann, dem wird es leichter fallen, sich vom Charme der Umgebungen mitreißen zu lassen. Wer nicht, der verpasst nicht nur viele kleine Details, sondern mitunter auch für den Spielverlauf wichtige Informationen, die zunächst nebensächlich erscheinen.

Max ist nachdenklich - wie so oft.
Max ist nachdenklich – wie so oft.

Episode 2 „Out of Time“ nimmt erzählerisch nur relativ langsam Fahrt auf, doch gipfelt sie in einem schockierenden Höhepunkt, zu dem man Dontnod nur gratulieren kann. Ohne zu viel zu verraten kann man wohl sagen: Die Franzosen trauen sich was. In vielerlei Hinsicht, aber besonders was Themen angeht, die in Videospielen eher selten eine Rolle spielen. Zusätzlich dramatisiert wird das Finale von Episode 2 dadurch, dass ihr euch im entscheidenden Moment nicht auf eure Kraft verlassen könnt. Grandios! Die Entscheidungen, die ihr nun trefft… sie werden Folgen haben.

Es ist schwer, euch Life is Strange ans Herz zu legen, ohne Momente aus dem Spiel vorwegzunehmen, die es ausmachen. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass euch Episode 2 gefallen wird, wenn ihr Episode 1 mochtet. Dontnod lässt auch diejenigen nicht im Stich, die wissen wollten, ob ihre Entscheidungen wirklich Konsequenzen haben. Es dauert ein Weilchen, aber ihr solltet euch vom ruhigen Start der Episode 2 keinesfalls irritieren lassen.

„Ich liebe Dontnod jedenfalls für den Mut, den sie aufbringen und Square Enix dafür, dem Entwickler eine Bühne zu geben.“

Ich liebe Dontnod jedenfalls für den Mut, den sie aufbringen und Square Enix dafür, dem Entwickler eine Bühne zu geben. Life is Strange ist genau das, was Dontnod entwickeln wollte. Das spürt man und das ließen die Entwickler kürzlich in einem Videotagebuch auch wissen: Sie zeigten Life of Strange einigen Publishern, doch nur Square Enix akzeptierte das Konzept unverändert. Andere wollten aus der Außenseiterin Max lieber einen Mann machen oder Quick-Time-Events einbauen, wie Dontnod erklärte.

Wir treffen auf neue Charaktere.
Wir treffen auf neue Charaktere.

Ich liebe Dontnod auch für Momente im Spiel, in denen gar nichts passiert. Man kann sich auch in Episode 2 mit Max an einen Baumstumpf oder auf einen Stuhl setzen, wohlwissend, dass das völlig irrelevant für den Fortgang des Spiels ist – oder sie gar auf dem Sofa Gitarre spielen lassen. Die Kamera wechselt dann in verschiedene Ansichten, während Max über Erlebtes sinniert – oder auch schweigt. Das führt zu nichts, außer, dass ich die Spielwelt intensiver wahrnehme. Aber ist das nichts?

Arcadia Bay und Max konnten mich jedenfalls auch in Episode 2 begeistern und neugierig machen. Probleme wie die Lippensynchronität wurden in der Kürze der Zeit nicht behoben, das kann Dontnod wohl auch für die gesamte Staffel nicht in Aussicht stellen, wie es heißt. Doch darüber kann ich hinwegsehen, genauso wie teils über arg klischeebehaftete Nebencharaktere. Neben den Alltagsproblemen reißt mich auch die Spielwelt und der atmosphärische Soundtrack mit. Und dann ist da noch der mystische Teil der Geschichte, den Dontnod sehr sorgfältig dosiert füttert. Max‘ Visionen, ihre seltsame Kraft – und Rachel Amber…