Anime Europa Japan News Nordamerika Test TOP

Angeschaut! Wie der Wind sich hebt

Im Juli 2013 kam unter dem Titel Kaze Tachinu Hayao Miyazakis letzter großer Film in die Kinos. Zwar erwähnte der Ghibli-Regisseur schon früher, dass er keine weiteren Filme mehr plane, doch eine eigens für seinen „Abschied“ eingerichtete Pressekonferenz legt nahe, dass es ihm diesmal ernst ist. Das heißt natürlich nicht, dass er sich ganz zurückzieht – er arbeitet bereits an anderen Projekten und zeichnet in seiner Freizeit einen Manga, doch einen weiteren Film in Kinolänge wird es wohl nicht mehr geben.

Wie der Wind sich hebt PosterIm Juli dieses Jahres konnte man den Film unter dem Titel Wie der Wind sich hebt für einige Wochen in ausgewählten deutschen Kinos sehen. Nun ist er auch als DVD und Blu-Ray erschienen.

Wie der Wind sich hebt ist nicht nur Miyazakis letzter Film, sondern auch sein persönlichster. In ihm wird die Geschichte von Jiro Horikoshi erzählt, einem japanischen Flugzeugingenieur, der den sogenannten „Zero Fighter“ entwarf. Dieses Thema hat Hayao Miyazaki in seiner Kindheit und Jugend sehr beschäftigt. Einerseits empfand er Bewunderung für dieses Flugzeug, das zugleich auch eine der wenigen fortschrittlichen Entwicklungen Japans dieser Zeit war, das den westlichen Nationen wie Deutschland oder den Vereinigten Staaten ansonsten technisch weit unterlegen war. Andererseits erfüllte es Miyazaki mit Zwiespalt, dass ebenjenes Flugzeug in Kriegen verwendet wurde. Diese Mischung aus Bewunderung für das Flugzeug selbst, und Verachtung für die Taten, die damit begangen wurden, ist nicht ohne Widerspruch.

In Wie der Wind sich hebt entschied sich Miyazaki aber, nicht den Krieg zum Hauptthema zu machen, sondern das Leben von Jiro Horikoshi. Der Charakter im Film basiert auf der wahren Persönlichkeit, soll aber kein authentisches biographisches Portrait sein, sondern ein fiktiver Charakter. Das merkt man auch daran, dass die Geschichte lose auf Hori Tatsuos Kurzgeschichte „Kaze Tachinu“ basiert – es vermischen sich also zwei Geschichten.

Wie_der_Wind_sich_hebt_Szenenbilder_08.72dpiDie Geschichte selbst funktioniert auf mehreren Ebenen. So geht es um Jiro Horikoshis Traum vom Fliegen und seine Karriere als Flugzeugdesigner. In diesem Zusammenhang will auch der gleichgesinnte Kollege und Freund Jiros, Hirou Konjou, genannt werden, dem in der Geschichte der japanischen Flugzeuge ebenfalls eine bedeutende Rolle zukommt. Dem gegenüber steht eine Liebesgeschichte: Die Liebe zwischen Jiro und Naoko, die er als junger Mann im Zug am Tag des großen Kanto-Erdbebens traf und – nachdem sich ihre Wege trennten – einige Jahre später unverhofft wiedersieht. Wie eine dunkle Wolke hängt der Zweite Weltkrieg über diesen Ereignissen, der oft spürbar ist, aber nie so ganz in den Vordergrund der Handlung tritt. Exzentrische Charaktere wie der italienische Flugzeugdesigner Caproni oder der mysteriöse deutsche Hans Castorp bereichern den Film zusätzlich.

Es sollte vielleicht erwähnt werden, dass Wie der Wind sich hebt kein Kinderfilm ist. Die Liebesgeschichte ist erwachsen, das Thema des Films – die Konstruktion von Flugzeugen – in großem Detail dargestellt und auch wenn es ein paar klassische Miyazaki-Szenen gibt, ist das fröhliche, das magische und abenteuerliche in diesem Film sehr viel weniger präsent als in Miyazakis anderen Werken.

