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Im Test! Beyond: Two Souls

2010 veröffentlichte Quantic Dreams das hoch gelobte Spiel Heavy Rain, welches das Action-Adventure-Genre damals neu definierte. Gleich vier Charaktere konnte man steuern und erlebte auf der Spur eines Mörders dadurch seine ganz eigene Story. Das Ableben eines Charakters konnte schon früh das Ende beeinflussen und auch abseits davon, wurde vieles stark durch die getroffenen Entscheidungen bestimmt. Doch nicht jeder war mit dem Konzept zufrieden.

Für viele war es kein richtiges Spiel mehr, sondern nur ein leicht interaktiver Film mit aneinandergereihten Quick-Time-Events. Eine Debatte brach aus, ob es überhaupt noch ein Spiel sei. Sicher ist auf alle Fälle: In Heavy Rain steckt wesentlich mehr Spiel als in Beyond: Two Souls.

Hollywood-Besetzung

Jodie Holmes (Ellen Page) und Nathan Dawkins (Willem Defoe) in der Hauptrolle

Quantic Dream ist also zurück und hat dieses Mal einige große Namen im Gepäck, die die Spielverpackung zieren. Juno-Star Ellen Page und Hollywood-Größe Willem Dafoe konnten für die Hauptrolle verpflichtet werden. Dank aufwändiger Motion-Capture-Technik wurden beide perfekt ins Spiel transferiert und sehen ihren digitalen Ebenbildern täuschend ähnlich. Hier glänzt Beyond mit seiner Optik und versprüht viel Kino-Flair.

Filmreifen Stoff hat auch die Geschichte zu bieten: Ihr spielt die junge Jodie Holmes(Ellen Page), die seit ihrer Geburt mit einem unsichtbaren Geschöpf namens Aiden verbunden ist. Um die Aufklärung dieses Rätsels dreht sich die Handlung, die ihr in verschiedenen Altersstufen ihres Lebens durchlauft. Da dies jedoch nicht chronologisch passiert, macht ihr eure ersten Schritte als Achtjährige in einer Forschungsstation, die Jodies Auffälligkeit untersucht. Die Leitung führt dabei Nathan Dawkins(Willem Dafoe), der schnell feststellen muss, dass das Wesen mit dem Jodie unzertrennlich verbunden ist, nicht nur guter Natur ist.

Ich will kein Spiel sein!

Das wird leider schon vor dem Start im Hauptmenü klar, als das Spiel fragt, ob man häufig Videospiele spielt. Die Antwort ist klar! Aber was bewirkt die Auswahl? Und warum werde ich das in solch einem Spiel überhaupt gefragt? Sehr viel später in der Handlung muss ich mir diese Frage immer wieder selbst stellen und hab auch nach dem Durchspielen keine Antwort. Doch was läuft schief? Warum ist es schlimm, dass Beyond kein Spiel sei? Immerhin kann man zwei völlig unterschiedliche Charaktere steuern.

Zum einen hat man Jodie, mit der man die Welt um sich herum erkundet, aus deren Sichtweise man die Story erlebt, die verschiedene Abschnitte ihres jungen Lebens zeigen. Mal die rebellische Phase, die kindliche oder die einer gestandenen Frau. Auf der sprichwörtlich anderen Seite hat man Aiden, der auf Knopfdruck durch Wände fliegen kann, Gegenstände verschiebt oder herumwirbelt, von Leuten Besitz ergreift oder diese sogar tötet.

Im Konzept selbst schlummern definitiv interessante Ansätze und die werden zum Teil auch genutzt. Ein riesengroßes Potential lässt man dafür aber leider ungenutzt und macht große Designfehler. Ein Problem ist zum Beispiel, dass einem vorgegeben wird, wie und wann man Aiden zu spielen hat. Es gibt selten Momente, in denen man selbst den Charakter wechselt, wenn das Spiel oder die Handlung es nicht eindeutig klar macht, denn man muss schnell feststellen, dass es abseits wenig zu entdecken gibt. Gerade zu Beginn, wo die Entdeckungslust am größten ist, wird man in viel zu kleine Areale gesteckt, kann sich nicht weit von Jodie entfernen und ist viel zu eingeschränkt.

