In den letzten Jahren hat das Konzept einer offenen Welt immer mehr an Beliebtheit gewonnen. Westliche Spiele wie Grand Theft Auto setzen schon lange auf dieses Spielprinzip und auch für Rollenspiele bieten sich offene Welten an. Als 2011 The Elder Scrolls V: Skyrim erschien, begann ein regelrechter Open-World-Hype, der bis heute anhält. Viele Spiele mit großem Budget warben in den anschließenden Jahren mit dem werbewirksamen Begriff. Auch in Japan schlug dieser Boom Wellen.
Unbekannt ist diese Art von Spieldesign den Japanern schon früher nicht gewesen. Spieleserien wie das nun wiederbelebte Shenmue waren Pioniere in diesem Bereich, Segas Yakuza-Serie ging später einen ähnlichen Weg. Doch ist Open World gleich Open World?
In letzter Zeit wird mit dem Begriff meist auch eine Welt riesigen Ausmaßes verbunden. Der Begriff selbst beschreibt aber lediglich eine offene Welt. Offen heißt hier, dass der Spieler schon früh im Spiel die Möglichkeit hat, sich auszusuchen, wo er hingehen und was er tun will, und dass die Welt auch entsprechend aufgebaut ist. Ein großer Teil der Spielwelt steht ihm schon offen und es ist ihm überlassen, wie und in welcher Reihenfolge er sie erkunden will.
Die Handlungen in Open-World-Spielen neigen dazu, weniger linear zu sein, oft sind sogar die Sub-Handlungen in Nebenmissionen wesentlich präsenter als die eigentliche Geschichte. Das heißt natürlich nicht, dass am Ende nicht alles eine Einheit bilden kann. Eine örtlich und zeitlich klar definierte Geschichte, die jeder Spieler auf die gleiche Weise erlebt, lässt sich aber schlecht mit Open World vereinen.
Japanische Rollenspiele sind aber traditionell fast immer linear gewesen. Es gibt Ausreißer und Titel, die mehr Freiheit bieten, wie einige der SaGa-Spiele, und Visual Novels sind seit jeher dafür bekannt, dass der Spieler durch Entscheidungen den Handlungsverlauf beeinflussen und oft zu vielen verschiedenen Enden führen kann. Der Sprung zu einem richtigen Open-World-Erlebnis ist jedoch trotzdem groß.
Seit einer Weile werben auch AAA-Titel wie Final Fantasy XV, Metal Gear Solid V: The Phantom Pain und das neue Zelda mit diesem Begriff. Hajime Tabata, Director von Final Fantasy XV, betonte aber mehrfach, dass Final Fantasy XV nicht in die Fußstapfen von Skyrim & Co. treten werde. Man folge, wie von der Serie gewohnt, weiterhin einer Handlung, heißt es. Der Unterschied: Man wird in Final Fantasy XV weitflächige Gebiete erkunden können.
Doch ist das wirklich eine offene Welt? Bereits früh bot die Serie einiges an Erkundungsfreiheit. In Final Fantasy II konnte man bereits gleich zu Beginn an einige der gefährlichsten Orte des Spiels reisen, vorausgesetzt, man wurde nicht unterwegs von den Monstern getötet. Wenn dem Spieler bestimmte Teile der Welt nicht offen standen, lag das daran, dass man das benötigte Fortbewegungsmittel noch nicht besaß.
Was genau macht Final Fantasy XV also anders als die älteren Spiele der Serie, von der Größe der Welt einmal abgesehen? Das wissen wir noch nicht so genau, aber aktuell sieht es eher danach aus, dass wirklich hauptsächlich die Größe der Welt den Unterschied zu den Vorgängern ausmacht, nicht die Art, wie man sie bereist. Es ist sogar denkbar, dass Spiele wie Final Fantasy XII und besonders Lightning Returns: Final Fantasy XIII wesentlich mehr „Open World“ sind als Final Fantasy XV.
MMORPGs gehörten zu den ersten Spielen, die eine riesige Welt boten, doch mit den Jahren wuchs auch die Dimension von Offline-Spielen mehr und mehr. Ein Problem, was sich häufig dadurch ergab und immer noch ergibt, ist, dass der Inhalt oft nicht proportional zum Größenwachstum mitwächst.
