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Retro-Flashback: Geschichtsstunde #4 – Ys I

Willkommen zur nun bereits vierten Geschichtsstunde! Nachdem wir uns bisher nur sehr bekannte Serien angesehen haben, erforschen wir diesmal die Ursprünge einer Reihe, die im Westen nicht die Masse erreichen konnte.

Ys I: Ancient Ys Vanished ist eines der ersten Action-RPGs, die dem Schema entsprechen, das wir von heutigen Vertretern dieses Genres erwarten. Noch vor Final Fantasy erschienen, ist Ys über die Jahre zu einer ganzen Reihe geworden und genießt noch immer ein hohes Ansehen. Neben der PC88-Version erschien das Spiel unter Anderem noch für NES, und auf diese Version beziehe ich mich hier auch.

 

Die Hintergründe

Ys I: Ancient Ys Vanished erschien erstmals am 21. Juni 1987. Das Spiel wurde von Falcom entwickelt, und für die ursprüngliche PC88-Version übernahm Masaya Hashimoto die Rolle des Direktors, Programmierers und Designers zugleich, während Tomoyoshi Miyazaki als Szenarioschreiber tätig war. Beide Namen sind nicht besonders bekannt, aber bekannter ist das 1989 gegründete Entwicklerstudio der beiden, Quintet, das sich durch die bekannte SNES-Trilogie bestehend aus Soul Blazer, Illusion of Gaia und Terranigma auch außerhalb Japans einen Namen machen konnte.

Ursprünglich sollten Ys I und Ys II als ein Spiel entwickelt werden, aber die Entwickler entschieden sich schließlich dazu, die Spiele einzeln zu veröffentlichen. In späteren Versionen findet man die beiden Spiele fast immer zusammen, wie etwa schon in dem Remake von 1989, das eines der ersten Spiele war, die das Medium CD-ROM nutzten. Ys I wurde damals sogar lokalisiert, allerdings nicht für PC88 oder NES, sondern für Segas Master System, MS-DOS und für einige weitere Systeme.

Zwischen den verschiedenen Versionen gibt es einige Unterschiede, aber hauptsächlich ist es die NES-Version, die anders ist. Neue Layouts für Städte und Dungeons wurden eingeführt, einige Musikstücke wurden ersetzt und sogar der letzte Kampf ist anders.

Das Spiel

Ganz unvermittelt wird der Spieler in der Rolle des rothaarigen Schwertkämpfers Adol (der Protagonist der gesamten Serie ist) in die Spielwelt geworfen. Man startet in der Stadt Minea und kann diese auch gleich erkunden. Verlässt man sie, findet man sich auf der Weltkarte wieder, doch vorher sollte man sich entsprechend ausrüsten, sonst wird man schnell von den umherlaufenden Monstern getötet. Bei der Wahrsagerin Sara in der Stadt erfährt man ein wenig über die Geschichte.

Kurz gesagt geht es darum, die sechs Bücher von Ys zu finden, und damit ist man auch das ganze Spiel beschäftigt. Die Weltkarte verbindet zwei Dörfer und einige andere Orte miteinander, und man muss des Öfteren nach  Minea zurückkehren, um sich neue Informationen oder bessere Ausrüstung zu beschaffen.

Zum Interagieren mit der Spielwelt braucht man fast nur die Richtungstaste, sei es zum Bewegen, zum Sprechen mit Personen oder zum Kämpfen. Das Kampfsystem ist dabei sehr simpel, aber schnell und wirkungsvoll. Man fügt einem Gegner Schaden zu, indem man per Richtungstaste in ihn hineinläuft, allerdings ist der Winkel dabei entscheidend, denn man darf einen Gegner nicht direkt frontal angreifen, sondern entweder um ein paar Pixel verschoben von vorn (siehe Screenshots), von hinten oder von der Seite. So spielen sich die ganzen regulären Kämpfe im Spiel ab, und man erhält keine Spezialfähigkeiten oder Ähnliches.

