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Im Interview! Ito, Ehara und Tachibana zu The Centennial Case: A Shijima Story

Seit einer Woche ist The Centennial Case: A Shijima Story erhältlich und sogar Hideo Kojima hat es gespielt. Vielleicht auch, weil mit Koichiro Ito ein ehemaliger seiner Mitarbeiter in leitender Funktion am Spiel tätig war.

Koichiro Ito, der als Director von The Centennial Case tätig war, Junichi Ehara (Producer) und Yasuhito Tachibana (Cinematographer) standen uns für einige Fragen zum Spiel zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen!

Live-Action-Videospiele sind ein nicht besonders verbreitetes Genre. Welchen Reiz hat es für Sie als Entwickler, ein Videospiel mit echten Filmszenen zu erschaffen? Welche Möglichkeiten bieten Live-Action-Szenen in Games, die klassische Games nicht bieten?

Herr Ito: Das fotorealistische CG hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und kommt der Live-Action-Grafik immer näher. Dennoch ist es sehr aufwändig und kostspielig, die subtilen Augenbewegungen, die Mimik, den Atem und die Wärme der Figuren realistisch darzustellen. Live-Action ist ein effektives und überzeugendes Medium, um diese subtilen, menschlichen Elemente zum Ausdruck zu bringen. Dadurch, dass in The Centennial Case: A Shijima Story echte Schauspieler mitspielen, haben wir es geschafft, ein wichtiges Thema der Handlung (Leben und Tod) auf eine Weise darzustellen, die sich realer anfühlt.

Herr Tachibana: Wir waren der Meinung, Emotionen realistischer und subtiler als mit CG vermitteln zu können. Ohne die Art und Weise zu beeinträchtigen, in der die Mimik der Charaktere als wichtige Informationsquelle in einem Mystery-Spiel fungiert, konnten wir eine weitere Komplikationsebene hinzufügen, die sich nicht einfach in reine Informationen umwandeln lässt. Ich hoffe, dass die Spieler dadurch noch tiefer in die Geschichte hineingezogen werden und das Spiel dadurch noch befriedigender wird.

Ich glaube, es gibt einige Vorbehalte gegenüber Live-Action-Spielen. Spieler könnten glauben, nur einen „Film“ zu sehen und kaum Einfluss auf das Medium zu haben. Das ist bei The Centennial Case offensichtlich nicht der Fall. Wenn man falsche Entscheidungen trifft, erwartet den Spieler ein „übles Ende“, heißt es im Ankündigungstrailer. Welche Konsequenzen und welchen Einfluss haben Entscheidungen des Spielers?

Herr Ehara: Das Wichtigste ist, ob die Überlegungen des Spielers richtig sind, und nicht die Entscheidungen, die er trifft. Wir haben die geforderte Deduktion auf einen angemessenen Schwierigkeitsgrad eingestellt, damit es Spaß macht, den Mörder zu entlarven – aber das Spiel enthält eine Hinweisfunktion, sodass man keine Online-Walkthroughs benutzen muss.

Herr Ito: The Centennial Case: A Shijima Story ist kein Spiel mit mehreren Geschichten und Enden, sondern ein Spiel, bei dem man sich durch verschiedene Entscheidungen arbeiten muss, um die einzige Wahrheit zu finden. Wenn man eine falsche Entscheidung trifft, werden die Verdächtigen den Fehler erwidern und darauf hinweisen (was sich als kleiner Hinweis für den Spieler herausstellen könnte), woraufhin man zur richtigen Argumentation zurückkehren kann.

FMV-Spiele mögen den Anschein erwecken, dass der Spieler viel Zeit damit verbringt, sich nur Videos anzusehen, aber in The Centennial Case: A Shijima Story haben wir versucht, das Spiel so zu gestalten, dass man sein Gehirn anstrengen muss, um ans Ziel zu kommen. Wenn man sich von der Steuerung lösen und das Video genau betrachten kann, werden einige Hinweise weniger wahrscheinlich übersehen.

