Indie-Games sind schon lange keine Randerscheinung mehr. Für viele sind das mittlerweile sogar die Titel, die das Hobby ausmachen. AAA-Spielen der großen Studios fehlt es manchen meist an Innovation, Leidenschaft oder Feinschliff. Alles Aspekte, die im Indie-Bereich wesentlich stärker vertreten sind.
In der Vergangenheit haben wir oft erlebt, wie kleinere Projekte im selben Atemzug wie die Blockbuster desselben Jahres genannt wurden. Beispiele hierfür sind unter anderem Hades, Stray oder Rogue Legacy. Es gibt sogar mittlerweile Publisher wie Devolver Digital, die sich ausschließlich darauf beschränken, solche Videospiel-Perlen zu finden und auf den Markt zu bringen.
Ein beliebter, optischer Stil vieler Indie-Spiele ist ein Pixel-Look, der ein wenig wie aufgebohrtes 8- oder 16-Bit wirkt und an die guten alten Zeiten auf dem Super Nintendo, Sega Mega Drive oder NES erinnert. Oft geht das auch Hand in Hand mit dem Game-Design der Titel. Es wird von „klassischem Retro-Gameplay“ gesprochen. Und meistens sind diese Spiele wirklich großartig und lassen sich von den Meilensteinen der Vergangenheit inspirieren; damit ein Videogame sich allerdings wirklich „retro“ anfühlt, ist etwas mehr nötig.
Eine Frage des Respekts
Ich selbst bin mit dem NES aufgewachsen. Meine ersten Gaming-Erinnerungen gehören Tetris, Super Mario Bros. und DuckTales. Und ich finde durchaus, dass sich Spiele damals anders angefühlt haben. Und lange war mir nicht klar, was der Unterschied zwischen den Spielen der alten Schule und – in diesem Kontext – modernen Titeln war. Wieso fühlt sich ein The Legend of Zelda: Ocarina of Time so anders an als ein A Link to the Past?
Das erste Mal habe ich den klaren Unterschied zu einem Game im Retro-Look und einem Game mit Retro-Gameplay bemerkt, als ich Shovel Knight gespielt habe. Hier fühlte ich mich tatsächlich in meine Kindheit zurückversetzt. Der Titel machte irgendwas anders als der Rest. Und nachdem ich ein paar Stages der Plattformer-Perle hinter mich gebracht hatte, war es klar: Es respektiert mich als Spieler.
Und dieser Respekt äußert sich auf unterschiedliche Weise. Der offensichtlichste Aspekt ist, dass Shovel Knight meine Intelligenz respektiert hat. Das Spiel präsentierte mich nicht mit ausschweifenden Tutorials oder Textboxen. Es bot mir direkten Zugang zur Action und brachte mir all seine Mechaniken und Kniffe innerhalb des ersten Levels bei. Jeder Bildschirm der ersten Stage war liebevoll und mit Bedacht darauf aufgebaut, mir zu zeigen, wie ich die limitierten, aber komplett unterschiedlichen Aktionen des kleinen Schaufelritters nutzen kann, um im Spiel voranzukommen.
Diese Herangehensweise erfordert natürlich wesentlich mehr Hirnschmalz vonseiten des Level-Designers. Es wäre einfach eine Textbox aufploppen zu lassen, die mir jedes noch so kleine Detail zur Steuerung des Spiels verrät. Aber auf die Weise, wie Shovel Knight an diesen Aspekt herangeht, wird es mir als Spieler erlaubt, einen „Hurra“-Moment zu haben.
Und dies ist der nächste Punkt: Es respektiert meine Fähigkeiten. Das Spiel ist teilweise etwas knifflig, aber immer fair. Und es gibt mir die Möglichkeit eine Situation zu verstehen, zu meistern und daran zu wachsen. Der Weg wird zum Ziel. Etwas, das sich manche Spiele nicht trauen, in der Sorge, die Motivation der SpielerInnen zu verlieren.
Es ist diese Design-Entscheidung, die mich damals so für das Hobby begeistert hat, und die ich auch heute noch in Spielen suche. In den vergangenen Jahren waren die Games, die mich am meisten gefesselt haben, Titel, die genau diesen Ansatz verfolgt haben. Es waren Videospiele, in denen es mir erlaubt war, selbst zu lernen, zu verstehen und mir das Gefühl geben, dass meine Intelligenz, Zeit und Können respektiert werden.
Moderne Spiele, mit Retro-Mindset
Persönlich bin ich ein großer Fan dieser Sparte von Game-Design. Vielleicht bin ich darum auch leicht für Titel zu begeistern, die sehr viele Optionen bieten, ihre Mechaniken zu meistern. So spiele ich regelmäßig in Fighting-Game-Turnieren, um mich mit anderen zu messen, ich übe stundenlang Arcade-Games für den perfekten Lauf. Das macht für mich echtes „Retro“-Gefühl aus.
Und ein Spiel muss weder „klein“, noch Indie oder mit Pixel-Optik überzogen sein, um mir diesen speziellen Vibe zu geben. Mein liebster Titel aus 2022 ist Elden Ring. Es war das erste Soulsborne-Game, in welches ich mich wirklich investiert hatte. Und es war leicht zu sehen, warum die Spiele dieser Art von vielen so geliebt werden.
Ebenso erging es mir mit Tunic. Der Titel wurde aufgrund seines Designs schnell als eine Hommage an die Zelda-Reihe betitelt. Und auch spielerisch ist es einfach, diesen Vergleich zu ziehen. Allerdings geht es weit darüber hinaus, dass ihr einen Helden spielt, der ein Schwert schwingt und Rätsel löst.
Das Spiel gibt euch relativ wenig Informationen zu der Welt, den Items oder was ihr überhaupt tun müsst. Vieles davon müsst ihr selbst herausfinden. Zum Beispiel, indem ihr die Seiten der Spielanleitung findet, welche über die Welt verstreut sind. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr ein Game SpielerInnen respektieren kann. Tunic hat damit im späteren Verlauf einen der befriedigendsten „Eureka“-Momente, die ich seit Jahren erleben durfte.
Letztendlich ist es natürlich kein Qualitätsmerkmal, ob ein Spiel dieses Retro-Design vertritt. Jede/r SpielerIn hat andere Vorlieben. Für mich persönlich ist es aber ein Aspekt, den ich bei Games sehr genieße. Das geht auch meist damit einher, dass ich es mag, wenn ich direkt loslegen kann, ohne mich erst durch ein zähes Opening, welches mit Erklärungen gefüllt ist, zu quälen. Deshalb finde ich es auch immer schade, wenn ein Titel mit „Retro-Flair“ beworben wird, aber dies dann nicht über den Look hinausgeht.
Bildmaterial: The Messenger, Devolver Digital, Sabotage Studio; Elden Ring, Bandai Namco, FromSoftware; Tunic, Finji; Shovel Knight: Treasure Trove, Yacht Club Games; Steel Assault, Tribute Games