Bildmaterial: Shenmue III, Crowdfunding, Deep Silver / Ys NET
Die Idee des Crowdfundings existiert schon lange, doch vor etwa sechs Jahren wurde das Finanzierungsmodell im Bereich der Videospiele auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter populär. Kleine Indie-Entwickler sahen ihre Chance, sich Vollzeit auf die Spieleentwicklung konzentrieren zu können, doch auch namhafte Entwickler wagten den Sprung in die Unabhängigkeit.
Mehr als ein halbes Jahrzehnt sind seitdem nun vergangen. Dass die anfängliche Euphorie verflogen ist, wird niemand leugnen. Schlechte Kommunikation, Missmanagement, Verschiebungen und Produkte, die hinter den Erwartungen zurückblieben, sorgten für einige Ernüchterung bei Fans und Unterstützern.
Auf der anderen Seite sorgte das Crowdfunding auch für eine Reihe von hochgelobten Titeln wie Undertale, Divinity: Original Sin, The Banner Saga, Shovel Knight und Hollow Knight. Mit langersehnten Titeln wie Shenmue III und Indivisible am Horizont möchte ich auf die Aufs und Abs dieser sechs Jahre zurückblicken.
Große Namen ohne klaren Plan,…
Der richtige Kickstarter-Hype für Videospiele begann vermutlich dann, als berühmte Entwickler auf die Plattform zogen: Keiji Inafune (Mega Man) und Koji Igarashi (Castlevania) setzten auf ihre Fans, um spirituelle Nachfolger der Serien, für die sie berühmt wurden, zu finanzieren. Yooka-Laylee ließ Banjo-Fans auf die würdige Fortsetzung hoffen, die sie nie bekamen. Das mittlerweile vergessene Unsung Story warb mit der Mitwirkung von Yasumi Matsuno (Final Fantasy XII), Project Phoenix mit Nobuo Uematsu – beide befinden sich seit Langem im Limbo.
Schnell stellte sich heraus, dass gerade diese Entwickler mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Videospielindustrie Probleme hatten, ihre Visionen auf unabhängiger Basis zu realisieren. Diese Projekte warben meist mit Konzeptbildern, Beschreibungen und bestenfalls kleinen Prototypen. Das Projektmanagement – von der Realisierbarkeit über die Finanzierung bis hin zur Erfüllung der Belohnungen – stellte sich häufig als katastrophal heraus, von der Einhaltung geplanter Deadlines mal ganz zu schweigen.
So kam es, dass auch Projekte, die massiv überfinanziert wurden, selbst nach vielen Monaten noch kaum Ergebnisse vorweisen konnten. Oder – wie z. B. Mighty No. 9 und Yooka-Laylee – deutlich schlechter aussahen, als Fans es sich erhofft hatten.
Niemand hatte böse Intentionen. Wütende Fans mögen von „Betrug“ oder „Veruntreuung von Geldern“ sprechen – das finde ich sehr kurzsichtig. Dennoch haben diese Projekte durch ihr schlechtes Management und unzureichende Kommunikation dafür gesorgt, dass das Vertrauen ins Crowdfunding merklich beschädigt wurde – oft auf Kosten kleiner Indie-Entwickler. Das nehme ich diesen Projekten bis heute übel.
…Indie-Entwickler mit klaren Visionen?
Vorweg: Nicht alle Großprojekte waren Fehlschläge. Die Divinity-Spiele beispielsweise erfuhren höchstes Lob und Bloodstained wurde nach langer Wartezeit ziemlich positiv aufgenommen.
Doch für kleinere Projekte stellte sich Crowdfunding unter dem Strich dennoch als deutlich passender heraus. Mir sind zwar keine Projekte bekannt, die ihre ursprünglich geplante Deadline einhalten konnten. Dennoch gibt es reichlich Beispiele für Indie-Projekte kleiner Entwicklerteams, die positiv oder gar überschwänglich aufgenommen wurden.
Während auch bei Indie-Entwicklern bisweilen Funkstille herrschte, gab es viele, die regelmäßig und ehrlich mit ihren Unterstützern kommunizierten, ja, sogar kleine Communitys um sich aufbauten. Das deutsche RPG CrossCode beispielsweise wurde trotz mehrerer Verschiebungen von Fans sehr positiv dafür aufgenommen, dass die Entwickler den Projektfortschritt regelmäßig und transparent bekanntgaben.
Ein weiterer Unterschied: Oftmals hatten Indie-Entwickler bereits vollwertige Demo-Versionen oder handfestes Bild- und Videomaterial vorzuweisen, das Spielern ein deutlich klareres Bild lieferte als bloße Konzeptbilder.
Solche Projekte habe ich immer deutlich lieber unterstützt. Rückblickend waren vielleicht nicht alle davon große Würfe, aber bei keinem Projekt, dem ich mein Geld gab, habe ich es letztlich bereut. Bei einigen war ich sogar sehr froh.
Natürlich darf man nicht zu sehr verallgemeinern. Auch Indie-Projekte mit schlechtem Management gab und gibt es. Doch gerade die große Welle an Enttäuschung und Empörung geht auf die Entwickler zurück, die es eigentlich besser hätten wissen sollen.
Was viele vergessen: Die Grundidee von Crowdfunding ist nicht, im Gegenzug für Geld ein Produkt zu erhalten, sondern vielversprechenden Projekten zur Realisierung zu verhelfen – mit allen Risiken und Unsicherheiten, die das mit sich bringt.
Crowdfunding als Vorbestell- und PR-Plattform
Spätestens mit Shenmue III stellte sich heraus, dass Crowdfunding enormes PR-Potential hatte. In der E3-Pressekonferenz 2015 kündigte Sony die Kickstarter-Kampagne so prominent an, dass sie binnen kürzester Zeit zum beliebtesten Videospiel-Projekt in der Geschichte des Crowdfunding wurde.
Doch mit der Zeit wurde klar, dass auch ein Betrag von 7 Millionen US-Dollar (von denen natürlich bei Weitem nicht alles für die Entwicklung genutzt werden konnte) nicht furchtbar viel für ein AAA-Videospiel ist. In der Kampagne wurde suggeriert, das Projekt sei alleinig von der direkten finanziellen Unterstützung der Fans abhängig. Dass die Zusammenarbeit mit einem Publisher geplant war, wurde bequemerweise unterschlagen und auch die Rolle Sonys zunächst totgeschwiegen. Yu Suzuki entschuldigte sich später für die Intransparenz. Ein kürzlicher Deal mit Epic Games, laut dem das Spiel für PCs zunächst exklusiv im Epic Games Store vertrieben wird, sorgte für weiteren Unmut.
Womöglich wäre Shenmue III ohne eine Kickstarter-Kampagne nie zustande gekommen. Doch das Projekt war niemals als unabhängiges Crowdfunding-Projekt geplant. Nur erschien dies als eine komfortable Möglichkeit, das Projekt zu vermarkten.
Crowdfunding wurde auch im Publishing-Bereich mehr und mehr als Marketing-Instrument und Vorbestell-Plattform missbraucht. Die ursprüngliche Intention, Projekte, die anders nicht realisierbar waren, zu „kickstarten“, ging leider häufig verloren.
Sechs Jahre später: Ein Fazit
Noch nie war es für unbekannte Indie-Entwickler leichter, mehrere zehntausend Dollar mittels Crowdfunding zusammenzubekommen. Doch es ist betrüblich, dass das mediale Interesse an Projekten, die nicht mit großen Namen werben können, so sehr nachgelassen hat, dass selbst vielversprechende Projekte es schwer haben, überhaupt wahrgenommen zu werden. Das war nicht immer so.
Über die Jahre haben gecrowdfundete Videospiele für viel Euphorie, aber auch viel Enttäuschung gesorgt. Noch immer bin ich ein großer Fan des Crowdfunding-Konzepts und denke, ein prüfender Blick auf die Projektpräsentation gibt durchaus Auskunft über die Erfolgschancen. Es sollte aber mittlerweile allen klar sein, dass diese Art der Finanzierung sich bestenfalls für mittelgroße Videospielprojekte eignet. Alles andere ist bei einem klassischen Publisher vermutlich besser aufgehoben.
Die goldene Zeit des Crowdfunding scheint im Videospiel-Bereich jedenfalls vorbei zu sein. Ich hoffe, dass diese direkte Verbindung zwischen Entwicklern und Fans in irgendeiner Form erhalten bleibt.
Vielleicht können sich in Zukunft durch Plattformen wie Patreon, über die Fans kontinuierlich kleinere Beträge beisteuern und jederzeit aussteigen können, neue Wege eröffnen. Dieses Modell könnte viele der Probleme des klassischen Crowdfunding lösen und neue Möglichkeiten eröffnen.
Letzten Endes bin ich dankbar für all die tollen Spiele, die es ohne Crowdfunding heute nicht geben würde. Nicht alles, was glänzte, stellte sich als Gold heraus. Doch ich war immer froh, Teil von all dem gewesen zu sein und bin gespannt, was die Zukunft für neue Möglichkeiten und Entwicklungen bringen wird.
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