Bei Videospielen, die zwei oder mehrere so herausstechende Features haben, frage ich mich oft, welche Idee die erste war. The Centennial Case rückt die Story in den Vordergrund und hat eine außergewöhnliche Präsentation gewählt. Gab es zuerst die Geschichte und Sie haben danach die Präsentation gewählt? Oder wollten Sie ein Live-Action-Game machen und dann entstand die Story?

Herr Ehara: Wir haben uns zuerst für das Genre entschieden, dann hat sich Herr Ito die Struktur des Spiels ausgedacht und danach die Handlung entwickelt.

Herr Ito: Wir trafen uns mit Herrn Yasuhito Tachibana, dem Kameramann und Szenario-Regisseur, und beschlossen zunächst, ein Spiel mit Live-Action zu entwickeln (was er hervorragend kann). Der Grund, warum wir das Mystery-Genre gewählt haben, ist, dass Herr Ehara und ich große Mystery-Fans sind. Weder Live-Action noch das Mystery-Genre werden jeden ansprechen, aber wir haben uns bewusst für diese Kombination entschieden, um unsere Fachgebiete voll auszuschöpfen. Wir haben die Geschichte und die Spielmechanik nach ausgiebigen Diskussionen über die Nachteile sowohl des Präsentationsstils als auch des Genres entwickelt.

Zurück zu den spielerischen Elementen des Spiels. The Centennial Case reduziert diese auf drei wichtige Phasen: den Szenarioteil, den Logikteil und den Auflösungsteil. Können Sie uns einige Einblicke in den Ablauf dieser Phasen geben und wie diese Phasen zusammenhängen und wann sie auftreten?

Herr Ehara: Der Szenarioteil ist die Phase, in der man Hinweise erhält. Im Logikteil nutzt man diese Hinweise, um Hypothesen aufzustellen. Und der Auflösungsteil ist der Abschnitt, in dem man den Mörder auf der Grundlage der eigenen Hypothesen entlarven kann.

Herr Ito: In The Centennial Case: A Shjima Story sind die Rollen zwischen den drei Phasen klar verteilt. Der Spielablauf besteht darin, einen Zustand herzustellen, in dem alle für die Wahrheitsfindung notwendigen Informationen aufgedeckt wurden (Szenarioteil), dann führt der Spieler seine Schlussfolgerungen durch (Logikteil) und schließlich löst er den Mordfall (Auflösungsteil).

Eine Sache, auf die wir besonders geachtet haben, war, alle Tricks des Mörders, die zur Auflösung notwendig sind, in den Videoaufnahmen des Szenarioteils einzuarbeiten. Ich denke, es macht Spaß, selbst in die Rolle eines großen Detektivs zu schlüpfen und sich vorzustellen, wie die Wahrheit im eigenen Kopf aussehen könnte.

Der Szenarioteil unterscheidet sich von Kapitel zu Kapitel, aber es ist der Abschnitt, der die Geschehnisse bis zu dem Punkt abdeckt, an dem ein Mord stattgefunden hat und man die Zeugenaussagen der Verdächtigen gehört hat. Man muss jedoch aufpassen, denn vielleicht hat man noch nicht alle Hinweise, die man braucht, um die Wahrheit herauszufinden. Im Logikteil entlarvt man dann den Mörder und den Trick, mit dem er den Mord begangen hat, mit Hilfe der eigenen Theorien und mehrerer Dialogoptionen.

Koichiro Ito, Sie haben an 428: Shibuya Scramble ebenfalls als Autor gewirkt, so habe ich gelesen. Welche Erfahrungen bringen Sie von diesem Projekt mit? Jetzt arbeiten Sie in anderer Position und haben mehr Einfluss.

Herr Ito: Das Genre von 428 war ein Suspense-Spiel mit mehreren Protagonisten, und ich habe diese verschiedenen Protagonisten so geschrieben, dass sie alle irgendwie liebenswert waren. The Centennial Case hingegen ist ein Krimi, bei dem alle Charaktere verdächtig erscheinen. Das war ein großer Unterschied in der kreativen Arbeit. Für den rasanten Schlussteil des Spiels, der viele Vorahnungen aufgreift, und für die Wendungen in der Geschichte habe ich das Wissen verwendet, das ich mir während der Entwicklung von 428 angeeignet habe.

