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Retro-Flashback: Geschichtsstunde #9 – Final Fantasy II

Zwei Wochen sind verstrichen und ich heiße Euch wieder herzlich willkommen. Wir haben uns bereits so einige Spiele angesehen, aber keines davon konnte beim Storytelling so richtig aufblühen. Der Großteil der Informationen wurde durch (oft optionale) NPC-Dialoge vermittelt, und die Stärke der Präsentation lag in ihrem Charme. Doch dann kam Final Fantasy II, das eine dunkle und traurige Geschichte vom Krieg und all den betroffenen Menschen erzählt. Hat das funktioniert?

Hintergründe & Entwicklung

Die bekannten Namen des ersten Teils haben auch wieder an Final Fantasy II mitgewerkelt. In ihren klassischen Rollen sind Hironobu Sakaguchi, Yoshitaka Amano und Nobuo Uematsu vertreten. Während die Entwicklung von Final Fantasy I ohne einen Director im klassischen Sinne auskam, übernahm Sakaguchi wegen des größeren Entwicklerteams diese Rolle für den zweiten Teil. Nasir Gebelli schlüpfte wieder in die Rolle des Programmierers. Hiromichi Tanaka, Akitoshi Kawazu und Koichi Ishii arbeiteten ein weiteres Mal als Designer, und Kenji Terada war zum zweiten Mal für das Szenario zuständig.

Am 17. Dezember 1988, genau ein Jahr nach dem Vorgänger, erschien Final Fantasy II. Anders als beim ersten Teil wurde bei Final Fantasy II die Geschichte zuerst entworfen, und anschließend das Gameplay um die Geschichte herum entwickelt. Ein Resultat daraus ist die Ersetzung des Level-Systems durch ein Wachstumssystem, das näher an der Realität ist. Sakaguchi wollte auch, dass die Charaktere sich wie wirklich Menschen verhalten und der Spieler dadurch dieselben Gefühle erlebt, ob Trauer oder Freude.

Wegen eines abgelaufenen Visums musste Programmierer Nasir Gebelli mitten in der Entwicklung des Spiels nach Kalifornien zurückkehren. Ohne ihn wäre die Entwicklung des Spiels nicht möglich gewesen, deshalb folgte ihm das Entwicklerteam mit der nötigen Ausrüstung in die USA, um die Arbeit an dem Spiel fortsetzen zu können. (Auch Final Fantasy III wurde aus den gleichen Gründen dort entwickelt.)

Das Spiel

Die vier Protagonisten – frei benennbar, aber später offiziell Firion, Maria, Guy und Leon genannt – sind Kriegswaisen, die im Königreich Fynn lebten, bevor dieses durch eine Invasion in die Hände des Imperators fiel. In der Stadt Altea befindet sich unter der Führung Prinzessin Hildas (der König ist an das Bett gebunden) eine Rebellenbasis, die verzweifelten Widerstand gegen den Eroberungsmarsch zu leisten versucht. Das Spiel beginnt mit einem Kampf der vier Protagonisten gegen Soldaten aus dem feindlichen Reich Palmekia. Dieser Kampf kann nicht gewonnen werden. Tödlich verletzt werden Firion, Maria und Guy von den Rebellen gerettet – doch Marias Bruder Leon wurde von den Soldaten mitgenommen.

 

Nach ihrer Heilung durch den Magier Minwu (Min’u, Ming-Wu) bitten die drei, der Rebellenarmee beitreten zu dürfen, doch Hilda hält sie für zu jung. So machen sie sich auf nach Fynn, um nach Leon zu suchen. Auf dem Weg dorthin hören die drei von Gordon, dem Prinz von Kashuon, der sich in Altea befindet. Aber der hat jegliches Vertrauen in sich verloren, weil sein Bruder Scott vom Imperium gefangen genommen wurde.

Im geheimen Keller einer Taverne in Fynn finden Firion, Maria und Guy ebenjenen Scott – aber der liegt mit schweren Wunden auf dem Sterbebett. In seinen letzten Atemzügen bittet er die drei darum, Nachrichten zu überbringen: An Gordon, dass er mehr Vertrauen in sich haben soll. An den König von Fynn, dass Fürst Borgan für den Verrat ans Imperium verantwortlich ist. Und an Prinzessin Hilda, dass er sie liebt. Doch diese letzte Nachricht nimmt er zurück – es würde Hilda nur betrüben, von der Liebe eines Verstorbenen zu erfahren, und sie verdiene es, sich erneut zu verlieben. Die Gruppe befragt ihn nach Leon, aber leider weiß Scott auch nicht mehr. Anschließend übergibt er Firion einen Ring – seinen und Hildas Verlobungsring. „Ich bin so müde. Bitte lasst mich nun schlafen.“ Mit diesen Worten stirbt Prinz Scott.

