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Im Interview! BEAUTV – Vtubing erobert Deutschland

Falls ihr in den letzten sechs Jahren auf YouTube oder Twitch unterwegs gewesen seid, habt ihr sie bestimmt schon einmal gesehen. Animierte Anime-Modelle, die Personen hinter einer Facecam ersetzen und euch mit Gaming, Musik, Kunst und mehr unterhalten. Was es mit dem sogenannten Vtubing auf sich hat und was den besonderen Reiz dahinter ausmacht, haben wir im Interview mit BEAUTV besprochen.

Wer steckt hinter BEAUTV?

Vorab einmal wollen wir klären, wer oder was BEAUTV (gesprochen: Biut-wii) eigentlich ist. Dabei handelt es sich um das bekannteste deutsche Webzine (Internet-Magazin) rund ums Thema Vtubing, gegründet 2021 von ZockMiku in Zusammenarbeit mit PixPia.

„Der ursprüngliche Gedanke dahinter war, über die ausgefallenen Outfits und Modetrends der Vtubenden zu sprechen. Obwohl noch bis heute ein Beitrag zu dem Thema aussteht, könnt ihr auf der offiziellen Webseite viele Infos rund ums Thema Vtubing im Allgemeinen und vor allem zur deutschen Szene im Speziellen nachlesen.“

BEAUTV war auch auf der DoKomi 2023 mit einem eigenen Stand vertreten.

In Interviews erfahrt ihr mehr zu einzelnen Vtubenden und einmal pro Woche gibt es eine Zusammenfassung der Szene-Highlights auf Twitter. BEAUTV ist die erste Anlaufstelle, wenn ihr neue Vtubende entdecken wollt. In einem eigens angelegten Register findet ihr über 800 deutschsprachige Mitglieder der Community mit Bildern, Kurzvorstellungen und Links zu Social-Media-Accounts. Die Liste an Discord-Servern führt euch zudem direkt ins Herz der Community, wo ihr euch mit Gleichgesinnten austauschen oder einfach Infos und Tipps zu Vtubing einholen könnt.

Aber was ist denn eigentlich Vtubing?

Ami Yamatos Avatar (Bildquelle: @AmiYamato auf Twitter)

Der Begriff Vtuber setzt sich zusammen aus Virtual und YouTuber, also ein virtueller Avatar, der Videocontent erzeugt. Obwohl der Begriff sich ursprünglich auf Content auf YouTube bezog, wird er mittlerweile übergreifend für jegliche Art von Videocontent verwendet, bei dem virtuelle Modelle zum Einsatz kommen.

Mittels einer Tracking-Software werden Bewegungen der darstellenden Person aufgezeichnet und auf das Modell übertragen. Auch wenn Japan als Ursprungsland prädestiniert scheint, war es tatsächlich die Britin Ami Yamato, die 2011 das erste Video mit einem animierten Avatar auf YouTube hochlud. Erst 2016 trat die japanische YouTuberin Kizuna Ai mit ihrem Avatar ins Rampenlicht und prägte mit ihren Videos den Begriff Vtuber. Kizunas Videos waren schließlich der ausschlaggebende Faktor, der den Trend ins Rollen brachte.

Mit damals über vier Millionen Abonnenten und noch mehr Aufrufen auf ihren Videos bewies sie, dass durchaus wirtschaftliches Potenzial im Vtubing steckt. Was auch japanischen Firmen nicht entging. 2017 startete die heutzutage als hololive (früher Cover Corps) bekannte Agentur mit ihrem ersten „Talent“, der äquivalente Begriff zu Idols im Bereich Vtubing.

Die bewegten Anime-Figuren mit den niedlichen Stimmen gewannen so schnell an Beliebtheit, dass es mittlerweile sogar zahlreiche Marketing-Kampagnen und Merchandise-Produkte mit Vtubenden gibt. Einige der bekannten Namen wie Gawr Gura, Shylily, Inugami Korone oder Ironmouse sind euch eventuell schon einmal untergekommen.

Vtubing in Deutschland

In Deutschland hat Vtubing vor allem während der Corona-Pandemie an Fahrt aufgenommen. Zwischen 2020 und 2022 hat sich die Anzahl der Vtubenden rasant vergrößert, wobei es allerdings nur ein Bruchteil davon zu Bekanntheit geschafft hat, wie uns Miku von BEAUTV verrät. Eine der erfolgreichsten deutschen Vtuberinnen namens Selphy schafft es auf 103.000 Follower auf Twitch. Auch die 2020 gegründete deutsche Agentur PITAPAT wurde nach einem Jahr wieder aufgelöst.