Yasuhito Tachibana, Sie waren Producer des Netflix-Originals „Der nackte Regisseur“. Ist es Ihre erste Arbeit an einem Videospiel? Auf welche Herausforderungen treffen Sie bei der Arbeit mit Videospielen? Oder unterscheidet sich die Arbeit gar nicht so sehr von jener mit Serien und Filmen?

Herr Tachibana: Ja, das ist das erste Mal, dass ich an einem Videospiel gearbeitet habe. Im Großen und Ganzen fand ich, dass es sich nicht allzu sehr von der Arbeit an Fernsehserien oder Filmen unterscheidet. Wenn ich jedoch ein Beispiel für einen bedeutenden Unterschied nennen soll, so musste ich meine Vorstellungskraft noch mehr als sonst ausdehnen, um die Erfahrung und die Emotionen des Spielers zu erfassen, die nicht immer denselben Weg nehmen werden.

Bei einem Drama oder einem Film kann man die Darstellung und die Gefühlswelt auf einen einzigen Blickwinkel beschränken, aber bei einem Spiel muss man darauf achten, dass man das nicht zu sehr forciert und dem Spieler mehrere Möglichkeiten lässt. Das war eine Herausforderung, aber ich glaube auch, dass die Zusammenarbeit mit den Schauspielern und Mitarbeitern bei der Entwicklung des Spiels noch mehr Spaß gemacht hat als sonst.

Verschiedene Wege, Konsequenzen und Möglichkeiten, das klingt danach, als könnte man The Centennial Case mehrfach spielen. Derartige Spiele zeichnen sich oft durch mehrere Enden aus, gute wie schlechte. Wie lange brauchen Spieler für einen gewöhnlichen Spieldurchlauf und gibt es verschiedene Endsequenzen?

Herr Ehara: Nein, man kann es sich im Grunde als eine lineare Geschichte vorstellen. Dafür haben wir aber eine hochwertige Erzähl- und Denkerfahrung geschaffen. Wenn die eigenen Schlussfolgerungen falsch sind, führt die Geschichte zu einem schlechten Ende, aber das sind eher Sketche.

Wenn Sie Ihr Spiel einem Menschen schmackhaft machen möchten, der sich unsicher ist, ob das Genre etwas für ihn ist, wie würden Sie ihn überzeugen wollen und neugierig machen?

Herr Ehara: Ich denke, dass es einigen früheren FMV-Spielen an Gameplay mangelte. The Centennial Case: A Shijima Story lehnt sich stärker an diesen Aspekt an, und wir haben uns bemüht sicherzustellen, dass es sich wirklich wie ein Spiel anfühlt. Ich glaube, dass der Spaß am Lösen von Rätseln und die Überraschung, das Geheimnis hinter den Rätseln zu lüften, etwas ist, das jeden ansprechen kann. Das ganze Team hat zusammengearbeitet, um das Gameplay und die Geschichte so zu gestalten, dass diese Elemente optimal zur Geltung kommen.

The Centennial Case: A Shijima Story. Ich kann mir hier eine gewisse Analogie vorstellen. The Next Case: A Different Story. Könnte es sein, dass Protagonistin Haruka Kagami in Zukunft noch weitere mysteriöse Fälle löst?

Herr Ehara: Wenn The Centennial Case: A Shijma Story gut ankommt, würde ich gerne eine Fortsetzung machen. Wir haben bereits Ideen für eine solche!

Herr Ito: So hatte ich das noch gar nicht gesehen *lacht*. Im Spiel taucht eine Figur namens Makoto Nishimari auf, ein großartiger Detektiv aus der Romanserie von Haruka Kagami. Es könnte interessant sein, eine Fortsetzung oder ein Spin-off zu seinen Abenteuern zu entwickeln.

Bildmaterial: The Centennial Case: A Shijima Story, Square Enix, h.a.n.d.