Getroffene Entscheidungen haben zu wenig bis gar keine Auswirkungen. Man wird gezwungen böse zu spielen. Alternativen gibt es nicht

Die Einschränkungen stecken auch in Aidens Handlungen selbst: Wenn es nicht wichtig für das Vorankommen ist, dass man in den Körper einer anderen Person schlüpft, ist es auch einfach nicht möglich. Ist es nicht wichtig einen Gegenstand zu bewegen, ist dies nicht möglich. Es gibt keine kombinierten Handlungen, die man ausführen kann, keine Experimente oder interessanten Rätsel bei denen man Jodie und Aiden zusammen nutzt. Es ist alles vorgegeben. Man führt nur noch aus, weil es die Handlung verlangt. Hat man jemanden zu töten, muss man es machen. Aidens Wesen kann man nicht beeinflussen. Es gibt keine Alternative, womit sich das Korsett immer enger schnürt. Wie gerne hätte ich einfach zum Spaß Besitz von jemanden übernommen, um zu sehen was passiert. Selbst wenn man dann gar nicht viel machen könnte, es hätte einen wenigstens noch nach einer Lösung suchen lassen.

So wird man immer und immer wieder mit der Nase auf die Lösung gestoßen und hat das Resultat so hinzunehmen. Es gibt keine alternative Lösungsmöglichkeit. Es gibt die eine, denn man befindet sich in einem interaktiven Film, nicht einem interaktiven Spiel. Gäbe es doch immerhin die Möglichkeit bei der einen Lösungsmöglichkeit zu bleiben, aber zumindest etwas danach suchen zu lassen oder Fehler zuzulassen. Nein. Die einzige Wache im 2. Stock hat den Tresor zu öffnen, weil man von ihr ungesehen Besitz ergreifen kann. Hell orange leuchtend markiert, dass man sie auch nicht verfehlt. Und nein, die sammelbaren leuchtenden Gegenstände, die Konzeptgrafiken und Trailer freischalten, haben den Entdeckerdrang nicht im Geringsten befriedigt.

Aber nur auf Aiden herumzuhacken wäre nicht fair. Es macht ja auch Spaß ein wenig den Bösen zu spielen, Leute zu erschrecken oder auch mal Rache zu nehmen. Seine Handlungen werden schnell nur viel zu repetitiv. Das Kombinieren mit Gegenständen in der Umwelt fehlt.

Doch auch auf Jodies Seite sieht es nicht wirklich besser aus. Dass man stellenweise einfach in eine andere Zeit versetzt wird, in einen Raum geschmissen, in dem man nicht weiß, was man tun soll, darüber kann man hinwegsehen. So kann man ja nun endlich erforschen. Weiße Kugeln suchen, die eine Handlung zulassen.

Erkundungen werden hier jedoch durch schlechte Kameraeinstellungen ausgebremst und enden meist sowieso in einer Sackgasse. Wie von Aidens Geisterhand bewegt, muss man oft nur dem Kameraschwenk folgen und kommt ans Ziel. Zur Mitte des Spiels hatte ich mich dieser Mechanik ergeben und bin geradewegs dorthin, wo die Kamera zeigt. Keine Erkundungstouren mehr.

Versagen wird nicht toleriert!

Kein Game Over, keine Konsequenzen und automatische Handlungen, wenn man sich weigert. Beyond nimmt zu viele Freiheiten.

Man darf nicht vernachlässigen, dass der interaktive Film eine Geschichte zu erzählen hat. In einer Szene konnte ich so zum Beispiel nicht mal ansatzweise den ganzen Raum sehen und sollte direkt wieder fliehen. Stellt man sich stur und erkundet weiter, übernimmt das Spiel für einen die Flucht. Ganz automatisch. Denn es gibt kein “Game Over”, man kann ziemlich wenig falsch machen und man wird immer wieder gerettet. Ein weiteres Problem von Beyond.

In Heavy Rain konnte man noch einen der vier Charaktere einbüßen, musste so um das Leben dessen fürchten, hat alles dafür getan, um das zu verhindern. Oder wenn man wollte: Auch gerade nicht, um ein anderes Ergebnis zu provozieren.

Ob Einen die Polizei in Beyond schnappt oder Jodie verprügelt, gebissen und sogar angeschossen wird, spielt keine Rolle. Sie kann sich dank Aiden immer wieder befreien, wird beschützt, geheilt und es geht immer in der Handlung weiter. Warum anstrengen, wenn man sich verteidigen soll? Schaut man nur zu, wird man am Ende immer automatisch gerettet. Für diese Handlung hat das Spiel keine Lösung parat.