„Die meisten deutschen Vtubenden haben gerade einmal an die hundert Follower. Für sie ist es schon ein riesiger Durchbruch, wenn sie zehn oder mehr Zuschauer haben. Ab hundert Zuschauern zählt man hierzulande schon zu den großen Vtubenden. Deshalb betreiben die meisten das Ganze als Hobby und maximal als Nebenverdienst.“

Die Motivation hinter Vtubing

Was macht deiner Meinung nach den besonderen Reiz am Vtubing aus, gibt es da eine besondere Motivation, die sich herauskristallisiert?

ZockMiku: Es gibt tatsächlich viele Gründe, wieso jemand mit Vtubing anfängt. Für viele ist es vor allem, dass man ein Gesicht hat, ohne sein eigenes Gesicht zeigen zu müssen. Man hat eine Form der persönlichen Entfaltung, bei der man seine Identität aber nicht preisgeben muss. Gerade introvertierte Leute oder solche, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, Stalking oder Ähnliches oder einfach bei Jüngeren wo die Eltern sagen, sie möchten es nicht, wenn man sein Gesicht zeigt.

Einer der besonderen Reize ist einfach, dass man in eine Rolle schlüpfen kann. Mit Vtubing kann man alles sein. Man kann einen normalen Menschen spielen, der beispielsweise über Mode oder Vtubing berichtet. Man kann aber auch ein Popidol sein, das eine Gesangskarriere anstrebt oder man ist ein gefallener Erzengel, der Dämonen auf der Erde jagt. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt und das ist einfach das Schöne am Vtubing. Das kann es auch für die Zuschauer interessant machen.

Wenn man StreamerInnen mit Facecam schaut, dann sitzt da halt immer diese eine Person. Wenn ich aber beispielsweise Yandere toll finde und dann eine Vtuberin finde, deren Persona genau das darstellt, dann kann ich wie bei einer Visual Novel in Echtzeit interagieren und so gemeinsam interessante Geschichten entstehen lassen.

Ein Hobby für flexible Budgets

Die Motivation hinter dem Hobby kann sehr vielseitig sein. Aber auch die Art und Weise der Umsetzung ist ebenso vielfältig. Es haben sich im Laufe der Zeit drei Arten von Modellen herauskristallisiert. Die 2D-Modelle sind optisch besonders nah an Anime, es gibt aber auch zahlreiche 3D-Vtuber. Gemeinsam haben diese beiden Modelle, dass zusätzliche Software und Hardware benötigt wird und auch der Rechner über ausreichende CPU- sowie GPU-Leistung verfügen muss.

Also im Prinzip kann jeder, der einen normalen Gaming-PC hat, mit Vtubing anfangen. Aber wie leicht ist denn der Einstieg ins Hobby?

ZockMiku: Prinzipiell ist Vtubing sehr einsteigerfreundlich. Klar, einen PC und eine Webcam oder ein Handy braucht man, aber davon abgesehen gibt es keine Einstiegshürden. Die gängige Software ist komplett kostenlos und es gibt im Internet zahlreiche kostenlose Modelle, mit denen man herumprobieren kann. Für 2D-Modelle gibt es beispielsweise das Programm Vtube Studio. Für 3D-Modelle wird üblicherweise VSeeFace genutzt. Da gibt es zwar keine fertigen Avatare, aber die kann man sich in Vroid Studio basteln, was ebenfalls kostenlos ist.

Das Streamen selbst kann man dann entweder vom Handy aus machen oder mit OBS, was ja auch viele Twitch-Streamer nutzen. Als Alternative für leistungsschwächere PCs bietet sich noch ein sogenannter pngTuber an, der nur aus zwei einzelnen PNGs, also Bildern mit transparentem Hintergrund, besteht. Über die Aufnahme- oder Streamingsoftware wird dann das erste Bild mit einem zweiten ausgetauscht, sobald das Mikrofon Ton aufnimmt. Die meisten haben da ein Bild mit offenem Mund und eins mit geschlossenem, zwischen denen beim Sprechen hin und her gewechselt wird.

Über Vroid Studio könnt ihr wie in einem Charakter-Editor eurer Modell zusammenstellen.

In 3D-Modelle kann man sich also mit Vroid Studio einarbeiten. Wer sich mit 3D-Programmen wie Blender auskennt, könnte dort auch ein komplett eigenes Modell erstellen, richtig? Aber wie sieht es da mit 2D-Modellen aus, wenn man sich keine Zeichenkünste aneignen möchte?