Der Film ist viel mehr auf seine Charaktere und Flugzeuge ausgelegt als auf eine weltumspannende Handlung, weshalb Jiro auch wesentlich ausgearbeiteter ist als die meisten Miyazaki-Charaktere. Dabei hilft sicher die Tatsache, dass die Handlung sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren abspielt. Die Geschichte entfaltet sich nach und nach, und irgendwann endet sie, vielleicht nicht ganz vorhersehbar. Was endet, ist aber weniger eine konkrete Handlung, sondern vielmehr ein bestimmter Abschnitt des Lebens der Charaktere.

??? ????Obwohl Miyazaki bereits über 70 ist, ist Wie der Wind sich hebt handwerklich vermutlich das beeindruckendste Werk des Studios. Die jahrzehntelange Erfahrung Miyazakis und die unzähligen Stunden, die die vielen Mitarbeiter des Studios in die Bilder gesteckt haben, sieht man jeder Sekunde des Films an. Besonders die Flugszenen sind wahre Augenöffner. Es ist sehr selten, dass man solche Szenen heute überhaupt noch handgezeichnet sieht. Noch übertroffen werden diese Szenen durch die bildgewaltige Darstellung des großen Kanto-Erdbebens, dessen schreckliche Ausmaße im Film sehr deutlich werden.

Auch in musikalischer Hinsicht ist der Film ein Höhepunkt. Für die Musik ist wie für alle Miyazaki-Filme Joe Hisaishi verantwortlich. Geprägt wird das Werk primär von zwei Hauptthemen, die jeweils für die beiden Charaktere Jiro und seine Geliebte Naoko stehen. Diese Leitmotive werden in vielfacher Variation verarbeitet und sorgen auf diese Weise für ein besonders emotionales Erlebnis. Nicht weniger gelungen ist das Titellied „Hikoukigumo“ (dt. „Kondensstreifen“) von Yumi Arai. Das Lied selbst ist zwar schon einige Jahrzehnte alt, trägt aber genau deswegen eine zeitlose Nostalgie in sich, die das Filmerlebnis im Abspann perfekt abrundet.

Fazit Film: Ich gehe so weit, zu sagen, dass Wie der Wind sich hebt nicht nur Miyazakis persönlichster, sondern auch sein bedeutendster Film ist. Thematisch ausgesprochen interessant, handwerklich über jeden Zweifel erhaben, stellenweise sogar höchst emotional und mit einer sehr emotionalen Liebesgeschichte – definitiv ein würdiges Abschlusswerk für den Regisseur, der mehr animierte Kinofilme schuf als jeder andere. Ich bin froh, dass Miyazaki sich getraut hat, zum Schluss ein erwachseneres Werk umzusetzen.

Der folgende Teil bezieht sich auf die Blu-Ray, ist aber zu gewissen Teilen auch auf die DVD-Version anwendbar.

Filmdaten:

  • Länge Hauptfilm: 127 Minuten
  • Länge Bonusmaterial: 232 Minuten
  • Bild: 1,85:1 (1080p/24)
  • Sprache & Ton: Deutsch o. Japanisch, jeweils DTS-HD Master Audio 2.0 (Mono)
  • Untertitel: Deutsch
  • Regionalcode: B

Deutsche und Japanische Sprachausgabe:

Für große Verwunderung sorgte die Ankündigung, dass der Protagonist Jiro Horikoshi von Hideaki Anno, dem Erfinder und Regisseur von Neon Genesis Evangelion, vertont werden soll. Anno hatte bis dahin kaum bis keine Erfahrung als Synchronsprecher, aber gerade deshalb entschieden sich Hayao Miyazaki und Produzent Toshio Suzuki, die Anno seit vielen Jahren kennen, für ihn – weil sie ihn für diese Rolle perfekt fanden und frischen Wind in den sonst immer routinemäßig ablaufenden Vertonungsprozess bringen wollten. Annos Stimme mag besonders wegen des Altersunterschieds zwischen ihm und Jiro anfangs etwas gewöhnungsbedürftig klingen, aber daran gewöhnt man sich schnell. Tatsächlich passt seine nüchterne und ehrliche Sprechweise sehr gut zu Jiros Charakter, und auch wenn es ihm an Erfahrung in dem Bereich mangelt, gibt gerade dieser Umstand Jiros Stimme eine natürliche Aufrichtigkeit, die es sonst nicht gegeben hätte.