Xenoblade Chronicles hat viel zu bieten, doch die Nebenaufgaben sind mehrheitlich Katalog-Quests der langweiligsten Sorte, wie man sie aus MMORPGs kennt. In dieser Quantität eher eine Beschäftigungstherapie als ernsthaft bereichernder Inhalt. Um die Welt interaktiver zu gestalten, kann man überall halb zufallsgenerierte Items in Form von blauen Kugeln finden. Das macht die Welt aber noch lange nicht lebendig. Das Spiel kann durch tolle Panoramen, fantasievoll gestaltete Umgebungen und viele schöne Orte punkten, aber die Welt hätte noch viel mehr mit interessanten Inhalten gefüllt werden können, auch spielerisch.
Gut macht das Final Fantasy XII. Die Gebiete im Spiel sind vielseitig miteinander verbunden, die zufallsgenerierten Schatztruhen oft tatsächlich den Zeitaufwand und die Gebiete das mehrfache Besuchen wert. Jedes Monster hat mehrere individuelle Item-Drops und stehlbare Gegenstände, und diese benötigt man häufig auch. Es gibt eine Menge einzigartiger oder gesuchter Gegner. Das Wetter hat einen starken Einfluss auf die Umgebung und die Gegner, die auftauchen. An den verschiedensten Orten im Spiel findet man geheime Dungeons (oft sehr gefährliche) oder neue Orte wie etwa kleine Siedlungen. Außerdem gibt es eine recht große Vielfalt an Nebenaufgaben, auch wenn man für viele zu oft hin- und herlaufen muss.
Was bedeutet nun dieses „Open World“ in japanischen Spielen und wohin wird uns die Reise führen? Nun, zunächst einmal werden viele Spiele, die mit dem Begriff werben, nur begrenzt „offen“ sein. In den meisten Fällen wird eher eine „große“ Welt gemeint sein, die man erkunden darf, mal abgesehen von wenigen eher westlich anmutenden Titeln japanischer Entwickler. Ob eine große Welt unbedingt gut ist, hängt sehr stark davon ab, wie belohnend sich das Erkunden anfühlt und wie lebendig und mit Inhalten gefüllt die einzelnen Gebiete sind.
Was wir beispielsweise von Final Fantasy XV in dieser Hinsicht erwarten können, bleibt abzuwarten. Episode Duscae bot zwar eine schön gestaltete Welt mit einem geheimen Dungeon zum Erkunden und zahlreichen anderen kleinen Dingen, doch viel lief man auch einfach nur durch die Umgebung. Nicht umsonst betonte Tabata, dass man große Strecken vorzugsweise mit dem Auto reisen wird und eine Durchquerung der Welt zu Fuß sehr lange dauern würde. Ob die Größe der Welt dem Spiel gut tut, werden wir vermutlich erst beurteilen können, wenn das Spiel erschienen ist und selbst dann ist es zumindest teilweise immer noch eine Frage persönlicher Präferenzen.
Meine persönliche Meinung zu Open World? Ich kann den Reiz verstehen, aber ich habe es selbst ungern zu „offen“ in RPGs. Eine Welt zum Erkunden ist toll, aber was die Handlung betrifft, werde ich lieber an die Hand genommen. Ideal für mich ist eine Welt, die sich nach und nach öffnet und zu jeder Zeit ein angenehmes, nicht zu überwältigendes Maß an Erkundungsfreiheit bietet und das Erkunden zugleich durch interessante und abwechslungsreiche Inhalte belohnt.
Beim neuen Zelda hingegen begrüße ich das Konzept durchaus, denn die Serie eignet sich wegen ihres geringeren Fokus‘ auf eine Haupthandlung von Haus aus sehr gut für ein nichtlineares Spielerlebnis. Das erste Zelda zeigte bereits, wie man es machen kann und Nintendo will ja bewusst zu diesen Wurzeln zurückkehren. Um ein Urteil zu fällen, haben wir bisher noch viel zu wenig von dem Spiel gesehen, aber ich stelle mir das Konzept in einem Zelda sehr reizvoll vor.
Ob der Open-World-Hype in den nächsten Jahren abklingt, ist fraglich, besonders wenn zwischendurch auch immer wieder richtig gute Open-World-Spiele erscheinen. Ein reinrassiges Open-World-Konzept passt aber schlicht und ergreifend nicht zum Aufbau japanischer RPGs, und daran wird sich auch in Zukunft vermutlich wenig ändern, was jedoch nicht bedeutet, dass einige Open-World-Elemente ein Spiel nicht bereichern können.