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Im Test! Tokyo Twilight Ghost Hunters

Visual Novels gewinnen an Beliebtheit in Europa. Immer mehr Spiele, die vor einigen Jahren noch als zu seltsam, zu japanisch für die europäischen Kunden, galten, finden nun ihren Weg zu uns. Tokyo Twilight Ghost Hunters ist eines dieser Spiele. Entwickelt von Toybox Games und vertrieben von NIS America, ist es ein einzigartiges SRPG mit seichten Horrorelementen und einem Antwortsystem im Visual-Novel-Teil, der das Spiel von anderen abhebt. Ob das nun positiv ist oder eher zum Gruseln? Wir haben uns die PlayStation-3-Fassung angesehen.

Schüler mit speziellen Fähigkei… blablabla

Geister wollen exorziert werden
Geister wollen exorziert werden.

Als Visual Novel ist die Story von Tokyo Twilight Ghost Hunters natürlich vorrangig. Doch leider enttäuscht diese eher. Als neuer Highschool-Schüler trifft man auf eine typische Sammlung von japanischen Charakteren, wie man sie schon oft in anderen Spielen gesehen hat: der erwachsener wirkende, reife Typ; die taffe, leicht sexy Chefin; die leicht hochnäsige, mit verstörender Vergangenheit gesegnete Schülerin; der Wissenschaft- und Technik-Nerd, auf dem hin und wieder rumgehackt wird – und so weiter.

Als Gruppe ist man Teil einer Organisation zur Bekämpfung von Geistern in Tokyo, da diese Menschen angreifen können oder sie generell verstören. Leider entwickeln sich die Charaktere nicht weiter und bleiben in ihren Stereotypen stecken. Manche von ihnen sind auch noch unlogisch: So beispielsweise der Yakuza-Boss, der findet, dass jeder Mensch Liebe verdient, bis auf die zahlreichen Menschen, die er zu Waisen und Witwen gemacht hat, scheinbar. Es wird deutlich, dass nicht tiefer auf die Charaktere eingegangen wird und diese bloß als Unterhaltungsfaktor im Spiel sind. Das befördert das Spiel auf ein seichtes Niveau in Sachen Persönlichkeit der Menschen: Jeder ist ein Stereotyp, keiner ein richtiger Mensch.

Die Story ist in Episoden aufgeteilt, die jeweils ihre eigenen, abgeschlossenen Geschichten erzählen. Vor jeder Episode wird ein und dasselbe Intro und nach jeder Episode ein und derselbe Abspann gezeigt. Wieso man sich das im 30-Minuten-Takt (denn so kurz sind die Episoden bei zügiger Spielweise) ansehen soll, ist unklar. Die Storys der Episoden sind genau wie die Charaktere: Flach und seicht und bieten kaum Momente, die zum Nachdenken anregen. Jedes Mal erkennt man das selbe Schema, was ebenfalls nicht gerade zur Spannung beiträgt.

Die Auswahl von Emotionen und Sinnesorgangen ist mehr als unnötig.
Die Auswahl von Emotionen und Sinnesorganen ist mehr als unnötig.

Aufgelockert werden die Dialoge durch zwei Auswahlräder: Während man im ersten Rad die Stimmung festlegt (liebevoll, nachdenklich, etc.), wählt man beim zweiten das Sinnesorgan aus, mit dem man antworten möchte (Augen, Zunge, Ohren). Das System ist ein großer Negativpunkt des Spiels, da es absolut nicht erklärt wird und man kalt hineingeworfen wird. Zusätzlich dazu weiß man nie, was die einzelne Auswahl bewirken wird.

So kann je nach Situation die Kombination von „liebevoll“ und „Hand“ dazu führen, dass man Händchen halten will, jemand liebevoll berührt oder etwas in die Hand nehmen mag. „Brutal“ und „Hand“ führt zu einem Schlag oder auch zum bloßen Berühren der Haut. Da die Reaktion meist nur aus ein bis zwei Sätzen besteht, ist das System nicht nur komplett undurchsichtig, sondern auch total überflüssig. Relativ kurz nach Spielanfang haben wir nur noch nach Zufallsprinzip die Antwort ausgewählt: Frau liebevoll lecken (das mag sie nicht so), zornerfüllt riechen, und so weiter.

