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The Game Awards 2023: Heftige Kritik für ausbleibende Solidarität und unbalancierte Redezeiten

Gestern Abend, einige Stunden vor dem Showdown, verlor Geoff Keighley einige letzte Worte zu The Game Awards 2023. In der Nachbetrachtung liest es sich wie eine Entschuldigung. „Ihr werdet überraschend neue Welten entdecken“, so Keighley zu den Fans. Und: „Wir werden es nicht zu 100 Prozent richtig machen, aber wir sind unendlich dankbar, dass diese Teams uns ihr Vertrauen schenken“, so Keighley. „Jedes Jahr versuchen wir, unseren Ansatz zu verbessern und zu verfeinern“.

Diese Teams, von denen er spricht, viele von ihnen fanden heftige Worte der Kritik im Nachgang der Show. Entwickler, Journalisten und Branchenvertreter bedauerten, dass es keine Worte der Solidarität mit vielen, vielen Menschen gab, die in der Branche in diesem Jahr ihren Job verloren haben. Außerdem wurde insbesondere die Gewichtung von Redezeiten kritisiert.

Javiera Cordero, derzeit Quest Store Operations Manager bei Meta, war im Publikum und hat den Moment in einem Video festgehalten, in dem Swen Vincke (Baldur’s Gate 3) seine Dankesrede hält und ein riesiger Bildschirm, den das Publikum nicht sieht, die Sekunden herunterzählt und schließlich bei „PLEASE WRAP IT UP“ landet. Nach 30 Sekunden. „Wenn ich das Spiel des Jahres gewinnen und den Preis einem Mitglied meines Teams widmen würde, das während der Entwicklung gestorben ist, und dann die Worte „PLEASE WRAP IT UP“ sehen würde, wäre ich stinksauer“, kommentiert Cordero. Der Tweet geht viral.

JC Lau von Indie Studio Probably Monsters gibt Einblicke in die Vorgaben, die Nominierte vorab erhielten. Darin heißt es, nach 30 Sekunden der Dankesrede würde die Musik abgespielt, um „respektvoll mit unserem Zeitkontingent und den anderen Nominierten umzugehen“.

Rami Ismail fällt es schwer zu akzeptieren, dass Sam Lake oder die Macher von COCOON nach 30 Sekunden von der Bühne gescheucht werden, aber Kojima einen mehrminütigen Beitrag zu einem Spiel halten kann „zu dem es buchstäblich noch nichts zu zeigen“ gibt. „Schwer zu ertragen“, so Ismail. „Das fühlte sich wirklich falsch an.“ Zynisch legt Ismail nach, es gäbe wohl keinen besseren Weg, das Jahr abzuschließen, als die Game Awards, „bei denen ich nichts anderes empfinde als gelegentliche Glücksgefühle für Freunde und tiefe, ohrenbetäubende Traurigkeit darüber, wie viel diese Branche in diesem Jahr verloren hat.“

Ganz ähnlich sieht es Nick Calandra von Second Wind. Zwischen Kojima, The Muppets und Hollywood-Schauspielern, die über ihre gebrochenen Füße sprechen, werden „Leute wie Sam Lake und Swen Vincke von der Bühne gescheucht, wenn sie emotionale Dankesreden halten. Prioritäten“, so Calandra.

„Die Spielepreisverleihung, bei der für jeden Entwickler sofort die „Runter von der Bühne“-Musik abgespielt wird, aber alle Schauspieler ihre dummen Sprüche ablassen können, passt zum schlechtesten Jahr für Entwickler“, wird Liz Caingcoy von Ivy Road Games noch viel deutlicher.

„Ich wünschte, wir würden bei den Game Awards mehr von den Entwicklern hören“, drückt sich @shinobi602, der bei Wushu Studios arbeitet, etwas diplomatischer aus. „Ich liebe fantastische neue Enthüllungen genauso wie jeder andere, aber all die erstaunlichen Spiele, die ihr heute Abend auf der Bühne gesehen habt, wurden nicht von KI oder Magie entwickelt, sondern von Menschen mit ihren eigenen Geschichten. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen.“

Localization Producer Katrina Leonoudakis zitiert die heutigen SEGA-Ankündigungen und erinnert daran, dass die Geschäftsleitung in diesem Jahr „zu Unrecht gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter entlassen“ hat und nächstes Jahr dort weitermachen wolle, damit man keinen Mindestlohn bezahlen müsse.

