Sind Zufallskämpfe noch zeitgemäß? Man könnte meinen, ich bin mit dieser Frage 15 Jahre zu spät dran. Tatsächlich kommen heutzutage auch die meisten japanischen RPGs – auch die mit rundenbasierten Kämpfen – ohne Zufallskämpfe aus. Ist das gut so? Im Folgenden möchte ich das Thema von mehreren Seiten beleuchten – und hervorheben, welche Spiele es richtig und falsch gemacht haben.
Ein Relikt der Vergangenheit?
Zufallskämpfe waren über mehr als zwei Jahrzehnte der Standard in japanischen RPGs. In Final Fantasy waren sie bis Final Fantasy X-2 an der Tagesordnung und Dragon Quest hat sie erst mit dem neunten Teil abgeschafft. Zu frühen rundenbasierten Spielen, die die Gegner bereits auf der Karte anzeigen, gehören die Romancing-SaGa-Reihe und Chrono Trigger.
Mit der Zeit sind dann stetig mehr Spiele in diese Richtung gegangen. Bereits zu PS1-Zeiten war es nicht allzu selten (vgl. Grandia), spätestens mit dem Sprung ins HD-Zeitalter wurden Zufallsbegegnungen eher zur Ausnahme.
Das Subgenre der Dungeon-Crawler wie Etrian Odyssey, in denen Zufallskämpfe Teil der Grundformel sind, soll hier explizit nicht betrachtet werden.
Aber was sind überhaupt „Zufallskämpfe“?
Man läuft über die Karte, plötzlich leitet eine Animation zum Kampfbildschirm über und man stellt sich einer Gruppe von Gegnern, die man zuvor nicht gesehen hat und deren Zusammenstellung zufällig erfolgt. Man weiß also weder wann ein Kampf beginnt, noch gegen was man kämpft.
In älteren Spielen, die Spieler mit mehr dieser Kämpfe bombardierten, als ihnen lieb war, hat dies häufig besonders im späteren Spielverlauf zu Frust geführt. Während ausgewählte Spiele die Zufallskämpfe durchaus als strategische Gameplay-Komponente nutzten, die Ressourcenmanagement erforderte, gingen schon früher die wenigsten Spiele in diese Richtung. Meistens hatte man Heilmöglichkeiten im Überfluss. Im Laufe der Zeit ist auch der Game-Over-Bildschirm immer mehr in Verruf geraten und viele neuere Spiele gehen gar nicht erst so weit, den Spieler bei einer Niederlage Spielabschnitte wiederholen zu lassen.
Der Reiz des Unbekannten
Bei allen nervigen Aspekten haben für mich Zufallskämpfe aber auch immer einen Reiz, der von vielen Spielen mit sichtbaren Gegnern nicht reproduziert wird: den Überraschungseffekt. Dass man nie genau weiß, gegen was man kämpft, sorgt für eine gewisse Aufregung. Natürlich lässt diese schnell nach, wenn man merkt, dass man in Rotation immer nur gegen die gleichen fünf Monster kämpft. Doch viele Spiele haben es ein wenig spannender gemacht und Gegner eingebaut, die nur selten zu finden sind, unter bestimmten Bedingungen auftauchen oder einen bestimmten Kniff besitzen.
Vielen Spielen mit sichtbaren Gegnern fehlt dieser Reiz. Oft sind es stets die gleichen Gegner, die in gleicher Konstellation an den gleichen Orten auftauchen – da gibt es keinen Überraschungseffekt. Natürlich gibt es auch einige Spiele, die nach dem Zufallsprinzip oder geknüpft an andere Bedingungen verschiedene Arten von Gegnern auftauchen lassen. Das ist wiederum etwas aufregender – aber leider keine Selbstverständlichkeit.
Zufallskämpfe mit Kompromissen
Einige Entwickler haben schon vor Jahrzehnten erkannt, dass Zufallskämpfe nervig werden können, wollten aber dennoch nicht auf sie verzichten. In RPGs sind daher oft Items vertreten, die die Häufigkeit der Kämpfe reduzieren oder sie ganz unterbinden – je nach Spiel uneingeschränkt oder aber wenn der Spieler stärker als die Gegner ist.
Die Wild-ARMs-Serie ist allerdings noch einen Schritt weitergegangen. Im zweiten und dritten Teil kann man per Knopfdruck sich anbahnenden Kämpfen aus dem Weg gehen (wenn auch nicht uneingeschränkt), in den neueren Spielen kann man sie in Dungeons deaktivieren, wenn man einen bestimmten Ort erreicht hat.
Ein anderer Kompromiss, den man beispielsweise bei Shin Megami Tensei IV, den Persona-Spielen oder Final Fantasy XIII-2 sieht, ist, Gegner auf der Karte zu verschleiern. Man sieht den Gegner etwa als Schattengestalt auf der Karte, aber erst bei Initiierung des Kampfes wird die eigentliche Identität enthüllt.
Und dann gibt es natürlich auch Spiele ohne separaten Kampfbildschirm, die aber trotzdem eine deutliche Zufallskomponente und Variation bei den auftauchenden Gegnern haben.