ZockMiku: Ja genau, man kann über Blender auch ein eigenes Modell erstellen, wenn man sich damit auskennt. Da sind dann natürlich noch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten offen. Für 2D-Modelle gibt es gerade auf Twitter sehr viele Künstler, die das anbieten. Wichtig ist hier, dass es mit dem Zeichnen des Modells nicht getan ist. Ein 2D-Modell muss auch noch geriggt werden, also so vorbereitet werden, dass es sich auch später richtig bewegen kann.

Manche Künstler bieten nur Rigging an, manche nur das Zeichnen des Modells, da die beiden Schritte einzeln für sich schon sehr aufwendig sind. Ein 2D-Modell kann man nicht auf einer Ebene zeichnen. Alles, was später animiert sein soll, muss auf einer eigenen Ebene sein. Da kommen schnell über hundert Ebenen zusammen. Beim Riggen später ist es ähnlich, da muss dann alles richtig verknüpft werden und man muss überlegen, wie sich die einzelnen Bausteine zusammenhängend bewegen. Zudem gibt es hierfür keine Ausbildung, das haben sich die KünstlerInnen alle selbst beigebracht.

Wenn man also ein gutes Modell mit Rigging haben möchte, geht das schnell in den vierstelligen Bereich. Die meisten KünstlerInnen setzen bei eintausend oder zweitausend Euro mit ihren Basismodellen an. Das lässt sich dann beliebig in die Höhe treiben, wenn man noch zusätzliche Outfits oder spezielle Animationen haben möchte. Wer sich dafür interessiert, kann beispielsweise auf dem Discord-Server von vArt vorbeischauen, da versammeln sich deutsche KünstlerInnen, die sich speziell mit Vtubing beschäftigen.

Vtube Studio ist die gängige Software für 2D-Modelle. Mit den vorgefertigten Modellen könnt ihr herumprobieren.

Uns ist aufgefallen, dass die deutsche Community sehr entgegenkommend zu sein scheint. Wie ist der allgemeine Zusammenhalt untereinander?

ZockMiku: Ja, Vtubing ist nicht nur eine Art, wie man streamt, sondern eine eigene Community wie beispielsweise Minecraft. Vtubing als Hobby ist das, was alle gemeinsam haben und wo sich die Interessen vereinen. Da kommt man gerne zusammen, um sich über das Thema auszutauschen. Und gerade weil es noch eine vergleichsweise junge Community ist, ist der Zusammenhalt besonders stark, da es wie jede neue Nische natürlich von der breiten Masse eher mit Argwohn beäugt wird.

Mir fällt da als Erstes die Zeit ein, als Anime noch neu in Europa war. Da hieß es auch wir gegen den Rest der Welt, das kannte keiner, das verstand keiner und Fernsehsender berichteten genauso viel Blödsinn darüber wie über Gaming. So was schweißt natürlich zusammen. Das ist in allen kleinen Szenen so. Um sich gegenseitig zu unterstützen, besucht man sich dann beispielsweise gegenseitig in Streams oder macht Collabs und Events zusammen.

Ich kann auch jedem die Discord-Server von unseren Partnern wie beispielsweise Vtality, Virtual Life oder Project VT sehr ans Herz legen. vSmile ist auch ganz toll, da finden einmal im Jahr zwei 12-Stunden-Streams statt, in denen Spenden für einen guten Zweck gesammelt werden. Der wird dieses Jahr im September sein.

Am Stand von BEAUTV auf der DoKomi 2023 konnten Vtubende ihre Postkarten und Sticker als Werbung auslegen.

Das erste deutsche Vtube-Magazin

Es gibt also sehr viele Anlaufstellen und sehr viele tolle Leute, die man kennenlernen kann. Da ist es gar nicht immer so leicht den Überblick zu behalten. Ein paar Vtubende habt ihr dieses Jahr in einem eigenen Magazin vorgestellt. Kannst du uns dazu ein bisschen erzählen?

Das Magazin kommt im handlichen DIN-A5-Format.

ZockMiku: Unsere Idee dazu kam daher, dass wir gerne etwas haben wollten, mit dem wir die Szene unterstützen können und das die Community genauer vorstellt. Wir haben erst mal geschaut, wie groß das allgemeine Interesse daran wäre. Wenn sich mindestens zwanzig Vtubende melden würden, dann würden wir das Magazin gerne umsetzen. Letzten Endes haben sich dann 44 Vtubende gemeldet und mit einem kleinen Unterstützungsbetrag von fünf Euro, um die Druckkosten zu decken, haben wir dann das Magazin erstellt und mit einer Auflage von 200 Exemplaren gedruckt.