 

Die Auseinandersetzungen laufen in der Regel schnell ab, wobei der Levelunterschied zwischen Adol und seinen Gegnern sowie die Ausrüstung eine große Rolle spielt. Wenn man nicht aufpasst, heißt es sehr schnell Game Over, aber zum Glück kann man jederzeit abspeichern (außer in Bosskämpfen). Dass ein kleiner Fehler schon zum Tod führen kann, wird dadurch ausgeglichen, dass man relativ schnell leveln kann und somit den Gegnern im aktuellen Gebiet nach wenigen Minuten des Grindens schnell überlegen ist. Schon nach der Hälfte des Spiels befindet man sich vermutlich schon auf der höchsten Stufe. Trotzdem hart sind stets die Bosskämpfe, und erst dadurch wird das Spiel erst so richtig schwer, denndie haben es in sich. Mehrere Dutzend mal gegen den gleichen Boss anzutreten ist nicht ungewöhnlich.

Die Geschichte ist nicht besonders lang, aber macht dafür schon von einigen dramatischen Elementen gebraucht. So wird etwa Sara im Verlauf des Spiels getötet, und in einem Schrein (dem ersten Dungeon) findet Adol ein Mädchen namens Feena, das sich nicht an seine Vergangenheit erinnern kann, aber offenbar eine wichtige Rolle spielt. Mit jedem gefundenen Buch von Ys wird ein wenig mehr von der Hintergrundgeschichte enthüllt, die viel von der Welt Ys und ihrer Göttinen spricht.

Das Spiel hat insgesamt nur drei Dungeons, die dafür aber alle sehr groß sind (generell sind die Gebiete um einiges größer als der Durchschnitt anderer Genrekollegen). Zuerst geht es in einen Schrein, danach in eine Mine und zuletzt erklimmt Adol einen riesigen Turm, der übrigens ein typischen Element der Serie ist. In den labyrinthartigen Minen herrscht Dunkelheit und Adol hat nur einen begrenzten Sichtradius, was das ganze Unterfangen noch viel gefährlicher macht, da man nie weiß, von wo ein Gegner kommt. Der letzte Dungeon ist riesig, und man muss einiges an Backtracking betreiben und sich zum Beispiel ein Weg durch ein furchtbares Spiegelteleporter-Labyrinth bahnen – diese Passage scheint aber nur in der NES-Version so schlimm zu sein.

Auf der Spitze des Turms erfährt Adol vom letzten Boss Fact die ganze Wahrheit über die Geschichte: Feena, das Mädchen aus dem Schrein, ist in Wirklichkeit eine der beiden Göttinen von Ys, und durch sie will Fact seinen dunklen Plan verwirklichen.

In zwei Kämpfen schafft es Adol aber, ihn aufzuhalten (nur mit seiner Silberausrüstung kann er ihn verletzen), und dadurch kehrt wieder Frieden ein. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zuende, denn auf einer Insel im Himmel geht Adols Abenteuer weiter.

 

Mein Spielerlebnis

Ganz ohne Anleitung hat es eine Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie das Kampfsystem funktioniert. Danach war Ys I aber eine Weile lang zweifelsohne das NES-Spiel, bei dem mir das Kämpfen die größte Freude bereitet hat, weshalb ich auch bis Level 10 trainiert und die Welt erkundet hatte, bevor ich mich überhaupt an den Anfang der Story wagte.

Zeitlos ist das Spiel aber sicherlich trotzdem nicht, denn der Schwierigkeitsgrad insbesondere in Bosskämpfen ist sehr gesalzen und viele Tode sind vorprogrammiert. Schlimmer fand ich persönlich aber ein paar Designentscheidungen in den Dungeons. Große und labyrinthartige Höhlen wie die Mine sind eine Sache, aber wenn man alles zweimal machen muss, nur weil man zwischendurch nach draußen laufen muss, um etwas zu erledigen, macht das schon wenig Spaß. Noch schlimmer war es im letzten Dungeon, wo man vor dem letzten Kampf noch Backtracking durch sieben Stockwerke betreiben musste (und auch vorher davon nicht verschont geblieben ist).

Nicht immer ist klar, wie genau man weiterkommt. Im Spielverlauf erhält man einige Items, und manche davon muss man sogar aktiv nutzen, aber man rechnet teilweise nicht damit. Im letzten Dungeon wusste ich zum Beispiel gar nicht, dass man per B-Knopf überhaupt ein Item wie den Hammer einsetzen kann, weshalb ich eine Weile auch nicht weiterkam. Ohne Internethilfe hätte ich an einigen Stellen nicht weiter gewusst.

