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Im Test! Tembo The Badass Elephant

Wird Action-Plattformer in einem Satz mit Sega genannt, muss es sich dabei um einen Ableger der Sonic-Spieleserie handeln, richtig? Falsch. Der von Game Freak, den kreativen Köpfen hinter dem allseits bekannten Pokémon-Franchise, entwickelte 2D-Plattformer hört auf den Namen Tembo the Badass Elephant. Bereits im März teaserten Sega und Game Freak ein gemeinsames Projekt an, welches sich als das Spiel mit dem Elefanten entpuppte.

So veröffentlicht Sega nach sage und schreibe 21 Jahren den nächsten Plattformer, welcher in der Schmiede der Pokémon-Schöpfer geschaffen wurde. 1994 gab sich, zwei Jahre nach Magical Taluluto, Pulseman die Ehre auf Segas Mega Drive. Kann sich der Dickhäuter eine eigene Identität aufbauen oder muss sich Tembo hinter Genregrößen wie beispielsweise dem hauseigenen Maskottchen des Publishers, Sonic the Hedgehog, verstecken?

Die Geschichte hinter Tembo the Badass Elephant passt auf einen Bierdeckel. Auch auf einen kleinen. Die fiktive Stadt Shell City ist im Ausnahmezustand, da Phantom, eine feindliche Gruppierung, die Stadt angreift. Angeführt wird Phantom, stets in violetter Kleidung anzutreffen, von einem maskierten Unbekannten. General Krenman, verantwortlich für die Verteidigung der Stadt, weiß sich nicht zu helfen und kontaktiert kurzerhand Tembo, welcher sich das rote Stirnband umschnallt, um den Bösewichten das Handwerk zu legen. Erzählt wird die Geschichte übrigens nahezu wortlos in Form von Comic-Sequenzen – lediglich im Hauptquartier wird Text eingesetzt.

Willkommen im Hauptquartier, Soldat
Willkommen im Hauptquartier, Soldat

Nach einer kurzen, erläuternden Einführung geht es zur Sache. Zum Repertoire des Kriegselefanten gehört neben dem Spurten und Springen in erster Linie das Zerstören. Trauben an Gegnern, Wände, Autos, mysteriöse mechanische Kisten, fliegende Objekte, tragende Säulen desolater Gebäude – was nicht durch den Krieg geschädigt wurde, zerlegt das mächtige Landwirbeltier kurzerhand in Schutt und Asche.

Game Freak schickt euch hierbei nicht nur mit dem Kopf durch die Wand: ob ein selbst Boxprofis neidisch machender Uppercut, bei welchem Tembos Rüssel die Form eines Hammers annimmt, ein Slide-Kick oder das durch den Raum Schießen wie eine Kanonenkugel – Tembo kann es! Wie es sich für Elefanten gehört, besteht selbstverständlich auch die Möglichkeit, Wasser aus dem Rüssel zu sprühen. Das Move-Set ist genau so simpel wie abwechslungsreich.

Tembo ist sowohl bei Bodenkontakt als auch in der Luft präzise zu steuern. Wie bei den zweidimensionalen Ablegern des königsblauen Sega-Igels ist dem Momentum eine hohe Tragweite zugeteilt. Wird nicht bereits am Anfang der Kombinationskette zum richtigen Zeitpunkt abgesprungen, kann das wenige Sekunden später Konsequenzen bedeuten, da beispielsweise einem Gegner nicht mehr rechtzeitig ausgewichen werden kann oder nicht genug Zeit übrig ist, um in Form einer Kanonenkugel in gegnerische Artilleriegeschütze einzuschlagen.

Während ihr anfangs noch an der Hand genommen werdet was spektakuläre Kombinationen angeht, ist im weiteren Spielverlauf nicht mehr mit allzu viel Hilfe zu rechnen. Misslingt euch eine Kombination, ist das Resultat entweder der direkte Tod oder der Verlust von Lebensenergie. Letztere lässt sich durch das Einsammeln von Erdnüssen wieder auffüllen. Aus 300 eingesammelten Hülsenfrüchten resultiert ein Glas Erdnussbutter. Stürzt Tembo in einen Abgrund oder wird tödlich verletzt, startet ihr mit voll aufgefüllter Energieleiste am letzten Kontrollpunkt. Kostenpunkt: ein Glas Erdnussbutter. Geht euch die Erdnussbutter aus, müsst ihr den Level von vorne beginnen.

Neben dem Sammeln der in Elefantenkreisen heiß begehrten Hülsenfrüchte steht das Retten unschuldiger Zivilisten und das Erledigen feindlicher Einheiten im Vordergrund. Nach dem Abschluss jedes Levels wird euch angezeigt, wie viele der maximal zehn Zivilisten ihr retten konntet und wie viele Bösewichte überlebt haben. Im Spiel selbst wird durchgehend die Menge der neutralisierten Feinde am oberen Bildschirmrand dargestellt, gerettete Zivilisten zeigt das Spiel über eine Einblendung an. Während das Retten der Zivilisten lediglich Sammelcharakter hat, muss, um einige Level im Story-Modus freizuschalten, einer Mindestanzahl von Gegnern das Handwerk gelegt werden. Während erfahrene Spieler absolut problemfrei einen Großteil der Widersacher ausschalten werden, kann es bei Neulingen durchaus zu Frust kommen, da einige Level unter Umständen mehrfach wiederholt werden müssen.