 

Die Geschichte von Final Fantasy II ist schwer von der Tragik des Krieges gezeichnet und ist vermutlich die dunkelste der gesamten Serie. Der Tod ist ein zentales Thema, und mehr als nur ein- oder zweimal müssen Firion und die anderen Abschied von einem Gefährten, Bekannten und Fremden nehmen. In den noch freien Städten merkt man, dass die scheinbar friedliche Atmosphäre nur eine Ruhe von dem Sturm ist, denn die Bürger fürchten sich vor einer Invasion. Auch die Weltkartenmusik und die im Gegensatz zum Vorgänger weniger bunten Farben tragen zu dieser unbehaglichen Stimmung bei.

Und was hat sich beim Gameplay geändert? Zuerst einmal wurde das klassische Levelsystem abgeschafft. Ersetzt wurde es durch ein Wachstumssystem, das nach dem Prinzip „Statuswerte, die oft gebraucht werden, steigen.“ funktioniert. Greift man häufig an, erhöht sich die Stärke. Wird man oft angegriffen, erhöhen sich Verteidigung und HP. Waffentypen und Zauber haben eigene Stufen, und einige Statuswerte (z.B. Intelligenz) können sogar sinken, wenn man sie nicht verwendet.

 

Dieses System kann man allerdings schamlos ausnutzen – beispielsweise, indem man sich selbst angreift, um Angriff, Abwehr und HP zu erhöhen. So kann man schon sehr früh unverhältnismäßig stark werden. Ein paar kleine Bugs in der Urversion sorgen dafür, dass diese Exploits umso bequemer nutzbar sind. Wegen des sehr hohen Schwierigkeitsgrads, insbesondere wenn man ab der Mitte des Spiels in neue Gebiete vordringt, wäre es aber ohne diese Möglichkeiten sehr mühselig, seine Charaktere stärker werden zu lassen. Oft hat man erst einmal gar keine Chance, neue Gegner zu besiegen.

Was das Ganze umso gefährlicher macht, ist die extrem hohe Encounter Rate bei teilweise ziemlich langen Dungeons (schon die Anfangsdungeons sind von beachtlicher Größe). Zwar hat man durch Zauber und Items die Möglichkeit, sich zu heilen, aber wenn Potions und MP verbraucht sind, ist auch Schluss damit, und das Fliehen aus Kämpfen funktioniert nur sehr unzuverlässig. Immerhin bekommt man schon früh Zauber, um sich aus Dungeons zu teleportieren (oder auch nur ein Stockwerk zuückzugehen).

Das Zaubersystem ist übrigens auch interessant: Anders als im Vorgänger kauft man nicht die Zauber selbst, sondern sogenannte „Grimoires“. Das sind Items, mit denen man einem beliebigen Charakter diesen Zauber beibringen kann. Der Zauber startet auf Stufe 1, kann aber durch häufiges Nutzen bis auf Stufe 16 gebracht werden. Pro Stufe kostet der Zauber 1 MP. Im Umkehrschluss: Der MP-Verbrauch ist nicht von der Art des Zaubers abhängig, sondern von seiner Stufe.

 

Abgesehen davon hat Final Fantasy II noch eine Art Codewort-System eingeführt: In Dialogen lernt man bestimmte neue Begriffe kennen, die man wiederum anderen Personen nennen kann, oft mit entsprechender Reaktion. Dieses System muss sehr häufig zum Fortschritt der Handlung verwendet werden – beispielsweise muss man dem Tavernenbesitzer im vom Imperium besetzten Fynn den Namen der Rebellengruppe, „Wildrose“, nennen, damit er einen zu Scott vorlässt.

Erwähnenswert sind auch die Transportsysteme: Gegen Bezahlung kann man schon anfangs ein Schiff nutzen, um sich von einer zur anderen Stadt fahren zu lassen, und für noch mehr Geld kann man sich von Cid, der in diesem Spiel sein Debut hat, in seiner Erfindung, den Luftschiffen, an noch fernere Orte bringen lassen. Im späteren Spielverlauf erhält man dann selbst noch ein Schiff, und später ein Luftschiff. Ein Kanu ist bereits fast von Beginn an verfügbar und in einem unscheinbaren Wald kann man einen Chocobo finden.

 

Die Welt von Final Fantasy II ist relativ offen und der Ablauf nicht vollkommen linear. Schon früh kann man Orte aufsuchen, die erst für den späteren Handlungsverlauf wichtig sind – wenn man unterwegs nicht von den noch viel zu starken Monstern getötet wird. Das eröffnet dem Spieler die Freiheit, bereits anfangs sehr stark zu werden und für eine Weile die Handlung vorantreiben zu können, ohne irgendwelche Schwierigkeiten zu haben. Das ist natürlich mit entsprechendem Aufwand verbunden, kann sich aber auszahlen.