Die anderen Charaktere wurden größtenteils von erfahrenen Schauspielern besetzt und überzeugen natürlich deshalb in ihren Rollen.

Die deutsche Besetzung ist ausgezeichnet und auch wenn die Stimmen der Sprecher sich teilweise deutlich von denen der japanischen Sprecher unterscheiden, ist jeder Charakter passend vertont. Jiro wurde von Timm Knauer (z.B. Fili in „Der Hobbit“ oder Neji Hyuuga in „Naruto“) gesprochen – seine Stimme passt wunderbar zu Jiro. Naokos Stimme übernahm Kaya Möller (u.A. Akemi Homura in „Puella Magi Madoka Magica“), und auch sie geht in ihrer Rolle natürlich auf. Was die Sprechleistung angeht, ist die deutsche Synchronfassung der japanischen sogar teilweise überlegen. Besonders einige Dialoge mit den Nebencharakteren wirken im Deutschen sehr lebendig; auch der Dialogfluss ist in der Regel ausgezeichnet. Leider gibt es auch in diesem Film wieder ein paar schwer übersetzbare japanische Szenen, bei denen die deutschen Dialoge notgedrungen etwas unnatürlich klingen. Wer sich daran nicht zu sehr stört, sollte diese Fassung definitiv ausprobieren.

Bild & Klang:

Das Bild ist scharf und vermittelt auch in schnellen Szenen die ganze Pracht des Films tadellos und ohne Schlieren oder Artefakte. Leider gibt es diesmal keine 5.1-Tonspur, sondern nur zwei 2.0-Spuren. Wer jedoch auf solche Details nicht zu sehr achtet, sollte mit dem Ton sehr zufrieden sein, denn der Klang weiß durchaus zu überzeugen. Hervorzuheben sind neben den Dialogen und der Musik auch die gelungenen Soundeffekte, von denen viele selbst im Tonstudio für den Film entstanden sind.

Untertitel:

Weiße Schrift, schwarze Ränder, angenehme Größe. Relevante japanische Texte, die im Film vorkommen, wurden untertitelt. Die Ending-Credits sind ebenfalls untertitelt, zumindest was die wichtigsten Mitarbeiter betrifft. Eine zweite Untertitelspur gibt es diesmal nicht.

Verpackung: Wie bei den anderen Ghibli-Blu-Rays ein schmaler Pappschuber im markanten und minimalistischen Design. Auf der Innenseite befindet sich der japanische Schriftzug. Es liegen drei Postkarten mit Motiven aus „Wie der Wind sich hebt“, „Prinzessin Mononoke“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“ bei. Der FSK-Sticker ist übrigens ablösbar.

Menü: Wie für Ghibli-Filme üblich schlicht, ohne Musik, aber dafür mit Soundkulisse. Die Dezenz kann überzeugen.

Extras:

  • Storyboards zum kompletten Film
  • zwei Japanische Original-Trailer und neun TV-Spots
  • Pressekonferenz zur Fertigstellung des Films (82 Minuten)
  • Deutscher Kinotrailer
  • Studio Ghibli Trailershow (Kaguya, Mohnblumenberg, Arrietty, Ponyo, Chihiro, Schloss im Himmel, Totoro)

Besonders die Pressekonferenz ist unbedingt einen Blick wert. Dort erfährt man sehr viel über die Hintergründe des Films. Anwesend sind Hayao Miyazaki (Regisseur), Hideaki Anno (Sprecher von Jiro) und Yumi Matsutoya (Komponistin und Sängerin des Titellieds). Besonders zwischen Miyazaki und Anno gibt es viele interessante und lustige und manchmal auch bewegende Dialoge. Die Konferenz ist sowohl informativ als auch unterhaltsam und stimmt ein bisschen wehmütig, dass es keinen weiteren großen Miyazaki-Film mehr geben wird. Kurzzeitig ist auch Produzent Toshio Suzuki anwesend.

Fazit Blu-Ray: Dieser Film sollte in keiner Anime-Sammlung und erst recht in keiner Ghibli-Sammlung fehlen. Die Umsetzung von Universum Anime ist zudem außerordentlich gelungen und allein der Pressekonferenz wegen lohnt sich ein Kauf der Blu-Ray auch für die, die den Film bereits kennen. Definitive Kaufempfehlung!

Deutscher Trailer: