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Im Test! Root Letter

TitelRoot Letter
Japan16. Juni 2016
Kadokawa Games
Nordamerika01. November 2016
PQube
Europa28. Oktober 2016
PQube
SystemPS Vita, PS4
Getestet fürPS Vita
EntwicklerKadogawa Games
GenresVisual Novel, Mystery

Root Letter stellt den Anfangstitel von Kadokawa Games‘ Visual-Novel-Mystery-Reihe dar und entführt den Spieler nach Japan in die Präfektur Shimane, um dort einen geheimnisvollen Fall zu lösen. Interessant ist vor allem die Darstellung des Spiels, da sich hierbei an alten japanischen Adventure-Style-Spielen orientiert wurde und die Charaktere sowie Inhalte erwachsener herüberkommen. Ob sich der Ausflug nach Japan auch wirklich lohnt, erfahrt ihr in unserem Test!

Die geheimnisvolle Brieffreundin

Ihr schlüpft in die Rolle des 32-jährigen Takayuki, der eines Tages an seine Brieffreundin aus Schultagen zurückerinnert wird. Beim Überfliegen der alten Briefe fällt ihm jedoch etwas Seltsames auf – ein Brief ist noch ungeöffnet und es befindet sich keine Briefmarke darauf. Takayuki erinnert sich nicht daran, diesen je bekommen zu haben, aber da der Absender seine Brieffreundin, Aya Fumino, ist, beschließt er den Brief zu lesen. Der Inhalt besteht nur aus wenigen Sätzen, die rätselhafter und unheimlicher nicht hätten sein können. Aya schreibt, dass sie jemanden umgebracht hätte und deswegen nicht mehr mit ihm schreiben könne. Ist das der Grund, warum damals, vor 15 Jahren, plötzlich der Kontakt abgebrochen ist?

Sichtlich verwirrt von dem Geständnis beschließt Takayuki, dem Ganzen auf den Grund zu gehen und reist kurzerhand nach Matsue, Ayas Wohnort. Dort angekommen, muss er schnell feststellen, dass es nicht so einfach werden wird, seine Brieffreundin ausfindig zu machen, denn die angegebene Adresse führt ihn zu einem leeren Feld. Das sich einstmals dort befindliche Haus soll, laut Anwohnern, vor 15 Jahren komplett niedergebrannt sein. Eine Aya Fumino wohnte dort tatsächlich, aber sie ist bereits vor 25 Jahren an einer Krankheit gestorben. Natürlich ergibt das für Takayuki wenig Sinn, zumal er regelmäßig mit Aya geschrieben hatte. Aber zum Glück ist das nicht die einzige Spur, der er nachgehen kann und so begibt er sich auf die Suche nach Ayas ehemaligen Klassenkameraden, von denen sie in ihren Briefen geschrieben hatte.

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Eines der hübschen Event-Bilder im Spiel

Die Handlung rund um Root Letter klingt nach einer spannenden Murder-Mystery-Geschichte, die an einem Ort spielt, der wirklich existiert. Anfangs wird gut Spannung aufgebaut, zumal das Rätsel um die Brieffreundin des Protagonisten immer geheimnisvoller wird und keiner so wirklich darüber reden möchte. Eure Hauptaufgabe wird es sein, die ehemaligen Klassenkameraden zu finden, von denen ihr nur die Spitznamen kennt und diese auszufragen. Um das zu bewerkstelligen, müssen Leute befragt und Hinweise sowie Beweisstücke aufgetrieben werden.

Damit die Detektivarbeit ein wenig interessanter gestaltet wird, wurde die Visual Novel mit einigen Spielmechaniken versehen. Von der Gestaltung her erinnert es sehr an alte japanische Adventure-Style-Spiele und lässt sich ansonsten auch mit Titeln wie Ace Attorney vergleichen. Auf der rechten Seite des Bildschirms wird euch ein Menü mit verschiedenen Befehlen aufgeführt, von denen ihr regelmäßig Gebrauch macht, um in der Handlung voranzuschreiten. Damit könnt ihr zum Beispiel die Orte wechseln, Dinge genauer untersuchen, mit Leuten reden und sie befragen oder ihnen Objekte zeigen, die sich in eurem Inventar befinden. Zudem gibt es noch die Denken-Funktion, die immer dann zum Zuge kommt, wenn ihr einmal nicht weiter wisst. Weiß Takayuki nicht genau, wo sich der nächste Ort befindet, den er aufsuchen möchte, so hilft oft auch ein Blick in den Reiseführer. Der letzte Menüpunkt ist euer Smartphone, mit dem ihr das Spiel speichern und laden könnt. Leider ist Root Letter etwas geradlinig ausgelegt, das heißt, dass ihr meistens nur die Menüpunkte nutzen könnt, die das Spiel in dem Moment von euch verlangt. Ihr könnt die Umgebung nur dann untersuchen, wenn es gerade auf dem Plan steht und auch das Inventar lässt sich nicht jederzeit aufrufen. Beliebig mit Leuten zu reden ist ebenso wenig drin. Mehr Freiheiten wären hier wünschenswert gewesen.

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Das Minispiel in Aktion

Am Ende eines jeden Kapitels konfrontiert ihr einen der ehemaligen Klassenkameraden im sogenannten Investigation Mode. Hier gilt es, die richtigen Dinge zu fragen und Beweise zur passenden Zeit hervorzubringen, um so die Person in die Enge zu treiben und zum Reden zu bringen. Wer hierbei fünf Fehler macht, muss wieder ganz von vorne anfangen. Ein kleines Minispiel ist auch mit von der Partie. Der Max Mode stellt sich allerdings schnell als unnötig und nervig heraus, weil es nie so ganz ersichtlich ist, welcher Satz vom Spiel verlangt wird. Dargestellt wird das Ganze in einem Kreis, unterteilt in mehrere Abschnitte.

Jeder Abschnitt zeigt einen anderen Satz und ihr müsst herausfinden, welcher davon am besten zur jeweiligen Situation passt. Die sich steigernde und wieder senkende Leiste im richtigen Moment zu stoppen erweist sich nicht immer als einfach und stellt eher ein Hindernis zum Weiterkommen dar. Es wirkt gerne mal unpassend eingesetzt, zudem irritiert es enorm, dass die Sätze von dem abweichen, was Takayuki im Anschluss sagt. Es wirkt so, als hätte man nicht darauf geachtet, sie einheitlich zu übersetzen. Insgesamt fehlt im Investigation Mode ein wenig die Herausforderung, weil es anhand des Gesprächs oft leicht ersichtlich ist, was als nächstes benutzt werden muss. Trotzdem bringt es Spaß und stellt auch den spannendsten Abschnitt eines Kapitels dar, besonders wenn man gerne mehr über die Charaktere und ihre Vergangenheit erfahren möchte.

Ein unwillkommener Gast

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Ein Beispiel des etwas eigensinnigen Erzählstils

Leider kommt die Präsentation der Geschichte und wie sie geschrieben ist weitgehend steif und langweilig herüber, was gerade bei einer Visual Novel, die dem Mystery-Genre zugeordnet ist, nicht vorkommen sollte. Alleine der Erzählstil ist als merkwürdig und störend zu bezeichnen, gerade weil der Protagonist als Erzähler fungiert, aber gleichzeitig auch noch allgemeine Beschreibungen vorhanden sind. Das heißt, ihr bekommt einen Ort beschrieben, dann gibt der Protagonist bekannt, dass er an diesem Ort angekommen ist, nur um im Anschluss dies noch einmal laut auszusprechen. Da alles gerne noch stur übersetzt ist und so die Sätze alle fast gleich klingen, kann man hier schon fast sagen, dass sich der Schreibstil auf einem laienhaften Niveau befindet.

Damit hört es leider noch nicht auf. Man möchte meinen, dass sich die unterschiedlichen Enden weiterhin mit der gleichen Geschichte befassen, nur mit einem jeweils anderen Ausgang, doch stattdessen gehen sie einen komplett anderen Weg. So kann es sein, dass ein Charakter plötzlich eine ganz andere Verwandtschaft hat oder seine Persönlichkeit nicht mit der aus einer anderen Route übereinstimmt. Kurz gesagt: Wenn man ein Ende durchgespielt hat, wird man erst einmal sichtlich verwirrt sein, weil einige Dinge im nächsten nicht mehr übereinstimmen. Zudem ist sogar ein Genrewechsel nicht unüblich. Eines der Enden verwandelt das Ganze zum Beispiel in eine Horrorgeschichte. Die Idee dahinter ist gar nicht so schlecht gewesen, die Ausführung und Darstellung hingegen aber alles andere als gut. Schade ist auch, dass das True End eher enttäuschend herüberkommt.

»Da alles gerne noch stur übersetzt ist und so die Sätze alle fast gleich klingen, kann man hier schon fast sagen, dass sich der Schreibstil auf einem laienhaften Niveau befindet.«

Während die meisten Charaktere, bis auf einige Ausnahmen, zumindest weitgehend verständlich geschrieben sind und man ihre Probleme nachvollziehen kann, ist der Protagonist eine einzige Katastrophe. Gerade die Person, ohne Gesicht und Stimme, in die sich der Spieler hineinversetzen soll, wird unsympathisch und gemein dargestellt. Er schreckt nicht davor zurück, andere Personen bis aufs Äußerste zu beleidigen oder niederzumachen, damit sie mit der Wahrheit herausrücken. Dass er sie dabei verletzen könnte, weil sie versuchen, den Teil ihrer Vergangenheit zu vergessen, kommt ihm dabei gar nicht in den Sinn. In anderen Momenten kommt er wiederum wie eine komplett andere Person herüber, die höflich spricht und sich Souvenirs andrehen lässt. Er ist wirklich schwer zu verstehen.

Etwas, was noch unliebsam aufgefallen ist, sind die verwendeten Spitznamen, bei denen man sich fragt, wer so etwas unter Freunden verwendet. Fatty und Bitch klingen eher wie Schimpfwörter, die man seinen Feinden (oder Opfern) an den Kopf wirft, um sie zu provozieren oder zu kränken. Dementsprechend komisch kommt es auch im Spiel herüber, besonders weil der Protagonist selbst dann noch die Charaktere damit anredet, nachdem er ihre richtigen Namen herausgefunden hat.

Ein lohnenswerter Besuch

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Schöne Gegenden und Hintergründe sind keine Seltenheit

Interessant zu beobachten ist, wie gut der Ort des Geschehens dargestellt wird. Es erweckt fast schon den Eindruck, als wäre dies ein Versuch, Matsue attraktiver zu gestalten und mehr Leute an den Ort zu locken. Ob Sehenswürdigkeiten, lecker aussehendes Essen, Informationen über die Gegenden oder sogar Legenden und Geschichten über den Ort – hier ist wirklich alles enthalten und wird dazu noch von einer ruhigen Atmosphäre und passender Musik begleitet. Root Letter ist in Wahrheit ein informativer Reiseführer, dem man halbherzig eine Handlung verpasst hat.

Von der Gestaltung her ist die Visual Novel zwar einfach gehalten, aber zeigt trotzdem Kreativität. Um Gespräche ein wenig lebendiger zu gestalten, wird mit Panels gespielt, in denen die Sprites der Figuren erscheinen. Sie bewegen zwar nicht ihre Münder oder blinzeln mit den Augen, aber es werden immer neue Panels, auf unterschiedliche Art und Weise, eingeblendet. Der Zeichenstil wirkt etwas realistischer und passt gut zur Gesamtoptik. Dabei wurde gänzlich auf die Benutzung von knalligen Farben verzichtet. Einige sehr hübsch gestaltete Event-Bilder dürfen natürlich auch nicht fehlen. Einzig den unwichtigen Charakteren des Spiels wurde nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es wurde zwar Artwork benutzt, aber es ist nicht detailliert und dasselbe Design wird mehrfach für unterschiedliche Personen verwendet.

Die PlayStation-Vita-Version hat mit einigen kleineren technischen Problemen zu kämpfen, die nicht unbedingt störend, aber doch auffällig sind. So braucht das Spiel etwas länger zum Starten und es dauert ein wenig, bis Briefpart und Minispiel geladen werden. Skippen funktioniert nicht immer flüssig, wohl weil einige Bilder nicht so schnell angezeigt werden können. Zudem begegnet man beim Scrollen durch den Reiseführer in der Galerie merklichen Rucklern. Die PlayStation-4-Version soll davon nicht betroffen sein.

Es hätte ruhig etwas mehr unterschiedliche Hintergrundmusik geben können, damit man nicht die ganze Zeit ein und dasselbe Lied über sich ergehen lassen muss. Das soll nun nicht heißen, dass die Musik nichts taugt, aber es gibt ein bestimmtes Lied, das in viel zu vielen Momenten verwendet wird. Ansonsten gibt es nicht viel zur Musik anzumerken. Die Tracks wurden passend gewählt und kommen je nach Situation mal ruhig und entspannend, aber auch mal aufbrausender daher. Einige verwendete Geräusche sind dagegen fehl am Platz und es muss wirklich nicht immer ein Ton gespielt werden, nur weil ein wichtiger Begriff im Text auftaucht. Auf Dauer ist das wirklich nervig.

»Root Letter ist in Wahrheit ein informativer Reiseführer, dem man halbherzig eine Handlung verpasst hat.«

Wie schon einmal erwähnt, lesen sich die englischen Texte oftmals eintönig und sind nicht gut geschrieben. Schuld daran wird wohl eine zu direkte Übersetzung und der Mangel an Kreativität sein. Da die Geschichte in einer japanischen Umgebung spielt, wurden auch viele Begriffe so gelassen wie sie sind, was auch vollkommen in Ordnung ist, aber wenn man immer wiederholende Texte lesen muss, verliert man irgendwann die Motivation. Das ist auch nicht der einzige Kritikpunkt. Rechtschreibfehler, falsche oder wortwörtliche Übersetzungen, seltsame Satzstellungen und einige andere Fehler finden sich im Spiel. Dazu wurde noch nicht einmal auf die Einheitlichkeit der verwendeten Begriffe geachtet oder ob man nun etwas komplett klein- oder großschreiben möchte. So wird zum Beispiel von einem „Souvenir Shop“ oder einem „Second Hand Bookstore“ gesprochen, aber in der Übersicht heißt es plötzlich „Gift Store“ und „Used Bookstore“. Es passiert auch, dass Objekte, die man erhält, im Inventar einen etwas anderen Namen tragen. All diese Fehler ziehen sich durch das gesamte Spiel.

Root Letter kommt mit insgesamt fünf Enden daher. Welcher Route ihr letztendlich folgt, ist abhängig von der Auswahl, die ihr beim Lesen der Briefe trefft. Der erste Durchgang wird je nach Lesegeschwindigkeit zwischen acht und zehn Stunden dauern. Wer alles sehen möchte, kann noch einmal gut fünf Stunden dazurechnen. Nachdem man sein erstes Ende gesehen hat, kann man im nächsten Durchlauf die meisten Kapitel einfach komplett überspringen. Komischerweise funktioniert das nicht mit Kapitel 8, obwohl es da keine Unterschiede gibt. Gerade da man nicht immer sofort zur Briefauswahl kommt und dann noch ein ganzes Kapitel komplett wiederholen muss in jedem Durchgang, wird das Erreichen aller Enden schnell zur Tortur. Als Extra gibt es eine Galerie, für die man jedoch kleinere Aufgaben erledigen muss, damit die einzelnen Punkte wie Musik, Skript und der Reiseführer freigeschaltet werden.

Fazit

»Eigentlich soll eine Visual Novel den Leser zu fesseln wissen und das möglichst bis zum Ende, aber Root Letter scheitert daran. Einerseits möchte man schon gerne wissen, was hinter den rätselhaften Ereignissen um Aya Fumino steckt und warum alle darüber schweigen, andererseits stellt sich aber das Durchspielen eher als Kampf heraus. Die Kapitel sind durchzogen mit langweiligen, sich wiederholenden Texten auf laienhaftem Niveau, die zusätzlich noch von der Lokalisierung heruntergezogen werden. Oftmals wird man zu Orten geführt, die rein gar nichts mit der Lösung des Falles zu tun haben und der Protagonist wird unverständlich und gemein dargestellt, sodass man nicht wirklich mit ihm mitdenken kann. Es fehlen zudem Freiheiten während der Detektivarbeit und das enthaltene Minispiel ist unnötig und sinnlos. Einzig der Investigation Mode weiß zu motivieren. Es gibt aber eine Sache, die Root Letter wirklich gut hinbekommt und zwar dem Spieler den Schauplatz, Matsue, attraktiv zu machen. Die ruhige Atmosphäre in Kombination mit der Musik, dem eher realistisch aussehenden Zeichenstil und die vielen Informationen machen Lust darauf, einmal nach Japan zu reisen und die Präfektur Shimane zu besuchen. Man könnte also sagen, dass Root Letter ein gelungener Reiseführer ist, untermalt mit einer eher misslungenen Mystery-Geschichte.

Wer nach einer durchgehend interessanten und fesselnden Visual Novel sucht, der sollte sich lieber woanders umsehen, denn in diesem Punkt ist Root Letter nicht zu empfehlen. Der Mystery-Aspekt wird nicht gut herübergebracht und das True End ist ernüchternd. Allerdings könnte das Spiel für diejenigen interessant sein, die sich für Japan und seine Kultur interessieren.«

Story: Interessante Prämisse und Charaktere, aber die Handlung ist langweilig gestaltet und weiß nicht zu überzeugen. Die Enden sind verwirrend oder einfach nur lächerlich, das True End dagegen enttäuschend. Nicht das, was man von einer Mystery-Visual-Novel erwartet.

Gameplay: Point-and-Click-Adventure im alten japanischen Stil mit ein paar interessanten Funktionen wie dem Investigation Mode. Der Max Mode ist dagegen eher unnütz.

Grafik: Hübsches, realistisch gezeichnetes Artwork, Gespräche wirken dank der Verwendung von Panels und Event-Bildern lebendiger.

Sound: Passende Hintergrundmusik, die gerne etwas abwechslungsreicher hätte sein können, übermäßige Verwendung eines bestimmten Liedes, falsch platzierte und störende Geräusche.

Sonstiges: Sehr informativer und lehrreicher Reiseführer für Shimane und Matsue, nur englische Bildschirmtexte und japanische Sprachausgabe.