Im Jahr 2004 erblickte das Ren’Ai Adventure Clannad das erste Mal das Licht der Welt und startete seinen Siegeszug. Es folgten einige Portierungen für PlayStation Portable, PlayStation 2, Xbox 360 und andere Plattformen. Dazu kamen noch Anime- und Manga-Adaptionen und zahlreiche Merchandise-Artikel.
Bisher spielte sich das Ganze nur im japanischen Raum, doch nun, nach mehr als elf Jahren, kommt das von Key einstmals entwickelte Spiel in unsere westlichen Gefilde. Mit dem Erfolg der Kickstarter-Kampagne hat Sekai Project nun vor kurzem jenes Spiel auf der Plattform Steam veröffentlicht, ob der Klassiker auch bei uns die Beliebtheit des Genres ein Stück verbessern kann, soll sich nun im folgenden Test herausstellen.
Eine schicksalhafte Begegnung
Irgendwo in Japan in einer fiktiven Stadt lebt der junge Schüler Tomoya Okazaki. Ein junger Tunichtgut, der nur wenig gefallen an der Schule hat. In den Augen seiner Mitschüler und Lehrer hat sich schon lange das Bild eines Querulanten festgesetzt, aber auch dies schert ihn herzlich wenig und so schlägt Tomoya die Zeit tot mit gelegentlichen Mittagsschläfchen im Unterricht und treibt Schabernack mit seinem Kumpel Youhei, zum Ärger seiner Mitschüler, Lehrer und oftmals auch Youhei selbst.
Nicht nur der Schule kann er nichts abgewinnen, auch hält er sich von seinem Heim und seinem Vater fern, mit welchem er öfters aneinander gerät. So verbringt er die meiste Zeit bei seinem Kommilitonen Youhei und übertritt erst spät nachts die Schwelle seines eigenen Zuhauses, tagein tagaus. An einem dieser gewöhnlichen, fast schon ätzenden Tage trottet unser „Held“ wieder den Weg entlang, um sich seiner Nemesis, der Schule, zu stellen. Am Fuße des Hügels, welcher hinauf zur Schule führt, begegnet er Nagisa, einem unscheinbaren Mädchen, welches ihn nicht weiter beachtet und still in sich hineinspricht.
Okazaki weiß es noch nicht, aber in dem Moment, wo er sie anspricht, wird sich sein Leben, ihres und das seines Umfeldes drastisch verändern und so beginnt eine Reise, geprägt durch neue Erfahrungen, welche sowohl guter als auch schlechter Natur sind. Momente, wo die Zeit nicht weiterzufließen vermag, aber auch Konflikte, denen man scheinbar nur ohnmächtig entgegenstehen kann und diese zu bewältigen unmöglich erscheint, weil die Kluft schon zu tief ist, um diese zu überwinden. Doch jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt und so schreiten Tomoya und Nagisa voran in eine ungewisse Zukunft…
Die Geschichte selbst gliedert sich dabei in zwei große Abschnitte auf. Im ersten großen Handlungsbogen erlebt man, in der Rolle des Protagonisten Tomoya, dessen letztes Jahr an seiner Schule. Ihr trefft auf zahlreiche Personen, mit denen ihr interagiert, erlebt gemeinsam die Höhen und Tiefen des nicht so ganz alltäglichen Schullebens des Tomaya und bewältigt die Konflikte, die sich ihm auf dem Weg des Erwachsenwerdens in den Weg stellen.
Der Schwerpunkt liegt hierbei in der Interaktion mit Nagisa und dem Band, das ihr mit ihr knüpft. Zwischen den einzelnen Tagesabschnitten wechselt die Geschichte in eine Subhandlung, welche in einer Art Traumwelt stattfindet, in einer Welt am Ende des Ruins. Diese Abschnitte scheinen erst keinen Bezug zur eigentlichen Geschichte zu haben, doch werden diese mit der Haupthandlung verwoben.
Der zweite Handlungsbogen, die „After Story“, rückt weg vom Zentrum der Schule und thematisiert wiederum einen Zeitraum von circa zehn Jahren. Hier erlebt ihr, wie es mit den Charakteren nach ihrer Schulzeit weitergeht und welche Hürden diese nehmen müssen, darauf soll hier aber nicht weiter eingegangen werden.
