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Im Test! Shin Megami Tensei IV

Die Lokalisierung von Shin Megami Tensei IV für Nordamerika verlief ziemlich reibungslos und vergleichsweise zeitnah. Europa hatte im Gegenzug kein glimpfliches Schicksal zu erwarten. Zuerst sollte sich Nintendo höchstpersönlich um eine Lokalisierung in Europa kümmern, was auch in einer Ausgabe von Nintendo Direct in 2013 mehr oder weniger groß angekündigt wurde.

Die Zeit verging jedoch und um die einstige Ankündigung wurde es mehr als still. Beinahe ein Jahr später hatte ein Mitarbeiter bei Nintendo noch aus dem Nähkästchen geplaudert und wieder Hoffnungen auf eine lokalisierte Verkaufsversion gemacht, innerhalb von nur wenigen Tagen machte Atlus USA diese aber zunichte, sorgte gleichzeitig aber für mehr Klarheit am Horizont.

Zwar dauerte es noch ein Weilchen, bis ein konkreter Erscheinungstermin bekanntgegeben wurde, allerdings war nun klargestellt worden, dass die Veröffentlichung für Nintendo 3DS ausschließlich digital erfolgen sollte. Was der ausschlaggebende Grund hinter der Misere um die europäische Version von Shin Megami Tensei IV war, wird wohl hinter verschlossenen Türen bleiben. Wir geben euch allerdings einen Einblick in das Spiel, unabhängig der ärgerlichen Umständen.

Zum Samurai erwählt

Die große Prüfung.
Die große Prüfung.

In Shin Megami Tensei IV übernehmt ihr die Kontrolle des stummen Protagonisten Flynn, wobei der Name frei gewählt werden kann. Im Traum findet ihr euch an unfassbaren Orten wieder und trefft unkenntliche Gestalten, denen ihr noch nie in eurem Leben begegnet sein.

Möglicherweise handelte es sich bei euren wirren Träumen nur um die Aufregung vor dem großen Test. Mit 18 Jahren haben einfache Bürger die Möglichkeit, sich dem Gauntlet Rite zu unterziehen, um in den ehrenhaften Stand der Samurai erhoben zu werden. So machen euer langjähriger Freund Issachar und ihr euch von eurer Heimat aus auf, um das Ritual im Eastern Kingdom of Mikado durchzuführen.

In Castle Mikado angekommen, legt ihr beide den Handschuh mit integrierter Vorrichtung zum Beschwören von Dämonen an, doch nur bei euch selbst und vier anderen aktiviert sich der sogenannte COMP, woraufhin ihr zum Samurai ernannt werdet, während Issachar weiterhin der gewöhnlichen Schicht angehört und von dannen zieht.

Bei eurer neuen Berufung lernt ihr Personen kennen, die euch aus euren Träumen bekannt vorkommen. Auch die Räder des Schicksals drehen sich unaufhörlich und erfordern von euch möglicherweise eine Entscheidung, die nicht definitiv beantwortet werden kann.

Was ist das für ein Ort?
Was ist das für ein Ort?

Der wohl interessanteste Aspekt von Shin Megami Tensei IV, der seit den Anfängen der insbesondere in Japan populären Spielreihe in dieser verankert ist, sind die zahlreichen moralischen und philosophischen Entscheidungen, die man als Protagonist bei Konfliktsituationen unterschiedlicher Natur zu fällen hat.

Während das Spiel in der ersten Hälfte noch bunt gemischt ist mit tragischen Ereignissen, die mit erfreulichen Erfahrungen kompensiert werden, wird man im finalen Abschnitt nichts mehr vorfinden können, das man eindeutig mit Freude oder Hoffnung verbinden kann. Der Titel zeigt mit den Konsequenzen der getätigten Entscheidungen, dass eine reine Einteilung in Gut und Böse nicht möglich ist, sondern jedes Individuum ganz eigene Vorstellungen von Werten und Moral besitzt.