Der heutige Abend habe deutlich gemacht, wie zerrissen die Branche derzeit ist, glaubt Anna C. Webster, Narrative Designerin. „Es werden Millionen an Einnahmen an Aktionäre und Führungskräfte ausgeschüttet, aber nichts für die Arbeitnehmer. Beste Verkaufszahlen bisher, aber umfassende Entlassungen. Entwickler wurden mitten in der Rede vertröstet. Schließung von Studios“, so Webster. Und: „Wir haben etwas Besseres verdient. Unsere Spieler verdienen etwas Besseres. Eine bessere Branche ist möglich, aber wir müssen zusammenarbeiten und sie einfordern.“

Kotaku-Journalist Ethan Gach nennt The Game Awards 2023 die „wahrscheinlich am besten produzierte Preisverleihung, die es je gegeben hat“ und gleichzeitig einen „völligen Fehlschlag, was die Würdigung der Menschen angeht, die die Spiele gemacht habe und die Preise gewonnen haben“. Das sei aber kein Fehler gewesen, sondern ein Feature – also gewollt.

„Geoff Keighley lässt Videospielentwickler im Stich“, titelt Ash Parrish bei The Verge. Man kann nicht darüber sprechen, wie großartig das Jahr 2023 für die Qualität der in diesem Jahr veröffentlichten Spiele war, ohne zu erwähnen, wie katastrophal es für die Leute war, die sie entwickelt haben. Aber genau das hat Geoff Keighley bei den diesjährigen Game Awards getan“, kritisiert Parrish.

Zwischen 6.000 und 7.000 Menschen hätten ihren Job verloren, keine Studio-Größe sei davon verschont geblieben. Dafür sei Keighley natürlich nicht verantwortlich. Aber mit der Plattform, die Keighley habe, hätte er diesen Bedingungen zumindest Rechnung tragen müssen.

Bildmaterial: The Game Awards 2023

24 Kommentare

  1. Du darfst aber nicht vergessen, dass die wirklich guten Indiespiele auch sehr lange brauchen, teils ähnlich lange wie AAA-Spiele.

    Klar aber es gibt da eine viel viel größere Vielfalt weshalb das easy zu kompensieren ist bei Shows^^ Also auf jedes gute Indie Spiel was raus kommt gibt es mindestens 10 neue, die angekündigt werden können.

    Bei Triple A Spielen funktioniert das leider nicht so, da es viel wenigere Studios gibt, de auf AAA Niveau entwickeln können. Und das ja alles worauf ich hinaus will. Wie so eine Show objektiv sinnvoll gefüllt werden kann und muss. Das Gleichgewicht ist da einfach essentiell. Wenn man eine Kategorie wegfallen lässt, wird die Show kacke^^

  2. Und wer z.b? Wäre schön Namen zu sehen bevor man anschuldigungen anstellt.


    Jury-Mitglied: Inverse

    Artikel: The Real-World Cost of Hogwarts Legacy Is Unforgivable

    Zitat: "But to score Hogwarts Legacyon its own merits” as a piece of software would be to willfully ignore the realities that exist surrounding the game.

    At every turn, Hogwarts Legacy tells you that you can do whatever you want. If it’s fun for you, why should you be judged? At this point, Hogwarts Legacy is not just a game. It encourages those who don’t want to engage with the guilt of ignoring pleas from the transgender community (maybe even their trans friends or family) that naysayers have no right to judge you." usw.


    Zum Beispiel.