Hin und wieder kann man auch Antwortmöglichkeiten in Textform auswählen, die neue Szenen bringen können, aber auch nicht ins Gewicht fallen. Willst du das machen? Nein. Nein? Ach, wir machen es trotzdem! Wir hatten Spaß, nur noch ein Ekel zu allen zu sein, da die Entscheidungen sowieso nicht ins Gewicht fallen.

Strategische Geisterjagd mit Frustfaktor

Die eigentliche Geisterjagd findet auf einem Raster statt. Die Charaktere und Geister sind als bloße Pfeile dargestellt, während Objekte wie Stühle und Aschenbecher einfach als lieblose graue Quadrate dargestellt sind, über die der Charakter nicht hinweggehen kann. Mit Hilfe von AP bewegen wir uns über das Feld und führen Aktionen aus wie Heilung oder Angriffe. Die Angriffe decken je nach gewählter Waffe und AP-Verbrauch einen gewissen Bereich des Spielfeldes ab. Ziel ist es, den Geist zu finden und zu besiegen. Man kann hierzu zusätzlich Fallen kaufen oder Geist-Detektoren, die jedoch schon ordentlich ins Geld gehen. Strategisch bietet das sehr gute Voraussetzungen.

Die Krux an der Sache ist jedoch ein Detail, welches Tokyo Twilight Ghost Hunters zu einem einzigartigen Spiel macht: Alle Aktionen werden gleichzeitig ausgeführt. Das bedeutet, dass man den Geist zwar gefunden haben kann und alle Angriffe auf ihn lenkt, er sich aber vor der Ausführung der Angriffe wegbewegen kann und man ins Leere schlägt. Zwar zeigt das Spiel den Bereich an, zu dem sich der Geist bewegen könnte, aber dennoch hängt viel Glück im Spiel, ob man den Geist nun trifft oder nicht.

Manchmal hat sich unser Geist auch einfach in eine Wand hineinbewegt: Genial, man konnte ihn gar nicht mehr angreifen. Auch geschicktes, strategisches Auswählen und Überlappen der unterschiedlichen Angriffsbereiche der Charaktere hilft wenig, wenn sich der Geist dann doch auf die zwei nicht abgedeckten Felder bewegt und man mit den Charakteren dann reihenweise Einrichtungsgegenstände zerstört. Die werden am Ende der Mission vom Geld, welches man erhält, abgezogen, so dass man schon einmal mit mehreren Zehntausend Yen an Schulden die Mission verlässt.

Die Geisterjagd: mehr Frust und Langeweile als Freude.
Die Geisterjagd: mehr Frust und Langeweile als Freude.

Nicht gerade förderlich ist die umständliche Steuerung des Spiels. Hat man damit begonnen, einen Charakter zu bewegen und will doch ein Feld zurückgehen und woanders abbiegen, geht das einfach nicht. Man muss alles abbrechen und die gesamte Bewegung noch einmal von vorne machen. Einen Schritt zurück zu machen ist unmöglich für die Charaktere: Man muss sich um 180 Grad drehen (zwei AP durch zwei Richtungswechsel), ein Feld gehen (ein AP), und sich wieder in Originalausrichtung drehen (zwei AP für zwei Richtungswechsel). Diese Umstände, gepaart mit den unvorhersehbaren Bewegungen des Geistes, machen dieses Strategiespiel doch zu einem Frustvergnügen. Die Grundidee ist gut, doch die Ausführung mehr als verbesserungswürdig.

Der Spaß der Kämpfe wird noch zusätzlich durch sich oft wiederholende Karten getrübt. Die Hauptmissionen weisen diese nicht auf, jedoch die vielen Neben-Exorzismen, die zum Aufleveln dienen. Macht man diese häufiger, sieht man immer wieder dieselbe Karte. Hinzu kommt, dass diese keine Story bieten und im Fünf-Minuten-Takt machbar sind. Gähn.

