Rundenbasiertes RPG eines westlichen Publishers/Entwicklers? Da darf man zweifeln. Muss man aber bei Child of Light keineswegs. Wenige Minuten im Spiel kann man die Zweifel direkt über Bord werfen und wird feststellen, dass sich auch mal ein westlicher Entwickler der Elemente japanischer Rollenspiele bedienen darf, um daraus etwas sehr Bezauberndes entstehen zu lassen.
Sonne, Mond und Sterne

Willkommen in Austria des Jahres 1895. Ihr seid Aurora, ein kleines rothaariges Mädchen, deren Vater Herzog des Landes ist. Eine schwere Krankheit hat euch allerdings in Tiefschlaf versetzt, und so erwacht ihr zu Beginn des Spiels im verträumten und wunderschönen Lemuria.

Früh erfahrt ihr allerdings, dass dem Land Sonne, Mond und Sterne von einer dunklen Hexe gestohlen wurden. Um wieder zu eurem Vater zurückzukehren, macht ihr euch zusammen mit eurem leuchtenden Helfer Igniculus auf die Suche nach den drei Schätzen.
Die Story wird dabei ausschließlich in Reimform erzählt und toll synchronisiert eingeleitet. Leider sind diese wenigen und kurzen Erzählpassagen aber die einzigen vertonten, und so muss man sich hin und wieder durch verschachtelt gereimte Dialoge lesen.
Das macht am Anfang auch Spaß, da die Dialoge mit viel Witz erzählt werden, – auch die Übersetzung ist auf einem sehr hohen Niveau – aber dauerhaft alles selbst lesen müssen, wird leider trotzdem anstrengend. Das ist etwas schade, dennoch erlebt man alles wie aus einem tollen Kinderbuch erzählt, zu dem auch die wunderschöne Aquarell-Optik perfekt passt.
Ein Hauch von Amano
Als Child of Light der Öffentlichkeit erstmals von Creative Art Director Patrick Plourde präsentiert wurde, verglich er den visuellen Stil mit Werken von Studio Ghibli und Yoshitaka Amano, die als Inspiration dienten. Letzterer ist japanischen Rollenspielfans sicher am besten durch seine Final-Fantasy-Illustrationen bekannt.
Hinter solch großen Namen muss sich das Spiel aber gar nicht verstecken. Jede Ecke sieht toll aus und ist liebevoll gestaltet. Wenn man von Gegnern eins auf die Mütze bekommt und Auroras kleine Krone mit einem klirren zu Boden fällt und sie sich diese wieder mit finsterer Miene aufsetzt, und danach angestrengt zum Gegenschlag das viel zu schwere Schwert hebt, spürt man diese Liebe zum Detail.

Auch die Hintergründe leben und hier und da verstecken sich kleine Lebewesen, die zwar nur zur Zierde existieren, aber die Welt mit Leben füllen. An einer Stelle sieht man dann sogar einen mächtigen Riesen in weiter Ferne durch den Hintergrund stapfen und Vögel suchen um ihn herum das Weite, und dann weiß man: Man befindet sich in einer tollen Fantasywelt. Da ist es auch nicht schlimm, dass der Einstieg für Genre-Veteranen sicherlich viel zu leicht sein dürfte. Man darf sich erst mal vom Charme verzaubern lassen und kann in die Welt eintauchen.
Ich geh mit meiner Laterne…
Beziehungsweise mit der kleinen Lichtkugel Igniculus, die euch in dunklen Ecken den Weg offenbart und mit dem rechten Stick unabhängig von Aurora zu steuern ist. Habt ihr einen zweiten Controller angeschlossen, könnt ihr sogar zu zweit das Abenteuer erleben, während der eine Aurora und der andere ihren hellblau leuchtenden Freund steuert. Das ist auch besonders hilfreich, da man sich nie so ganz an die Steuerung mit dem anderen Stick gewöhnen will und manchmal auch vergisst, dass Igniculus auch noch da ist, obwohl er noch viel mehr kann als nur zu leuchten.
So kann man manche entfernte Truhen mit ihm öffnen, Gegenstände und Heilung einsammeln, er kann Aurora außerhalb von Kämpfen heilen und Gegner blenden, um sie dann von hinten für einen Überraschungsangriff zu überrumpeln. In den Kämpfen selbst ist der Gebrauch seines magischen Lichts sogar unverzichtbar.

