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Im Test! Unravel

Unravel steht seit der E3 des vergangenen Jahres auf den Wunschlisten einiger Videospiel-Sympathisanten. Gründe dafür gibt es einige: die außerordentlich detaillierte und beeindruckende Spielwelt, die überdurchschnittlich gute Präsentation von Martin Sahlin und der Protagonist, Yarny, selbst. Nun, nicht einmal ein Jahr später, steht Unravel in virtuellen Regalen und bedient nicht nur das das Plattformer-Genre auf PlayStation 4, Xbox One und PCs, sondern holt den Spieler zurück in die Welt, in der wir leben – genauer in die Flora Schwedens. Ob das von Coldwood Interactive entwickelte und von Electronic Arts veröffentlichte Unravel Spieler um den Finger wickelt oder der Faden reißt, lest ihr in unserem Test!

Die Geschichte von Unravel beginnt mit einer älteren Dame, die sich in die obere Etage ihres Hauses zurückzieht. Auf dem Weg dorthin fällt Yarny, der aus rotem Garn (engl. „yarn“) bestehende Protagonist, aus dem Näh- und Strickkoffer der Dame. Außerhalb des Häuschens erwacht Yarny zum Leben und sucht sich einen Weg zurück ins Gebäude und wickelt sich auf dem Weg auf. Angekommen im Inneren, fühlt der Spieler sich sofort wie bei Oma zuhause: eine warme Atmosphäre und warme Farben zieren das Wohnzimmer. Ein Kamin, großmütterliche Einrichtungsgegenstände und gedimmte Lichter erwarten Yarny.

Das Haus dient als Basis, von welcher aus die zehn Kapitel des Spiels in Angriff genommen werden können. In einem Nebenzimmer sind gerahmte Bilder aufgestellt, durch welche Yarny in besagte Kapitel eintaucht und mit Erinnerungen der dort lebenden Familie in Berührung kommt. Diese Erinnerungen werden in Form kurzer Notizen und Fotografien in einem Fotoalbum im ersten Zimmer des Hauses aufbewahrt. Nach und nach füllt sich das Album und vorher verschwommene, rissige und unkenntliche Bilder sehen aus, als wäre ein Restauratoren-Team über das Büchlein hergefallen.

Was Unravel einzigartig macht, ist aber nicht das Album, welches mehr ein Sammelplatz der Errungenschaften des Spielers ist. Einzigartig ist der Weg dorthin. Der Spieler begleitet Yarny bei einer Reise, in der Momente aus Menschenleben wiedererweckt werden – nur befindet sich der Protagonist im Hintergrund als Beobachter. Aus der Sicht einer Wollpuppe sieht die Welt aber ganz anders aus und um eben diese Erfahrung bereichert Unravel sein Publikum. Hierbei lässt sich Yarny übrigens erstklassig steuern. Zwar sind keine bahnbrechenden Mechaniken zu erwarten, einige Passagen erfordern aber Geschick und Fingerspitzengefühl.

Zu keinem Zeitpunkt wurde das Gefühl vermittelt, dass eine schwammige Bedienung Schuld am Sturz in lebensbedrohliche Gewässer oder in zu weite Tiefen war. Yarny entwickelt sich auf seiner Reise und an einigen Punkten muss weiteres Garn aufgesammelt werden, da die knuffige Wollpuppe sich sonst gänzlich auflösen würde. Diese Garn-Bündel dienen gleichzeitig als Speicherpunkte. Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine Art Lasso zu schwingen, um entfernte Garn-Bündel zu erreichen und sich daran hochzuziehen, entlangzuhangeln oder einen Knoten zu binden um hochzuklettern. Werden zwei nah aneinanderliegende Bündel per Knoten verbunden, bildet sich eine Garn-Brücke. Sollte ein normaler Sprung nicht ausreichen, kann Yarny von dieser Brücke abspringen, welche in anderen Plattformern durch Trampoline dargestellt werden würde.

Die jeweiligen Spielwelten bieten permanent Möglichkeiten, Yarnys Mechaniken einzusetzen. Lästig wird das ganze Springen, Fliegen, Schwingen und Brücken bauen nicht. Die kleinen Rätsel sorgen dafür, dass das Durchqueren längerer Passagen nicht langweilig wird. Außerdem bestehen zahlreiche Möglichkeiten, mit Objekten zu interagieren. So muss beispielsweise am Anfang des Spielerlebnisses ein Holzzaun überquert werden, welcher nur mit Hilfe eines Dreirads erklommen werden kann. Yarny muss allerdings selbst sicherstellen, dass das Dreirad den Holzzaun erreicht. Aus all den kleinen Zwischenrätseln kristallisieren sich sicher für jeden Spieler persönliche Favoriten heraus.

Um noch einmal zu den Spielwelten zurückzukehren: Worte können kaum beschreiben, wie liebevoll und detailliert einige Passagen gestaltet wurden. Die visuelle Qualität der Level übertrifft die einiger deutlich aufwendiger produzierten Spiele. Berücksichtigt werden muss allerdings auch, dass es sich hierbei um einen zweidimensionalen Plattformer handelt und unserem Wollknäuel die dritte Dimension verwehrt bleibt. Unravel führt Yarny durch diverse Schauplätze in unterschiedlichen Jahreszeiten.

Ganz egal ob Schnee, Regen oder Sturm: Coldwood Interactive macht zu jeder Jahreszeit und in jedem Szenario eine gute Figur. Nahezu jede Szene besteht aus dem Stoff, aus dem Wallpaper sind! Unter der Prämisse, dass man sich mit dem künstlerischen Stil zufrieden geben kann, ist Unravel für Grafikenthusiasten etwa das, was das Champions-League-Finale für Fußballfans ist. Damit nicht genug, denn auch musikalisch gibt man sich im Hause Coldwood Interactive nicht mit Mittelmaß zufrieden. Zwischenzeitlich emotionale Momente werden durch einen dezenten Soundtrack untermauert, die Atmosphäre durch Musikstücke verdichtet. Die durchgehend hervorragende Performance das Spiel krönt jeden vorhergegangenen technischen Aspekt.

Wäre ähnlich wie bei Unravel selbst der Weg das Ziel, müsste auf die Zeilen vorher verwiesen werden. Kurzum und absolut unemotional handelt es sich bei dem von Coldwood Interactive entwickelten Titel um einen visuell herausragenden Plattformer mit einer sauberen Steuerung, befriedigenden Mechaniken und einer kleinen, aber feinen, dezent präsentierten Geschichte. Persönlich und emotional handelt es sich bei Unravel vermutlich um eins der visuell schönsten Spiele für aktuelle Spielkonsolen und PCs. Yarny zu steuern bereitet durchgehend Freude. Im Fall Unravel bleibt lediglich, den Hut vor Coldwood Interactive und Electronic Arts zu ziehen.

Story: Die dezent präsentierte, kleine Geschichte ist sehr zweckdienlich, aber passt gut mit Yarny in die Welt von Unravel.

Gameplay: Die Wollpuppe lässt sich absolut präzise steuern, die Mechaniken sind klar. Hinsichtlich Gameplay weiß Unravel zu gefallen!

Grafik: Leckerbissen! Coldwood Interactive liefert mehr als nötig gewesen wäre und macht hier eine hervorragende Figur.

Soundtrack: Auch hier ist Coldwood Interactive zur Stelle. Die musikalische Untermalung weiß zu gefallen und ist jederzeit passend.

Sonstiges: Unravel wartet mit etwa fünf bis sieben Stunden Spielzeit auf.