Der Spielablauf ist auch noch durch unnötige Wiederholungen geprägt. Bei einem Angriff wechselt das Spiel kurz in eine First-Person-Perspektive und zeigt den Geist und die Angriffe gegen ihn und seinen Gegenangriff. Danach wird herausgezoomt und alle Informationen, die wir gerade gesehen haben, noch einmal auf der Übersichtskarte abgespielt. Wozu? Das war doch gerade animiert!

Außerdem wird jede Runde in Minuten gemessen, man hat also zum Beispiel 25 Minuten (25 Runden) Zeit, den Geist zu exorzieren. Nach jeder Runde wird man jedoch darauf hingewiesen, dass eine Minute vergangen ist. Dies ist ein weiteres Beispiel für unnötige Information, die im Spiel dargestellt wird und zu einem weiteren unnötigen Knopfdruck auf dem Controller führt. Würde man jedes unnötige Drücken einer Taste entfernen und damit das Gameplay beschleunigen, wäre vielleicht noch offensichtlicher, wie substanzlos das Spiel eigentlich ist.

Zuguterletzt fanden wir noch einen scheinbaren Berechnungsfehler bei den AP Punkten. In einigen Situationen kann man sich mit einem einzigen Tastendruck einen Schritt zurückbewegen und verliert dabei mehr AP, als wenn man alle Charakterdrehung einzeln ausführt und in der selben Position landet. Das trübt den Spielspaß noch etwas mehr. Dies trat öfter in unterschiedlichen Situationen auf.

Ein Brettspiel bietet Abwechslung in Form derselben Spielmechanik, die jedoch durch Aktionskarten aufgelockert wird. Dies und die Möglichkeiten der endlosen Sidequests geben dem Spiel mehr Fülle als erwartet. Dies hilft jedoch nicht die Motivation zu heben, wenn es immer wieder der selbe Ablauf ist.

Grafik & Sound

Die Charakterdesigns lassen sich schon sehen!
Die Charakterdesigns lassen sich schon sehen!

Die Charaktermodelle und Geister sind kreativ umgesetzt und wissen zu gefallen. Das Design der Item-Übersicht, der strategischen Übersicht, der Kampffläche selbst und dem Menü für Sidequests ist diskutabel. Vor allem ist es verwunderlich, wieso die Kampffläche nicht detaillierter dargestellt wird. Ein weiteres Plus im Spiel sind die Musikstücke, die eingängig sind und Emotionen hervorrufen. Kleine Schnipsel an gesprochenem Japanisch werden das Herz jedes Fans höher schlagen lassen, jedoch sind die Figuren generell nicht vertont. Die Sprache des Spiels ist rein auf Englisch.

Fazit

Prinzipiell ist Tokyo Twilight Ghost Hunters ein durchaus vielversprechendes Spiel. Die beiden Genre Strategie und Visual Novel wurden geschickt miteinander vermischt. Jedoch weisen beide dann gehörige Schwächen auf, die den Spaß trüben. Jeder muss im Endeffekt selbst wissen, ob er die Schwächen des Spiels so hinnehmen kann, oder ob sie den Spielspaß zu sehr trüben. Trotz all der negativen Punkte machte uns das Spiel zu Anfang noch Spaß; leider hielt unser Stockholm-Syndrom aber nicht sehr lange an.

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Story: Kurze Episoden mit schwächelnden und banalen Stories, kaum Tiefe, großteils uninteressant, stereotype Charaktere.

Gameplay: Strategisch interessantes Spiel, das durch Glück und viele Wiederholungen den Nerv raubt, zäher Spielablauf, unnötige Anzeige von Informationen

Grafik: Solide Charakter- und Geistermodelle, dafür Restdesign diskutabel.

Sound: Guter, eingängiger Soundtrack, keine Synchronisation.

Sonstiges: Brettspiel enthalten, langweilige Sidequests