  3. Ist man im Club und kennt die richtigen Leute hat man ziemliche Vorteile. (Kojima) Ist man es nicht wird dein Spiel nicht mal nominiert. (Hogwarts Legacy)

    Also wie stark präsent Kojima immer seine Zeit bekommt, find ich auch immer etwas übertrieben aber naja letzten Endes Keighley ist eben ein Kojima Fanboy. Also lass ihn doch seinen Fanboy Moment. Es ist immerhin seine Show. Wär es meine würde ich es genauso rund um Monolith Soft machen lol ^^

    Vor Allem ist das nur eine Ausnahme. Hogwarts wurde halt nicht nominiert, weil es einfach nicht gut genug ist. Es ist ein tolles Spiel für Fans der IP. Für Nichtfans ist es eher durchschnittlich. Warum sollte das nominiert werden? Dann möchte ich auch Slaps & Beans 2 nominiert haben! Das ist für Fans von Terence Hill und Bud Spencer ein Traum!

    Man muss schon differenzieren können. Dies Jahr gab es halt wirklich viele starke Releases. Selbst Starfield stinkte ab, was ja extrem gehyped wurde (sich aber dann als nur "gut" und nicht als "revolutionär" herausstellte, was für eine Überraschung^^)

    Es gibt einige Spiele, die ich auch lieber da gesehen hätte, als einige die da waren, gerade kleinere Spiele, die allerdings ein höheres Qualitätsniveau haben, als einige die nominiert wurden^^

    "Vetternwirtschaft" ist aber wirklich rein gar nichts dabei. Man fokussiert sich lediglich auf Hypespiele, das könnt man denen ankreiden aber irgendwo muss halt auch eine Auswahl stattfinden. Es kann halt niemand alle Spiele kennen. Irgendwer wird daher immer unzufrieden sein^^


    Außerdem.. es sind doch nur irgendwelche Awards... es ist nicht wirklich etwas, was sonderlich wichtig ist oder es wert wäre sich groß drüber aufzuregen.^^

  4. Ist man im Club und kennt die richtigen Leute hat man ziemliche Vorteile.

    Mich würd tatsächlich mal interessieren, welche Leute Larian so kennen, um "in den Club" zu kommen. XD

    Vor allem vor Titeln wie Spider-Man 2 oder Alan Wake 2 von Studios, die vielleicht eher Connections zum guten alten Geoff haben.

    Nein, nein, ich habe einige Probleme mit den Game Awards, aber Vetternwirtschaft ist nicht eine davon.

    Ja, die Sache mit Kojimas Redezeit über ein Spiel, über dass wir quasi nix wissen über viele der Gewinner ist ein Riesenproblem, aber dass ist eher so eine Geoff-Kojima Sache und was die beiden so in ihrer Freizeit gemeinsam treiben will ich gar nicht wissen. XD


    (Hogwarts Legacy)


    Unabhängig davon, ob das jetzt etwas geändert hätte oder nicht, kann man bei Hogwarts Legacy schon behaupten, dass keine Chancengleichheit bestand, denke ich.

    Ich glaube eher, dass dieses Jahr einfach viel zu stark war und auch, wenn Hogwarts Legacy als Spiel für Fans sicher ein feuchter Traum war, ist es als Spiel an und für sich... sicherlich gut. Aber nicht unbedingt überragend. Und in einem Jahr, dass dermaßen absurd stark war - wir erinnern uns, 2023 sind so viele gute Titel erschienen wie seit 20 Jahren nicht mehr - reicht das schlicht und ergreifend nicht aus. Letztes oder vorletztes Jahr hätte HL sicher einige Nominierungen oder Preise abräumen können, aber es ist einfach in einem irren Jahr erschienen.

    Sogar das Dead Space Remake konnte nur eine Nominierung beim besten Audio Design für sich gewinnen - und das, obwohl es sicher einige gibt, die es lieber beim GOTY gesehen hätten als Resident Evil 4.


    Die Branche ist mitlerweile so politisiert dass dies große Auswirkungen auf Vielfalt der Spiele und Fairness solcher Verleihungen hat.