Laufen die rundenbasierten Kämpfe anhand einer Zeitleiste eher klassisch ab, auf der man jederzeit sieht, wann wer am Zug ist und angreifen darf, kann man mit Igniculus frei umherfliegen. Auch hierbei kann man Aurora und ihre Mitstreiter jederzeit langsam heilen oder die Gegner blenden, wodurch sie langsamer an der Reihe für ihren Angriff sind. Ist sein magisches Licht erloschen, sammelt man an Büschen in den Kampfbildschirmen erneut Energie, Lebenspunkte oder sorgt für MP-Nachschub.
Später wird man das eine oder andere Mal durchaus in Bedrängnis geraten und ist froh über solch eine enorme Unterstützung, die man anfangs noch belächelt und als übertrieben für die anfangs einfachen Kämpfe empfindet. Besonders schnelle Gegner in großer Anzahl oder einige Bosse können es einem schnell schwer machen. Denn egal ob man selbst oder ein Widersacher an der Reihe ist, jede Aktion benötigt eine gewisse Vorbereitungszeit, die auf der Zeitachse rot dargestellt wird.
Ein mächtiger Zauber benötigt hierbei nochmal eine deutlich längere Vorbereitungszeit als ein schneller Hieb und währenddessen kann ein gegnerischer Angriff den eigenen unterbrechen und man wird auf der Zeitachse zurückgeworfen. Man selbst hat allerdings auch die Chance, um Gegner zurückzuwerfen und schnell gewöhnt man sich an diese Mechaniken, wordurch man kleinere Gegner nicht mal zum Zug kommen lässt.
Andere lassen sich dabei aber nicht so einfach austricksen und werden fiese Konterangriffe bei einer Unterbrechung auf euch loslassen, die eure Party komplett verlangsamen, lähmen, ein gegnerisches Schutzschild bilden oder schlimmer. Etwas fies kann das sein, wenn man gar nicht beabsichtigt den Gegner zu unterbrechen.
Auf alle Fälle hat sich Ubisoft einiges für die Kämpfe einfallen lassen um sie spannender zu machen, wozu auch die extrem gute Kampfmusik zählt, die mit Voranschreiten der Story die immer größer werdenden Schlachten hervorragend untermalt. Doch trotz allem kommt man nicht drum herum, zur Mitte des Abenteuers Ermüdungserscheinungen zu bekommen, da viele Gegner extrem leicht zu besiegen sind, man andauernd mit der kompletten Party levelt und immer wieder Skillpunkte vergeben muss.