Getroffene Entscheidungen haben auch viel zu wenig Auswirkung auf die Handlung. Teilweise sind die Antwortmöglichkeiten völlig egal und führen zum gleichen Ergebnis. Der Ausflug zu einer Geburtstagsparty endet immer gleich frustrierend. Es werden einem so früh im Spiel vorgetäuschte Alternativen präsentiert mit einem einzigen Endresultat. Das konnte Heavy Rain deutlich besser. Denkt man doch nur mal an den Supermarkt. Im Vorgänger hat man auch nicht kurz vor dem Abspann sein gewünschtes Ende per Tastendruck gewählt.

Überhaupt gibt es deutlich weniger Gespräche, die man beeinflussen kann. Die Detektivarbeit und die Mördersuche hat deutlich mehr Spaß gemacht und hatte Reize geschaffen, die richtige Antwort zu finden, um etwas mehr zu erfahren. In Beyond führt die richtige Antwort eventuell noch eine Szene weiter, den Ausgang bestimmt es nicht. Hier wäre noch so viel mehr drin gewesen.

Immerhin gibt es die sehr coole Erinnerungssequenzen. Wenn Jodie gewisse Gegenstände berührt, kann sie kurzzeitig dank Aiden in die Vergangenheit blicken. Das ist stylisch gemacht und macht auch neugierig. Gerade der Mittelteil ist toll und bietet viel Abwechslung und interessante Story-Wendungen in größeren Gebieten, die wieder Lust machen mehr zu erfahren. Wäre da doch nur nicht die CIA.

Fazit

Beyond: Two Souls besitzt leider nicht, wie der Titel vermuten lässt, zwei Seelen. Es gibt keine Spiel-Seele, die auch mal etwas zum Experimentieren erlaubt. Eine, die Erkundungen belohnt und euch nötige Freiheiten gibt oder sogar einschneidende Konsequenzen aufzeigt. Hier prügeln immer gleich zwei Film-Seelen auf euch ein, die schnell klar machen, wo es langgeht und wie schnell die Handlung voranzuschreiten hat. Zwar blitzen etwas freiere Erkundungen hin und wieder durch, doch geht es danach direkt wieder auf die Einschienenbahn.

Der Mittelteil zählt klar zu den starken Abschnitten des Spiels, wenn die Gebiete größer werden und Zeitsprünge länger auf sich warten lassen und man Zeit mit den Charakteren verbringen kann. Hier bekommt die Geschichte Aufwind. Leider weicht der interessante Teil der Story mit Aidens Herkunft und Jodies Verbindung zu ihm einem CIA-Scharmützel und interessante Zeit-Abschnitte sind schließlich rar gesät.

Filmisch überzeugt ein Hollywood-Ensemble auch mit deutschem Ton dank original Synchronsprechern für eine erstklassige Darbietung in stellenweisen zu leeren und kleinen Arealen.

Story: Dank verschiedener Zeitabschnitte durchlebt man Jodies Leben im Alter zwischen acht und 23 Jahren. Diese wechseln gerade zu Beginn aber zu schnell hin und her. Ein zu großer Teil nimmt hierbei auch die uninteressante CIA-Arbeit ein, dafür gibt es aber auch wirklich interessante, spannende Abschnitte zwischendrin.

Grafik: Gesichter, Mimik und Details sind erstklassig. Sicherlich eine der Stärken von Beyond. Schaut man genauer hin, fallen aber leider viele leere Gebiete auf.

Sound: Original-Synchronsprecher von Ellen Page und Willem Dafoe sorgen für eine super Atmosphäre. Insgesamt ist nahtlos jeder Charakter perfekt vertont und es gibt absolut nichts zu bemängeln. Die Musik passt sich stimmungsvoll in dieses Gesamtbild ein. Teilweise stimmt die Tonabmischung nicht und man versteht Charaktere schlecht.

Gameplay: Im Vergleich mit Heavy Rain ein deutlicher Rückschritt. Weniger Handlungsfreiheit. Zwar weniger Quick-Time-Events, dafür zu sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Besonders bei Aiden nutzen diese sich schnell ab und verlieren zunehmend an Reiz.

Sonstiges: Freischaltbare Bonusinhalte (Konzeptzeichnungen und Trailer).

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