Titel | Slitterhead |
8. November 2024 | |
Bokeh Game Studio | |
8. November 2024 | |
Bokeh Game Studio | |
8. November 2024 | |
Bokeh Game Studio | |
System | PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series, PC |
Getestet für | PlayStation 5 |
Entwickler | Bokeh Game Studio |
Genres | Horror, Action-Adventure |
Texte | |
Vertonung |
Videospielenthusiasten mit Affinität fürs Horror-Genre werden sich vorfreudig die Hände gerieben haben, als Keiichiro Toyama 2020 seine neue Spieleschmiede aus dem Boden stampfte. Mit den schaurigen Survival-Horror-Klassikern „Silent Hill“ und „Siren“ hat die Branchengröße seinerzeit immerhin zwei beachtliche Marken aus der Taufe gehoben. Nachdem es in den „Gravity Rush“-Spielen dann deutlich leichtfüßiger zur Sache ging, stehen die Zeichen nun wieder auf Grusel.
Passend zur Jahreszeit lockt das Debüt des Bokeh Game Studio nämlich mit Toyamas Rückkehr zum beliebten Horror-Genre. Slitterhead will dabei „weder ein AAA-Blockbuster, noch ein typisches Indie-Horrorspiel“ sein. Hier warte ein „einzigartiges“ Action-Adventure auf Euch, wie Toyama verspricht. In unserem Test verraten wir Euch, ob das auch stimmt.
Menschliche Ressourcen statt Helden
In Slitterhead übernehmt Ihr die Kontrolle von Hyoki, einem körperlosen Geist ohne Erinnerungen. So umnebelt sein Gedächtnis, scheint seine Motivation ziemlich klar. In der neongetränkten Großstadt Kowlong treiben die titelgebenden Slitterheads ihr Unwesen. In bester „The Thing“-Manier mischen sich die hochgewachsenen Käfer unter das Volk, indem sie in ahnungslose Wirte schlüpfen. So verbergen sie ihre wahre Gestalt – ein Trick, den Ihr leicht durchschaut. Und weil die schaurigen Krabbler offenbar mit einer fiesen Zukunftsvision in Zusammenhang zu stehen scheinen, schreibt Ihr es Euch auf die Fahne, Jagd auf sie zu machen. Das ist als luftiger Schemen natürlich leichter gesagt als getan. Ihr tut es den Alien-artigen Schergen also gleich und fahrt auf Knopfdruck in die Haut von Stadtbewohnern, um sie so zu Euren temporären Protagonisten zu machen.
„Temporär“ ist dabei das richtige Stichwort, macht Slitterhead doch schnell deutlich, dass Ihr es Euch nicht zu lang in einem Leib gemütlich machen sollt. Mit seinen verwinkelten Gassen und hohen Gebäuden lädt Euch die Stadt regelmäßig dazu ein, aus einer Haut in die nächste zu schlüpfen, um Hindernisse und Höhen geschickt zu überwinden. Spätestens wenn Ihr Euch vom Dach eines Hochhauses in die Tiefe stürzt, um kurz vor dem Aufprall in die Haut eines anderen Passanten umzuziehen, wird deutlich: Ihr müsst die Bewohner Kowlongs wortwörtlich als menschliche Ressourcen sehen, um effektiv voranzukommen. Ein Thema, das der Titel im weiteren Verlauf sowohl spielmechanisch als auch inhaltlich verhandelt.
Horror-Action, die aus der Haut fahren lässt
Das Besessenheitssystem ist nicht nur für eine effiziente Fortbewegung wichtig, sondern auch in den vielen Echtzeit-Kämpfen von grundlegender Bedeutung. Stürzt Ihr Euch mit einem Passanten ins Gefecht, reichen eine Handvoll feindliche Hiebe, um Euch aus den Socken ins digitale Grab zu hauen. Ihr könnt eingehende Angriffe mit einer zeitigen Parade abwenden und so gar eine praktische Zeitlupe auslösen. Am effektivsten umgeht Ihr den frühzeitigen Bildschirmtod aber, indem Ihr regelmäßig von einem Wirt zum nächsten wechselt. So verwirrt Ihr Schergen, fallt ihnen in den Rücken und setzt ihnen mit aus Blut geformten Waffen zu.
Im Spielverlauf trefft Ihr dann auf diverse „Seltenheiten“. Das sind Charaktere, die zum einen relevant für die Handlung sind und zum anderen deutlich robuster und individueller im Kampf agieren. Setzt die junge Julee etwa auf flinke Krallen, verlässt sich Teilzeit-Doktor Alex auf ein groß gewachsenes Skalpell. Jede Seltenheit kommt zudem mit eigenen aktiven und passiven Spezialfertigkeiten daher, in die Ihr verdiente Fertigkeitenpunkte zuverlässig investiert. Das können offensive Skills wie ein Schuss aus der Schrotflinte oder der Wurf giftiger Nadeln sein. Oder auch unterstützende Fertigkeiten, die Euch im Kampf heilen und Gegner ausbremsen.
