Titel | Gnosia |
30. April 2020 | |
Petit Depotto | |
4. März 2021 | |
Playism | |
4. März 2021 | |
Playism | |
System | Nintendo Switch |
Getestet für | Nintendo Switch |
Entwickler | Petit Depotto |
Genres | Sci-Fi Werwolf-like Simulation Adventure |
Texte | |
Vertonung | – |
Das Visual-Novel-Genre kann ein recht kreatives Vehikel sein, um SpielerInnen Geschichten auf besondere Weise nah zu bringen. Ob kombiniert mit verschiedenen Gameplay-Elementen oder auch einfach nur mit audiovisuellen Highlights gespickt, der Text und dessen tiefere Bedeutung regt die Sinne noch einmal auf eine andere Weise an, als es ein einfaches Buch zu vermitteln vermag.
Zwar sind der Kreativität innerhalb dieses Genres wohl kaum Grenzen gesetzt, doch die Einordnung eines Titels macht dieser Umstand nur umso schwieriger. Auch verschwimmen Genre-Grenzen gerne einmal. Ein „Danganronpa“ zum Beispiel schafft es, das Genre so dynamisch zu gestalten, dass man quasi vergisst, eine Visual Novel vor sich zu haben. Klassische Novels setzen hingegen mehr auf den Storyaufbau über kleinere Entscheidungen.
Indie-Entwickler Petit Depotto versucht mit „Gnosia“ ebenfalls einen kreativen Weg der Umsetzung. 2019 erschien der Titel bereits für PlayStation Vita in Japan, eine Version für Nintendo Switch folgte letztes Jahr. Nun ist auch endlich der Westen dran, einen Blick auf die mit einigen Preisen ausgezeichnete visuelle Geschichte zu werfen.
Kann ich dir trauen?
Kurz und oberflächlich zusammengefasst geht es im Spiel Gnosia darum, innerhalb einer Gruppe von Leuten die außerirdischen Lebensformen namens Gnosia ausfindig zu machen. Diese sind den anderen Bewohnern der Raumstation feindlich gesonnen und trachten nach deren Leben. Durch Diskussionen muss man nun herausfinden, wer sich unnatürlich benimmt, um diese Person schließlich aus dem Gefecht zu ziehen. Das Spielprinzip ist also dem Spiel „Werwolf“ oder, um bei Videospielen zu bleiben, „Among Us“ ähnlich.
Klingt recht simpel, jedoch ist der Clou darin, dass man die Personen zu Beginn überhaupt nicht einschätzen kann. Auf der Raumstation tummelt sich ein Mischmasch an Leuten, die aus verschiedenen Ecken des Universums stammen und somit das binäre Verständnis von Gut und Böse gerne das ein oder andere Mal auf den Kopf stellen. Auch wird man immer wieder in die Diskussionsphasen hineingeworfen, ohne wirklich viel mehr über die anderen herausfinden zu können.
Gnosia schafft so eine Atmosphäre der Unsicherheit und spielt hier auch ein wenig mit der Psyche der SpielerInnen. Da sich die anderen Spielfiguren im gleichen Dilemma wiederfinden, bekommt man hier oft den Spiegel vorgehalten, wenn es zum Beispiel um eine ungewöhnlich aussehende Person geht und diese allein deswegen schon als unglaubwürdig eingestuft wird. Dieses Verhalten letztlich zu erkennen ist aber dann auch der Schlüssel, die Geschichte erfolgreich voranschreiten zu lassen.
Wer bist du wirklich?
Um die Vorurteile letztendlich abzubauen und das Spiel zu verstehen, gilt es, die einzelnen Charaktere besser kennenzulernen. Hier hat man augenscheinlich nicht wirklich aktiv die Möglichkeit, eine Person zum Reden auszusuchen, sondern muss darauf warten, dass sich ein Eventmarker auftut. Zwar kann und sollte man außerhalb der Diskussionen auch einfach eine Person treffen, um mögliches suspektes Verhalten festzustellen, allerdings beschränken sich diese Gespräche meist nur auf einen Satz.
Auch wenn die Events, wie erwähnt, den Anschein machen, komplett willkürlich aufzutauchen, so beeinflusst man diese dennoch in den eigentlichen Diskussionsrunden. Verteidigt man bestimmte Personen oder beschuldigt andere, erhöht man unbewusst die Wahrscheinlichkeit für so ein Event und schließlich ein wichtiges Detail über den ausgewählten Charakter. Der Verlauf des Spiels ist somit recht undurchsichtig. Vor allem wenn man nicht wirklich an die Hand genommen wird beziehungsweise glaubt, nicht wirklich Kontrolle zu besitzen. Als Belohnung wird man allerdings mehr und mehr mit der Welt, einer überzeugenden Geschichte und deren Geheimnisse sowie den exzentrischen und ungewöhnlichen Charakteren vertraut.
Man muss sich also schließlich auf die Charaktere einlassen, ihnen helfen, sie verteidigen und besonders auf die einzelnen Reaktionen achten. Das wird im Laufe des Spiels auch einfacher, besonders wenn man mehrere Diskussionsrunden überstanden hat und Erfahrungspunkte sammelt. Ein wichtiger Bestandteil in Gnosia ist nämlich auch das RPG-Element.