Aber kommen wir wieder zur Handlung. Der Kampf gegen das Imperium ist nicht unbeschwerlich und Firion & Co. müssen einen langen Weg gehen. In den Mithrilminen besorgen sie das legendäre Metall, damit die Rebellenarmee bessere Ausrüstung schmieden kann (die fortan auch in den heimischen Läden verfügbar ist), und schließlich infiltrieren sie sogar das feindliche Kriegsschiff, das im Handlungsverlauf einige Städte zerstört hat. Dort treffen Firion, Maria und Guy einen Dunkelritter – mit einer sehr bekannten Stimme. Leon?

Unterwegs schließen sich der Gruppe zeitweise diverse Charaktere an. Die Gruppe trifft auf Gordon, der in dem verzweifelten Versuch einen besonderen Gegenstand aus seinem nun monsterverseuchten Heimatschluss Kashuon zurückzuholen versucht. Josef, ein Mann aus dem verschneiten Bergdorf Salamand, opfert sein Leben, damit Firion und die anderen aus einer Höhle entkommen können – und lässt eine kleine Tochter zurück. Minwu schließt sich der Gruppe mehrmals an – am Ende lässt er sein Leben, um die Ultima-Grimoire – eine Waffe, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen könnte – zu entsiegeln. Die Piratin Layla, die die Gruppe zuerst auf See überfällt, wird schließlich eine Mitstreiterin. Und im Magen eines Leviathans treffen Firion und die anderen auf Richard, dem letzten verbleibenden Dragoon, der später sein Leben lässt, um Firion, Maria, Guy und Leon die Flucht aus dem Schloss von Palmekia zu ermöglichen. Auch Cid und der König von Fynn lassen im Spielverlauf ihr Leben.

 

Von diesem Zeitpunkt an ist Leon das permanente vierte Mitglied der Gruppe. Nachdem der wahre Imperator auftauchte und von seinen Plänen berichtet, die Welt zu einer lebenden Hölle machen zu wollen, gibt Leon seine Ambitionen als Imperator auf und schließt sich den Rebellen im mittlerweile zurückeroberten Fynn im Kampf gegen das wahre Böse an. Im Palast Pandemonium findet der letzte Kampf statt – und nach dem Tod des dunklen Imperators findet die verlustreiche Zeit des Krieges ein Ende. Hilda gratuliert den vier Gefährten, und ihr Sieg wird gefeiert. Doch Leon weiß, dass nie vergessen sein wird, was er den Menschen einst angetan hat. So nimmt er trotz Marias Protesten Abschied von den anderen – Firion jedoch hofft, ihn eines Tages wiederzusehen.

 

Mein Spielerlebnis

Als Kind habe ich bereits die GBA-Version von Final Fantasy II gespielt. Umso mehr war ich aber beeindruckt, dass die Geschichte von Final Fantasy II viel besser war als ich sie in Erinnerung hatte – vermutlich, weil ich sie damals nicht im Kontext der Zeit sehen konnte. Das war auch der Hauptgrund, wieso mir die NES-Version tatsächlich Spaß gemacht hat.

Vom Gameplay her ist Final Fantasy II wohl der am meisten kritisierte Teil der Serie. Da zugegebenermaßen (fast?) keines der NES-RPGs ein heute noch ansprechendes Gameplay besitzt, habe ich mich natürlich auf ein bisschen Frust gefasst gemacht. Aber auch hier wurde ich überrascht, denn dadurch, dass man das Spielsystem so ausnutzen kann, kann man sich das Spiel erheblich leichter machen, und das ist nicht einmal allzu aufwändig. Tatsächlich fand ich deshalb den überwiegenden Teil des Spiels ziemlich einfach – manchmal kann so ein kaputtes System also auch von Vorteil sein.

Trotzdem muss natürlich gesagt werden, dass die Encounter Rate oft unerträglich ist — noch eine ganze Spur schlimmer als beim ersten Teil —, und wenn man in neuen Gebieten trotz starker Charaktere merkt, dass man nicht stark genug ist, ist das auch nicht sehr motivierend. Das Problem ist auch, dass die Dungeons später alle ziemlich groß sind, und es oft eine ganz schöne Herausforderung ist, sich bis zum Ende durchzukämpfen.

Grafisch sieht Final Fantasy II für ein NES-Spiel nicht schlecht aus und bietet reichlich Abwechslung, und das Soundtrack enthält auch ein paar ziemlich gute Stücke. Vielleicht in der Quantität nicht so viele wie beim ersten Teil, aber dafür einige, die sehr viel zur Atmosphäre beitragen.