In der ersten Hälfte hat mir Ys aber sehr viel Spaß gemacht, und die nette kleine Geschichte, die tolle Musik und die kurze Spieldauer erhöhen den Motivationsfaktor ungemein, auch wenn es Passagen gibt, an denen man das Spiel am liebsten abschalten würde.

Fazit: Ys I ist ein interessantes, schnelles, kurzes und teilweise auch durchaus kurzweiliges Spiel. Ohne Weiteres würde ich es heute sicherlich nicht empfehlen, dafür gibt es einfach zu viele zeitbedingte Mankos, aber wer mal sehen will, wie es mit der Serie losging, kann bedenkenlos zu dem DS- oder PSP-Remake greifen, das noch recht nah am Original dran ist, aber viel mehr auf die Spielerfreundlichkeit achtet.

Vermächtnis

Ys I: Ancient Ys Vanished ist eines der ersten RPGs, das nahtlos in ein Sequel übergeht. Als eines der frühen Action-RPGs hat es sicherlich auch einen gewichtigen Einfluss auf nachfolgende Spiele gehabt. Am deutlichsten sieht man das wohl in der Ys-Reihe selbst, die das anfangs noch sehr einfache und grobe Kampfsystem von Teil zu Teil mehr verfeinert und spaßiger gestaltet.

Auch Soul Blazer, Illusion of Gaia und Terranigma dürften maßgeblich von Ys beeinflusst worden sein, was nicht verwunderlich ist, da hinter den Spielen im Kern die gleichen Entwickler sitzen. Zur NES-Zeit waren RPGs dieser Art noch reichlich ungewöhnlich, denn rundenbasierte Kampfsysteme mit Zufallskämpfen waren die Regel. Mit seinem lockeren und kurzweiligen Gameplay war Ys also einer der Vorreiter des Genres.

Die Musik wird auch häufig als für die damalige Zeit fortgeschritten und einflussreich bezeichnet. Auch der deutsche Komponist Chris Hülsbeck nannte die Ys-Musik als einen seiner Einflüsse (dabei bezog er sich allerdings nicht konkret auf den ersten Teil). Viele Spieler zählen die Musik von Ys I zu den besten Soundtracks der damaligen Zeit, und seitdem hat es davon viele Releases und Arrangements gegeben.

Seinerzeit hat Ys I sehr gute Kritiken erhalten und wurde sowohl für die schöne Optik als auch den Soundtrack und das Gameplay sehr gelobt. Manche verglichen das Spiel mit The Legend of Zelda, und einige Parallelen sind auch unverkennbar.

Im Laufe der Jahre hat es vieles Ports und Remakes für verschiedene Systeme geben. Ein moderneres Remake ist das für Nintendo DS, das unter dem Titel Legacy of Ys: Book I & II erschien, und später wurde eine PSP-Version namens Ys I & II Chronicles veröffentlicht, das im PSN-Store und mittlerweile dank XSEED auch auf Steam verfügbar ist.

Trivia
  • die Spielwelt des ersten Teils heißt Esteria; Adol besucht im Verlauf der Serie noch viele weitere Länder
  • es gibt einen Ring im Spiel, den Evil Ring, der Adol beim Anlegen sofort tötet
  •  die Firma Quintet wurde offiziell erst 1989 gegründet, aber taucht schon 1987 erstmals in Spiele-Credits auf, was die Möglichkeit aufwirft, dass sie schon zu Zeiten von Ys in einer ähnlichen Form existiert hat
  • als offizielle Version der Geschichte wurden die beiden Einzelspiele Ys I und Ys II 1989 von Ys I & II abgelöst, das die Geschichte detaillierter und auch durch Cutscenes erklärt
  • 2011 wurde Ys als JRPG-Serie mit den zweitmeisten Releases (nach Final Fantasy genannt) genannt
  • lange war Ys das wichtigste Standbein von Falcom, lediglich die The-Legend-of-Heroes-Serie erreichte in den letzten Jahren eine ähnliche Popularität
Ausblick

Da ich diese kleine Geschichte nicht unterbrechen will, werden wir uns beim nächsten Mal dem direkten Sequel von Ys I wenden, nämlich Ys II: Ancient Ys Vanished – The Final Chapter, und schauen, in welchen Punkten sich der Nachfolger, der grundlegend das gleiche System benutzt, sich weiterentwickelt hat und wie die Geschichte ein Ende findet. (Vermutlich wird der Artikel etwas kürzer ausfallen.) Bis in etwa zwei Wochen!