Auch extrem schade: Man darf trotz zahlreicher Partymitglieder maximal zu zweit gegen drei Gegner antreten. Zwar kann man jederzeit flott im Kampf die Mitstreiter wechseln, doch durch die genannten Punkte wird man nie wirklich mit allen warm, verteilt irgendwann nur noch wahllos Skillpunkte in den anfangs interessant wirkenden Skillbaum und versucht die Kämpfe hinter sich zu bringen, die dennoch unbedingt notwendig sind um stark genug zu bleiben. Etwas viel Gegner Recycling kommt auch noch oben drauf, und in gewohnter Weise bekämpft man Feuergegner mit Wasser und Wasserkreaturen mögen keine Blitzangriffe.
Was einen aber trotzdem bei Laune hält ist die Sammelwut. Oft genug wird man sich dabei ertappen jede Ecke von Lemuria abzugrasen, um ja nichts zu verpassen. Dabei kann man verschiedene Statusboni-Verbesserungen finden, oder sogenannte Oculi. Diese kommen in verschiedenen Farben daher und können auf eure Ausrüstung angelegt werden um verschiedene Eigenschaften hervorzurufen: Angriffe mit den Elementen, Tempo erhöhen, prozentuale Erhöhung der gesammelten Erfahrung und dergleichen mehr. Die Oculi lassen sich auch kombinieren und es lassen sich bessere oder sogar ganz neue herstellen.
Ein einfaches Gameplay-Element, das dennoch motiviert. Auch wenn man also häufig nur die verschiedensten Oculi sammelt, muss man trotzdem in jedem Winkel suchen und jedes dunkle Eck erleuchten. Manchmal findet man dabei auch sogenannte Bekenntnisse, die Geschichten enthalten und den Sammelfreund befriedigen. Einige Schattenrätsel, die zum Weiterkommen nötig sind, frischen diese Sammelausflüge dann noch weiter auf, und eine Handvoll Sidequests, in denen man den Bewohnern Lemurias zur Seite steht, motivieren zusätzlich
Fazit

Dass man nicht immer zwischen West und Ost trennen muss beweist Ubisofts Child of Light auf schöne Weise. Auroras Abenteuer ist zwar nicht ganz fehlerfrei. Manchmal ist die Reise etwas zäh, doch auch wenn das Ende schließlich etwas überstürzt wirkt, merkt man, man war gerne Teil der märchenhaften Geschichte, die den Charme von Kinderbüchern einfängt. Das rund zwölfstündige Abenteuer vielleicht zusammen mit Familie oder Geschwistern an zwei Controllern zu bestreiten, dürfte den Spielspaß sicher zusätzlich heben.
Die hauseigene UbiArt Framework Engine, die schon bei Rayman zum Einsatz kam, zaubert malerische Bilder auf den Bildschirm und zieht einen sofort in den Bann. Die Detailverliebtheit, die schönen, butterweiche Animationen und die quirligen Bewohner Lemurias erfreuen das Auge. Für die Ohren hat der Soundtrack, der auf hohem Niveau ist, einiges zu bieten, was besonders für die Kampfmelodien gilt. Bei einem niedrigen Budget-Preis und hohem Anteil Spielspaß, können Rollenspielfans mit Drang zur Sammelwut ohne Bedenken zugreifen und werden ganz auf ihre Kosten kommen.
Story: In zwölf bis vierzehn Stunden erlebt man eine Geschichte, die aus einem Kinderbuch entrissen sein könnte. Eine dunkle Hexe, die Sonne, Mond und Sterne gestohlen hat, die euch mit euren Ängsten konfrontiert und die Hoffnung Auroras wieder zu ihrem Vater zurückzukehren beleben dieses Abenteuer. Den obligatorische Plot-Twist hat Ubisoft ebenfalls im Gepäck.
Grafik: Malerische Kulissen, wunderschöne Animationen und fantasievolle Geschöpfe, die Lemuria beleben, zaubert Ubisoft mit der hauseigenen UbiArt Framework Engine auf die Mattscheibe.
Sound: Sehr guter Soundtrack, bei dem man die Kampfmelodien hervorheben kann. Leider fehlt es dem Spiel an einer kompletten Sprachausgabe. Die wenigen sehr gut vertonten Erzählpassagen zeigen, was möglich gewesen wäre.
Gameplay: In Sidescroller-Manier lauft und schwebt ihr durch die Lande Lemurias, die ihr nach Belieben erkunden könnt. Mit Igniculus könnt ihr entweder alleine oder zu zweit die dunklen Gebiete erhellen und in rundenbasierten Kämpfen Gegner blenden oder euch heilen.
Sonstiges: Erscheint bald für PlayStation Vita, Koop-Möglichkeit, verschiedene DLC-Pakete, die bereits in der Deluxe Edition enthalten sind.