In der Regel schickt Euch der Titel mit zwei Charakteren in die missionsbasierten Abenteuer, die Ihr aus einem Intermission-Menü auswählt. Hier feilt Ihr auch an Eurer Kämpferriege und kleidet sie in freischaltbare Kostüme Eurer Wahl. Vor allem nutzt Ihr die Zeit zwischen Missionen aber, um Euch mit Euren ungleichen Verbündeten zu unterhalten. In müde bebilderten Dialogen tauscht Ihr Euch zu diversen Themen aus und schaltet so nicht zuletzt neue Missionen frei.
Käferjagd in Dauerschleife
Die meiste Zeit geht Ihr in den hübsch beleuchteten Straßen von Kowlong auf die Jagd. Hier und da zieht es Euch für Aufträge aber auch zu anderen Schauplätzen. Unabhängig vom Setting haben die Missionen aber eigentlich immer zum Gegenstand, dass Ihr den Boden mit immer gleichen Slitterheads aufwischt. Das lockert der Titel mit gelegentlichen Schleich- und Jagd-Sequenzen auf – Letztere lassen Euch gerne mal in bester Siren-Manier die sogenannte „Sightjack“-Fähigkeit nutzen, mit der Ihr die Position Eurer Schergen ermittelt. Am Ende läuft es dann aber doch immer auf blutige Keilereien hinaus, die mit ihrer überbordenden Repetition hin und wieder spielerische Abwechslung vermissen lassen.
Das mag ernüchternd klingen und ja, dem einen oder anderen von Euch wird diese Eintönigkeit ziemlich sicher die Spielerfahrung verhageln. Fest steht aber auch: Habt Ihr Euch einmal mit der Kernmechanik von Slitterhead vertraut gemacht, bereiten sowohl die Fortbewegung als auch Kämpfe – trotz gelegentlich schwammiger Steuerung – großen Spaß. Wenn Ihr geschickt die Fassaden hoher Gebäude erklimmt oder den Angriffen von Feinden elegant entgeht, um sie dann zu bestrafen, fühlt sich das nicht nur befriedigend, sondern auch originell und unverbraucht an.
Fesselnd gestaltet sich auch die Handlung des Spiels, so episodisch und altbacken sie auch präsentiert wird. Das liegt vor allem daran, weil der Titel ein paar erfrischende Kniffe in seiner Erzählung findet, um Euch trotz blasser Inszenierung am Ball zu halten. Gute 12–15 Stunden dürfte Euch Slitterhead bei einem normalen Durchgang beschäftigen. Seid Ihr darauf aus, alle sammelbaren Gegenstände und optionalen Herausforderungen zu meistern, dürft Ihr sicher noch eine gute Handvoll Stunden obendrauf legen.
Der große (technische) Haken
Das klingt doch alles ganz gut? Ist es auch, wenn da nicht diverse technische Probleme wären, die den soliden Eindruck schmälern. Wenn es etwa um sein atmosphärisches, Hong-Kong-inspiriertes Setting oder die grotesken Monsterdesigns geht, lässt Slitterhead immer wieder die Grafikmuskeln spielen. Umso befremdlicher gestaltet sich der Umstand, dass die Charaktermodelle arg aus der Zeit gefallen wirken. Sowohl in ihrer Optik als auch hinsichtlich der hölzernen Animationen machen die Figuren den Eindruck, als stammten sie aus Zeiten der vorletzten Konsolengeneration.
Auch auf auditiver Ebene präsentiert sich der Titel als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite wäre da zwar der hervorragende Soundtrack vom Horror-Experten Akira Yamaoka. Auf der anderen Seite verwundert Slitterhead aber mit einer nahezu ausbleibenden Vertonung der Dialoge. Die meiste Zeit lauscht Ihr amateurhaften Wortfetzen, die zuweilen nicht einmal zur Stimmung der Dialoge passen. Das kratzt dann doch gern mal merklich an der Immersion. Stichwort „Dialoge“: Der Titel bietet deutsche Bildschirmtexte. Deren mangelhafte Natur lässt aber den Verdacht aufkommen, dass eine wenig intuitive, maschinelle Übersetzungsmethode zum Einsatz kam. Ich war im Zuge des Tests jedenfalls dazu gezwungen, auf die englischen Texte zurückzufallen, um mich nicht ständig aus der Welt gerissen zu fühlen.
Als Debüt eines frisch gegründeten Studios sind technische Unzulänglichkeiten und ein Mangel spielerischer Varianz durchaus zu erwarten. In ihrer Summe schmälern die Makel hier ein potenziell großartiges Horrorspiel aber leider so sehr, dass am Ende lediglich ein gelungenes zurückbleibt.
Originelle Horror-Action – mit einem Haken
Story
Gameplay
Grafik
Sound
Sonstiges
Bildmaterial: Slitterhead, XSEED Games, Bokeh Game Studio