    Wirklich? Wir haben eine so große Vielfalt unter Spielen wie nie zuvor - man muss sich allerdings auch Indiespiele oder ältere Games dafür anschauen. Aber auch AAA-Spiele bringen durchaus Abwechslung - ich zitiere mich mal selbst von vor ein paar Posts:

    Allein dieses Jahr haben Microsoft und Bethesda dank Tango Gameworks mit eines DER stylishsten Spiele der letzten Jahre abgeliefert, Nintendo hat mit Pikmin 4 bewiesen, dass sie auch an ihre Nischenfranchises glauben (zumal Pikmin auch in der heutigen Spielelandschaft erfrischend einzigartig ist), Baldur´s Gate 3 hat den Kraftakt hinbekommen, das für viele doch eher nischige CRPG-Genre in den Mainstream mit unglaublichen Ambtionen zu hieven und Alan Wak 2 hat auf narrativer Sicht einfach komplett sein eigenes Ding gemacht. Sogar EA brachte mit Immortals of Aveum einen recht eigenen Titel heraus. Die Qualität davon mag "nur" recht okay gewesen sein, aber ein magiebasierter Egoshooter ist halt noch eine recht unerforschte Nische.


    Interessant nur das Dave the Diver gerade WEGEN seiner Nominierung ne Kontroverse ausgelöst hat

    Und zu Recht! Egal, wie man es dreht und wendet und wie Geoff es sich zurecht legen will, Dave the Diver kann man einfach nicht als Indie ansehen. Es hat einfach anderen potentiell verdienten Indie Titeln wie Pizza Tower oder Bombrush Cyberfunk die Nominierung weggeschnappt (wenigstens hat es nicht gewonnen - Pizza Tower war wenigstens für Best Debut Indie Game nominiert, aber na ja).



    Solche Punkte gehen aber auch irgendwie an der Diskussion vorbei. Klar, natürlich muss man auch die Probleme der Industrie angehen, die uns Spieler betrifft. Die urspürngliche Diskussion drehte sich aber um Solidarität gegenüber den Entwicklern - und davon sollten wir keinesfalls ablenken! Immerhin sind sie es, die dieses Jahr am meisten zu leiden hatten. Daher sollte der Fokus der Diskussion im Moment auf ihnen liegen, finde ich.

  5. Ich glaube eher, dass dieses Jahr einfach viel zu stark war und auch, wenn Hogwarts Legacy als Spiel für Fans sicher ein feuchter Traum war, ist es als Spiel an und für sich... sicherlich gut. Aber nicht unbedingt überragend. Und in einem Jahr, dass dermaßen absurd stark war - wir erinnern uns, 2023 sind so viele gute Titel erschienen wie seit 20 Jahren nicht mehr - reicht das schlicht und ergreifend nicht aus. Letztes oder vorletztes Jahr hätte HL sicher einige Nominierungen oder Preise abräumen können, aber es ist einfach in einem irren Jahr erschienen.

    Sogar das Dead Space Remake konnte nur eine Nominierung beim besten Audio Design für sich gewinnen - und das, obwohl es sicher einige gibt, die es lieber beim GOTY gesehen hätten als Resident Evil 4.


    Dass die Konkurrenz stark war, steht ganz außer Frage. Aber ich denke, man kann sich schon wundern, wenn das am häufigsten verkaufte Videospiel eines Jahres (ja, das ist Stand aktuell Hogwarts Legacy) für keine Kategorie nominiert wurde, aber bei den Top 10 der Player's Voice-Awards nominiert ist. Und dass einige Medienvertreter der Jury sich äußerst negativ über Hogwarts Legacy geäußert haben und dabei die Rowling-Kontroverse in den Vordergrund gestellt haben, lässt sich anhand der News-Artikel sehr leicht nachvollziehen (siehe Inverse oder auch Wired). Andere Medienvertreter haben die heiße Kartoffel lieber weitergereicht (z.B. Easy Allies, in einem Podcast). Natürlich gilt das nicht für alle Medien-Oulets. Aber seien wir mal ehrlich, wer will schon Schlagzielen à la "Game Awards promoting transphobia. Hogwarts Legacy nominated for XXX" lesen. Natürlich hätte es auch wieder Gegenstimmen gegeben und dann wäre die ganze Debatte wieder von vorne angerollt.


    Ich will damit nicht sagen, dass Hogwarts Legacy den Game of the Year-Award verdient hat. Ich will damit nur sagen, dass Hogwarts Legacy nicht dieselben Chancen hatte wie andere Titel. Zumindest ist das mein Eindruck der Gesamtsituation - jedem ist natürlich seine eigene Meinung gegönnt.

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