Game Freak hat sich hinsichtlich der Fähigkeiten des Elefanten und deren Tragweite einige Leckerbissen einfallen lassen. Während einige Gegner nur durch das Bewegen riesiger Bowlingkugeln erreicht werden können, besteht die Möglichkeit, die violetten Gegnertrauben durch das Bespritzen mit Wasser kurzzeitig zu betäuben. Vor allem wichtig wird die Aquaknarre dann, wenn Gegner Feuerbälle werfen oder sich einen Flammenwerfer zu Nutze machen. Die Gegnervielfalt fällt hierbei nicht negativ auf, jedoch sind Kämpfe gegen Endgegner relativ simpel gestrickt und erfordern nicht unbedingt die Beobachtungsgabe eines Mr. Holmes, dafür aber Fingerfertigkeit und Reflexe.

Durch den Einsatz des Urelements lassen sich auch beispielsweise in der Luft schwebende Samen begießen, welche kurz danach sprießen und eine Plattform ergeben, um sonst nicht erreichbare Höhen zu erklimmen. Kakteen können begossen werden, welche sich kurzerhand über Schluchten ausdehnen und im übertragenden Sinne eine Brücke bilden. Leider versäumt es Game Freak, solch interessante Gameplay-Elemente öfter einzusetzen. Die Kakteen gibt es sage und schreibe zwei Mal zu sehen, bei manchen anderen Elementen verhält es sich ähnlich.

Begleitet wird das Geschehen von einem grundsoliden Soundtrack. Dass dieser nicht unbedingt in einem Kriegsszenario anzusiedeln ist, ist nachvollziehbar. Musikstücke untermalen Schauplätze passend und nehmen an Tempo auf, wenn Zerstörung oder Kämpfe gegen Zwischen- und Endgegner anstehen. Auch Soundeffekte wie während des Abfeuerns von Projektilen seitens der lila bekleideten Gegner tragen zu einem stimmigen Gesamtbild bei.

Wenn von Bildern die Rede ist, muss der hervorragend umgesetzte Grafikstil erwähnt werden. Game Freak liefert mit Tembo the Badass Elephant einen digitalen, spielbaren Comic ab. Grafische Effekte, die allgemeine Aufmachung, abwechslungsreiche, durchdachte Spielwelten: in jeder Hinsicht eine Punktlandung. Einige Abschnitte sind so liebevoll gestaltet, da ist es fast unverständlich, weshalb nicht noch ein oder zwei Level im jeweiligen Setting angesiedelt sind. Ein Wermutstropfen ist allerdings die Performance. Während das Geschehen größtenteils butterweich abläuft, kommt es zwischenzeitlich zu Abfällen in der Bildrate, welche das Spielgeschehen allerdings nicht beeinflussen.

Tembo The Badass Elephant ist ein tempo(!)reicher Action-Plattformer, welcher sich, wenn überhaupt, nur aufgrund der kurzen Spieldauer von etwa fünf Stunden vor der Konkurrenz verstecken muss. Im Zuge dessen ist allerdings auch der Preispunkt von rund 13 Euro zu erwähnen. Game Freak und Sega schaffen es, ein kurzweiliges Abenteuer um einen neuen, absolut sympathischen Charakter zu erschaffen. Perfekte Läufe fühlen sich unfassbar gut an, das Tempo kann unter Berücksichtigung des Timings bei Sprüngen, Stößen und Sprints hochgehalten werden, um ein mit Spannung geladenes Spielerlebnis zu erzeugen. Einflüsse seitens Sonic, Donkey Kong und anderen Genregrößen sind an einigen Stellen zu erkennen, aber Tembo steht auf eigenen Stampfern und lässt, nicht zuletzt aufgrund des wassersprühenden Rüssels, nur wenig anbrennen.

Story: Die Story ist absolut zweckdienlich und eine Geschichte, wie sie ein Valiant Hearts an den Tag legt, wäre hier nicht nur unnötig, sondern auch unpassend.

Grafik: Prädikat herausragend. Die Spielwelt ist liebevoll gestaltet und deutlich detaillierter als Screenshots zu entnehmen ist. Tembo ist einer der ansehnlichsten Sidescroller der letzten Zeit.

Sound: Präzise Soundeffekte treffen auf harmonische Soundkulisse. Hinsichtlich Präsentation und Audio machen die kreativen Köpfe bei Game Freak alles richtig.

Gameplay: Die Steuerung in der Luft ist zeitweise fordernd. Das Move-Set ist simpel aber abwechslungsreich. Wermutstropfen sind gelegentliche Einbrüche der Bildrate, welche das Gameplay aber nur marginal beeinflussen.

Sonstiges: Einige Level müssen, vorausgesetzt es wurden nicht genügend Phantom-Soldaten zur Strecke gebracht, wiederholt werden. Das kann bei mehreren Wiederholungen ohne Verbesserung zu Frust führen. Endgegner könnten ein wenig mächtiger daherkommen.