Landkarte der Seele
Kommt man an dem Punkt an, an dem man die Kriterien der Runde erfüllt hat, erhält man Erfahrungspunkte, die man dann zwischen den Runden in Charakterwerte stecken kann. Zu Beginn startet man mit fünf frei verteilbaren Statuspunkten, die in Gnosia nicht Werten wie Stärke, Ausdauer etc. zugutekommen, sondern auf Persönlichkeitswerte verteilt werden. Hier geht es um Logik, Charisma, die geistige Leistungsfähigkeit oder andere.
Diese Werte helfen dann zum Beispiel dabei, neue Fähigkeiten zu erlernen oder allgemein überzeugender in den Diskussionen hervorzugehen. In einer Weise kann man also so die Diskussionen mit Kämpfen in einem RPG vergleichen. Grinden kann man diese Werte ebenso und erhält, wie auch in dem Vergleich zu einem RPG, dadurch einen Vorteil gegenüber den „Gegnern“. Im Gegenzug muss man sich dann zu Anfang des Spiels auch mehr zurückhalten, um nicht gleich als suspekt zu gelten und frühzeitig auszuscheiden.
Gnosia nutzt so altbekannte Mechaniken auf einer geistigen Ebene und lässt auch hier den SpielerInnen theoretisch offen, wie sie sich letztlich entwickeln wollen, um siegreich aus den Duellen hervorzugehen. Betrachtet man das Spiel also aus diesem Sichtwinkel, fällt es auch etwas einfacher darüber hinwegzusehen, dass die Diskussionen oft repetitiv ablaufen und man erst später wirklichen Einfluss auf den Verlauf des Gesprächs hat. Interessant ist dieses Konzept allemal. Ungeduldige dürfen aber auch gern durch die Gesprächsduelle durchklicken – sprich den Autokampf aktivieren.
Ästhetik im All
Gnosia besticht nicht nur durch sein interessantes Gameplay-Konzept, sondern besonders durch das visuelle Design. Viele Visual Novels sind zwar für deren künstlerische Darstellung bekannt, aber das sollte nicht davon abhalten, dieses auch in Gnosia überschwänglich zu loben. Der Stil erinnert an ausgefeilte Bleistiftzeichnungen, wie man es meist bei detaillierten Concept Arts sieht, bevor kalte 3D-Modelle darüber gelegt wurden.
Heutzutage sieht man auch oft diese absolut sauberen Linien und blassen Farben in vielen „modernen“ Spielen mit gezeichneten Charaktermodellen. In Gnosia geht man bewusst den imperfekten Weg, setzt auf Farben, ungewöhnliche Designentscheidungen und grobe Striche. Wirklich künstlerisch und absolut ästhetisch. Besonders in den Eventszenen weiß man designtechnisch noch einmal einen draufzulegen. Liebe EntwicklerInnen, bitte weniger „clean“ und mehr Mut zu solchen Designs, danke.
Durchaus interessant ist auch das minimalistische Sounddesign. Zwar gibt es nur wenig verschiedene Stücke, allerdings werden auch diese auf die ein oder andere Weise in den Gameplay-Verlauf eingebunden. Steht man beispielsweise unter Verdacht, spielt eine andere, etwas angespanntere Musik. Schafft man es nun, die anderen vom Gegenteil zu überzeugen, ändert sich die Atmosphäre hörbar. Ein wichtiger, aber auch subtiler Indikator in einem Spiel, was so ziemlich alles eher unter dem Radar belässt. Auf eine Sprachausgabe hat man dazu ebenfalls verzichtet.
Vertraust du mir?
Gnosia ist in seiner Basis eine Visual Novel, darüber muss man sich vorher im Klaren sein. Viel Text, viele subtile Anspielungen und viel zum Nachdenken, gerade auf der Metaebene. Das Spiel spielt mit menschlichen Schwächen, Vorurteilen und emotionaler Manipulation, schafft es dabei aber, selbst niemals ausschließend oder verurteilend zu sein. Da die Geschichte viel Stoff zum Nachdenken liefert, könnte man fast sagen, dass Gnosia womöglich den größten Impact in den Köpfen der SpielerInnen haben wird.
Die interessante Symbiose aus RPG und Werwolf-Simulator bringt das eigentliche Gameplay besonders im späteren Verlauf zum Strahlen. Zwar fehlt es durch die fehlende Interaktion anderer menschlicher Spieler zuerst etwas an Dynamik, aber wenn man darüber hinwegsehen kann, dann warten eine durchaus interessante Welt, Geschichte und vor allem herausragende Charaktere.
Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen macht dann noch das künstlerisch wertvolle Design des Spiels. Gnosia ist somit definitiv einen Blick wert, besonders, wenn man sich mit unaufgeregten Visual-Novel-Konzepten anfreunden kann.
Story
Gameplay
Grafik
Sound
Bildmaterial: Gnosia, Playism, Petit Depotto