Die Teilnehmenden haben dann jeweils ein Exemplar kostenlos zugeschickt bekommen und alle Interessenten können das Heft für drei Euro kaufen. Auf dem Anime Marathon hatte ich schon ein paar dabei, da sind schon ein paar Handvoll verkauft worden. Jetzt auf der DoKomi (Anmerkung: Die DoKomi lief vom 30. Juni bis 02. Juli 2023) haben wir knapp 150 noch dabei. Restexemplare können auch per Direktnachricht über BEAUTV auf Twitter bestellt werden.

Pläne für die Zukunft

Habt ihr noch weitere Magazine oder Events für die Zukunft geplant?

ZockMiku: Je nachdem wie das Interesse ist, könnte man überlegen noch mal eine zweite Auflage zu drucken. Eventuell kommt dann nächstes Jahr wieder ein Magazin raus, daher haben wir es auch dieses Jahr schon nummeriert. Größere Events sind für uns eher schwierig, da ich kein Auto habe. Dadurch ist es immer schwierig, viel Material zu transportieren.

Aber es gibt vereinzelte private Treffen, bei denen Vtubende zusammenkommen. Project VT hat auch überlegt, so was wie regelmäßige regionale Treffen zu veranstalten. Eventuell wird PixPia nächstes Jahr in der Region, wo sie herkommt, einen kleinen Stand auf lokalen Conventions betreiben. Dann gebe ich gelegentlich noch Workshops, wie jetzt den auf der DoKomi zum Thema Vtubing. Aber was Größeres ist vorerst nicht geplant.

Möchtest du uns noch Empfehlungen zu Vtubenden geben, bei denen wir mal vorbeischauen könnten? Und gibt es noch etwas, dass du unseren LeserInnen gerne sagen möchtest?

Erstmal mich selbst natürlich, klar, haha. Mein erstes Team-Mitglied PixPia. Auf jeden Fall auch unsere Partner, also Vtality, Project VT, Virtual Life. Das vSmile-Projekt, das ist ein Charity-Projekt, da ist beispielsweise FrauMauzenberger eine der Aktiven, die ich gerne empfehle. Die ist auch ein Urgestein der deutschen Szene und sehr supportive.

Das heißt, sie hat schon viele unterstützt, Fragen beantwortet und auch geholfen mit Vtubing anzufangen. Dann Salxi und Nessai, die den vArt-Discord-Server betreiben. Dann möchte ich noch den TomeLibera nennen, den Soba_San … und den xiimyr, er ist nämlich der einzige Pony-Vtuber in Deutschland!

Und an die LeserInnen: Wenn ihr Vtubing noch nicht kennt, dann beschäftigt euch gerne damit, schaut es euch mal an. Gerade, wenn ihr aus dem Bereich der japanischen Videospiele kommt, seid ihr wahrscheinlich mit der Anime-Kultur vertraut. Dann könnte euch das bestimmt auch gefallen, weil die meisten Vtubenden im Anime-Stil sind. Und die wiederum haben meistens ein Faible für JRPGs und die sind wieder im Anime-Stil und ja, so schließt sich der Kreis!

Bildmaterial: Eigene Fotos, JPGAMES.DE

3 Kommentare

  1. Ich bin ja eh nicht so in diesem Twitch Cosmos unterwegs. Ich verstehe warum jemand einen virtuellen Avatar verwenden will.

    Umgekehrt hätte ich aber eingeschätzt, dass das Publikum dafür überschaubar ist.

    Natürlich ist auch der reale Streamer immer ein Stück weit eine Kunstfigur oder bestenfalls eine Facette der realen Person, aber hier ist es doch sehr viel offensichtlicher. Natürlich könnte man auch argumentieren, dass die Person dahinter sich dafür ev. sogar realer verhalten kann im Schutz des Avatars.


    Mich würde mal interessieren, was für die Zuschauer da den Reiz ausmacht.

  2. Sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür! Habe eine Sängerin auf Youtube verfolgt, die irgendwann auch zur V-Tuberin wurde. Es war etwas seltsam, da man ihr Gesicht bereits zur Genüge kannte, womit der Vorteil der Anonymität dahin wäre. Da die Community manchmal toxisch oder Einzelpersonen sogar belästigend handeln können, ist der Wechsel auf einen Avatar in solchen Fällen sicher hilfreich. Aber die tatsächlichen Beweggründe fürs VTuben sie vermutlich so vielfältig wie die Kreativschaffenden dahinter.


    Durch das Interview hat man einen ausführlichen Einblick in die Szene bekommen und nachdem die Software dafür erstaunlicherweise kostenlos ist, ist es kein Wunder, das einige sich dazu entschließen über einen virtuellen Avatar mit ihren Fans zu kommunizieren. Gefällt den Fans ja scheinbar auch. ^^

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