Wo funktioniert es nicht?
Ich denke, jeder, der einmal Romancing SaGa angerührt hat, wird schon früh frustriert von den vielen Gegnern auf der Karte gewesen sein. Die Gegner tauchen in solchen Mengen auf, dass man sie kaum vermeiden kann und respawnen zudem noch so schnell, dass man letztlich sicher mehr kämpft als in Spielen mit Zufallskämpfen. So macht das keinen Spaß.
Das kürzliche erschienene Final Fantasy VII Remake hingegen hat wenig Spannung und Variation bei der Auswahl der Gegner zu bieten. Es tauchen stets an ausgewählten Orten im Spiel ausgewählte Gegner auf. Nicht nur ist die Zahl der Schauplätze zum Kämpfen im Gegensatz zu anderen Spielen eher begrenzt, sondern man hat auch in der Regel keinen Mehrwert dadurch, Gebiete ein zweites Mal zu besuchen. Es handelt sich also quasi fast schon um geskriptete Kämpfe. Dieses Phänomen ist natürlich nicht neu und auch in vielen anderen Spielen anzutreffen.
Wo funktioniert es?
Das Paradebeispiel dafür, wie man die Welt und das Gameplay durch die Auswahl und das Auftauchen von Gegnern spannend gestalten kann, ist nach wie vor Final Fantasy XII. Die Gegner variieren merklich, bei unterschiedlichen Wetterlagen können gänzlich andere Monster auftauchen und das Spiel hat viele Dutzend besondere Gegner zu bieten, die nicht nur als Teil von Mob-Jagd-Nebenaufgaben auftauchen, sondern unter einer Vielzahl von Bedingungen im normalen Spiel.
Diese Gegner sind in der Regel deutlich stärker als normale Gegner und warten häufig mit seltenen Gegenständen auf. Die Bedingungen für ihr Auftauchen sind dabei vielfältig und so kann man selbst nach Stunden im gleichen Gebiet noch von neuen Gegnern überrascht werden. Auch wenn einige Bedingungen vielleicht etwas zu obskur sind, motiviert dieses System sehr.
Auch Final Fantasy XIII-2 hat einen guten Mittelweg gefunden. Die rundenbasierten Kämpfe laufen in einem separaten Kampfbildschirm ab, aber die Gegner tauchen als Schatten auf der Karte auf. Sie laufen aber nicht durch die Spielwelt, sondern tauchen erst kurz vor der Begegnung auf – und können vom Spieler in der Regel vermieden werden.
Selbst Pokémon schafft Zufallsbegegnungen ab – zumindest so halb
Mit Pokémon Let’s Go konnte man in der Serie die Pokémon, denen man begegnet, erstmals vorher auf der Karte sehen – erst eine Berührung löst den Kampf aus. Diese Praktik wurde in Pokémon Schwert und Schild weitergeführt. Allerdings gibt es auch „unsichtbare“ Gegner, die man durch raschelndes Gras erkennt, deren Identität man aber erst im Kampf sieht. Im Spiel sind also zwei verschiedene Arten von Begegnungen vorhanden.
Gerade in der großen Naturzone ist es natürlich sehr aufregend, wenn man eine Vielzahl von Pokémon in ihrem natürlichen Terrain durch die Gegend laufen sieht. Auch haben Wetterbedingungen einen Einfluss und es gibt eine gewisse Zufallskomponente. Mir persönlich hat das viel Spaß gemacht. Dennoch muss ich sagen, dass ich die Aufregung, erst bei Gegnerkontakt zu wissen, gegen was man kämpft, ein bisschen vermisst habe. Diese Komponente war zwar auch im Spiel implementiert, aber eher halbherzig an ausgewählten Orten.
Fazit
Zufallsbegegnungen in ihrer ursprünglichen Form haben in heutigen Spielen nur noch wenig zu suchen. Das ist, denke ich, auch der allgemeine Konsens. Häufig wird in Spielen ohne Zufallsbegegnungen aber gerade der Reiz des Zufalls vernachlässigt – es gibt zu wenige Überraschungen und zu wenig Abwechslung.
Letztlich gibt es positive Beispiele in beide Richtungen. Einerseits Spiele mit Zufallsbegegnungen, die den Frustfaktor durch entsprechende Vermeidungsmechaniken gering halten. Andererseits Spiele ohne Zufallsbegegnungen, die aber reichlich Vielfalt bei den Gegnern bieten und auch ein mehrfaches Erkunden derselben Gebiete belohnen.
Ich will mich also letztlich nicht für oder gegen Zufallsbegegnungen positionieren, aber betonen, wie wichtig ich es finde, den Reiz des Unbekannten zu nutzen. Das muss nicht immer durch Zufall sein, aber sollte in irgendeiner Form stattfinden. Rollenspielen, in denen alle Kämpfe vorhersehbar sind und die bei der Erkundung keine Überraschungen bieten, fehlt meiner Meinung nach nämlich etwas Wesentliches.
Artikelbild: Romancing SaGa, Square Enix