 

Fazit: Ich sehe Final Fantasy II vielleicht als das bisher prägendste Spielerlebnis der NES-Zeit für mich an – zwar ist das Spiel furchtbar gealtert und hat ein im Kern ziemlich kaputtes, weil exploitierbares Gameplay, aber gerade dadurch hat man Kontrolle über den Schwierigkeitsgrad. Diese spielerische Freiheit kombiniert mit dem, was man den Auftakt von RPGs als Medium für ernsthaftes Storytelling nennen könnte, hat Final Fantasy II für mich sehr interessant gemacht. Empfehlen würde ich die Urversion trotzdem niemandem. Auch die Remakes lassen sich nicht besonders locker spielen, aber wer sich an dem Spiel versuchen will, sollte am besten zu einer der neueren Versionen greifen.

Vermächtnis

Bereits der zweite Teil der Reihe zeigte: Final Fantasy ist eine Reihe, die starken Wandlungen unterworfen ist. Die Entwickler scheuten nicht davor zurück, mit dem Gameplay zu experimentieren und neue Wege zu gehen – eine Eigenschaft, die man in diesem Maß kaum einer anderen Spieleserie zuschreiben kann. Aber Final Fantasy II hat noch mehr Grundsteine für einige wichtige Serientraditionen gesetzt. Es war das erste Spiel mit einem Cid, das erste Spiel mit einem Chocobo (und der entsprechenden Musik), und auch Gegner wie Morbols, Behemoths, Bomber, Puddinge und der Ameisenlöwe wurden hier eingeweiht.

Die eigentliche Leistung für RPGs und Videospiele allgemein besteht aber in dem Storytelling, das weit über das hinausgeht, was man bis dahin vom Genre kannte. Auch wenn die Präsentation natürlich weit von dem Weg ist, was wir aus heutigen Spielen kennen, hat Final Fantasy II erfolgreich eine äußerst dunkle und tragische Geschichte erzählt. Sakaguchi hatte außergewöhnliche erzählerische Ambitionen. Auch andere Spiele dieser Zeit haben versucht, Geschichten zu erzählen, aber dies in der Regel auf eine charmante und liebenswürdige Weise und ohne einen so ernsten, dunklen Unterton.

Die Urversion von Final Fantasy II wurde niemals lokalisiert. Nicht auf ganz so vielen Systemen wie der erste Teil lässt sich Final Fantasy II finden, aber es gibt dennoch zahlreiche Versionen, darunter für NES, PS1, GBA und PSP und mobile Systeme, oftmals zusammen mit dem ersten Final Fantasy. Die Remakes wurden vom Schwierigkeitsgrad her etwas entschärft, und das GBA-Remake enthielt einen ganz neuen Spielmodus: Die Renaissance, in der man mit dem im Spiel gestorbenen Charakteren in einer Art Unterwelt parallel zur Endhandlung des Spiels einen „Weißen Imperator“ bezwingen muss.

Szenario Writer Kenji Terada veröffentlichte die Geschichte von Final Fantasy II sogar in Romanform. Bis 2003 wurden knapp 1,3 Millionen Einheiten des Spiels verkauft – mittlerweile dürften es dank der zahlreichen Remakes und Ports noch deutlich mehr sein.

Trivia
  • von allen Spielen der Hauptserie hat sich Final Fantasy II am schlechtesten verkauft (das mag sich aber mittlerweile wegen der vielen Remakes geändert haben)
  • in der Geschichte des Spiels lassen sich starke Einflüsse des ersten Star-Wars-Films finden
  • eine Lokalisierung der NES-Version war in Arbeit (es gab sogar eine Beta-Version), wurde aber letztlich u.A. wegen des Alters des NES abgebrochen
  • die PlayStation-Version hat eine FMV-Szene als Opening, in der die Charaktere sogar sprechen (was danach erst wieder bei Final Fantasy X vorkam)
Ausblick

Sega machte den nächsten Schritt und brachte ein neues System auf den Markt, das dem NES in vielen Belangen überlegen war: den Mega Drive bzw. Genesis. Ein Resultat davon war ein RPG, das seiner Zeit technisch weit voraus war. Phantasy Star II wird oft als sehr einflussreiches Spiel bezeichnet – in puncto Umfang, Grafik, Story und Gameplay. Doch es ist auch berüchtigt dafür, einer der grindlastigsten Genrevertreter zu sein. Was ist da dran, und wie verlief der Sprung in die 16-Bit-Ära, als die 8-Bit-Zeit noch gar nicht vorbei war? Das werden wir in etwa zwei Wochen sehen!