Ziel ist es, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die Handlung in eine Richtung zu treiben, an deren wichtigen Knotenpunkten ihr für die Interaktion mit bestimmten Charakteren sogenannte Orbs als Belohnung erhaltet. Diese benötigt ihr, um den zweiten Handlungsbogen, die After Story, freizuschalten, aber auch in diesem lassen sich weitere Orbs finden, die ihr benötigt, um das wahre Ende des Spiels zu erblicken und um weitere, kleinere Handlungsstränge und Extras freizuschalten.
Präsentation gelungen, setzen!
Die Präsentation kann sich sehen lassen. Die Charaktere wurden schön ausgearbeitet und überzeugen durch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten. Das Spiel wurde komplett synchronisiert. Komplett? Na ja, nicht ganz. Während jeder Charakter, sowohl die Hauptpersonen, mit denen man interagiert, als auch unwichtige Nebencharaktere, eine Stimme bekommen hat, bleibt der Hauptcharakter, vermutlich aus stilistischen Gründen, ein stummer Diener. Generell spielt ihr Tomoya aus der üblichen Egoperspektive und nur selten ist dieser in Artworks im Spiel zu sehen. Einerseits kann man sich so in den Charakter besser hineinversetzen, da man so stärker mit dieser Person verschmilzt, andererseits ist es schade, nicht den Sprecher der späteren Anime-Reihe nochmals zu hören.
Die Qualität der japanischen Synchronisation besticht wiederum durch eine hohe Qualität und kann überzeugen, genauso wie die musikalische Untermalung, welche das Szenario stimmungsvoll begleitet und in den essentiellen Momenten die Stimmung passend unterstreicht. Neben der musikalischen Präsentation kann auch die visuelle Darstellung punkten. Sowohl die einzelnen Charaktere als auch die Hintergründe sind schön ausgearbeitet. Die Hintergründe sind abwechslungsreich und an die unterschiedlichen Tageszeiten angepasst und überzeugen größtenteils durch ihre schönen Details.
Während die Hintergründe des Haupthandlungsbogens mit realistischen Darstellungen bestechen, wirken die Artworks der Illusionary World verträumt, teilweise schon melancholisch. Wie bereits erwähnt, besitzt das Spiel nur eine japanische Audiospur, die Texte werden euch in englischer Sprache serviert. Teilweise werden euch rot markierte Wörter geliefert. Diese entweder aus der japanischen Kultur stammenden oder durch das Spiel generierten Begriffe werden euch in einer extra Enzyklopädie erklärt. Clannad glückt eine gelungene Präsentation und vereint Wort, Bild und Ton in einer wunderschönen Geschichte.
Ein Buch mit tausend Seiten
Der Umfang dieser Novel kann sich sehen lassen. Ihr werdet vermutlich mehr als nur einen Anlauf benötigen, um alle Orbs zu erhalten und um letztlich den zweiten Storybogen freizuschalten. Auch wird für das wahre Ende ein neuer Spieldurchgang benötigt. Es gibt also viel zu entdecken. Je nachdem wie ihr das Spiel also beenden wollt, könnt ihr euch auf eine Spiellänge zwischen 60 und 100 Stunden einstellen.
Fazit:
Sekai Project hat mit der Neuauflage des durch Key entwickelten Spiels Clannad einen guten Job gemacht und es wurde auch Zeit, dass dieser Klassiker in unseren Gefilden auftaucht. Ich habe viel Spaß mit Clannad, so viel, dass sich der Titel womöglich in meine Top-3-Liste für das Spiel des Jahres 2015 einreihen wird.
Wenn man über etwas mäkeln kann, dann darüber, dass das Spiel so lange gebraucht hat, um den westlichen Markt für sich zu entdecken. Clannad ist jedem zu empfehlen, welcher sich nicht durch die exorbitante Spiellänge abschrecken lässt. Es erwartet euch eine wunderschöne Slice-of-Life-Geschichte, gespickt mit Humor, Tragik und Romantik.
getestet von Fayt