Wer mit der Sichtweise von unterschiedlichen Tönen von Grau keine Probleme hat und es liebt, in die psychologischen Aspekte hinter den Charakteren sowie über den Tellerrand zu blicken, wird definitiv auf seine Kosten kommen. Lediglich der ausschließlich englische Bildschirmtext könnte ein Wermutstropfen sein, da der Plot von seinen umfangreichen Texten lebt.

Dämonen – Freund oder Feind?

Ausflüge in ungeahnte Tiefen.
Ausflüge in ungeahnte Tiefen.

Bei Shin Megami Tensei IV handelt es sich um ein reines Rollenspiel, das mit diversen Elementen aus Dungeon Crawlern eine ganz eigene Formel und Systematik besitzt, insgesamt vereint man den althergehenden und moderneren Zeitgeist zu einem neuen Gemisch – doch überzeugt das?

Eine begehbare Weltkarte, wie sie bei allen Titeln der Hauptreihe vorzufinden war, gibt es hier nicht zu Beginn, sondern erst später – stattdessen wählt man zu Anfang noch die auszuwählenden Areale über ein Menü mit statischer Karte an, später sind Gebiete direkt miteinander durch ein weitreichendes Areal sowie Terminals zur Schnellreise verbunden. Die Spielumgebung in den Arealen selbst ist in 3D gehalten, ähnlich den aktuellen Persona-Titeln. Hier findet man je nach Art des Areals freiere Gelände, Läden, insbesondere aber auch Verliese. Durch die Karte auf dem Touchscreen mangelt es euch auch nicht an der Orientierung – vorausgesetzt, ihr erkundet das Areal, denn die Karte vervollständigt sich nur durch eure eigenen Erkundungen.

Eine weitere Gemeinsamkeit mit den zeitgenössischen Spielen der Persona-Reihe, ist die Art, wie man auf Gegner trifft. Während die vorigen Titel der Hauptreihe von Zufallsbegegnungen lebten, materialisieren sich hier Feinde auf dem Spielfeld, die mit eurer Waffe angegriffen werden können und euch somit einen Erstschlag ermöglichen, gleichzeitig aber auch selbst die Initiative ergreifen und auch in eine nachteilige Lage bringen können.

Die Kämpfe selbst hingegen folgen der Tradition und sind sehr klassisch konzipiert, nicht nur durch ein rundenbasiertes Kampfsystem. Ihr und eure Verbündete werdet nur als Silhouetten auf dem unteren Bildschirm angezeigt, erlebt die Gefechte quasi aus der Egoperspektive. Zwar sind die Gegner im oberen Bildschirm sichtbar – sonst müsste man ja gegen laue Luft kämpfen -, viel Aufwand wurde in diese allerdings nicht investiert, was ein kleiner Rückschritt ist. Anstatt zumindest simplen 3D-Modellen werden die Widersacher in 2D mit Animationen gezeigt.

Gegner mit Humor.
Gegner mit Humor.

Auf dem unteren Bildschirm wählt ihr auch eure Aktionen aus. Zur Auswahl gehören eure Waffe, mit der ihr normale Angriffe ausführen könnt, sowie verschiedene Fähigkeiten und Zauber. Für jede Einheit wird dabei die Aktion sofort ausgeführt. Als Indikator für eure Runden stehen Icons, die unvermeidlich mit dem Press-Turn-System in Verbindung stehen, das aus den aktuelleren Titeln des gesamten Franchises bekannt sein dürfte. Mit jeder Aktion eines Charakters wird ein Zug, der visuell durch die Icons repräsentiert wird, verbraucht. Wurden sämtliche Züge aufgebraucht, ist der Gegner mit genau derselben Mechanik an der Reihe. Der Clou hieran sind die Schwächen der Gegner. Wohl die meisten Widersacher besitzen mindestens eine Schwäche, von der ihr Gebrauch machen könnt. Tut ihr das, erhaltet ihr einen zusätzlichen Zug, der gegebenenfalls über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Gleichzeitig ist aber auch Vorsicht geboten, denn auch der Feind kann dieses Konzept zu seinen Gunsten nutzen. Wer aber doch einige Male das Zeitliche segnet, erhält vielleicht eine größere Hilfe als erwartet. Auch die Möglichkeit, jederzeit Speichern zu können, vermeidet einiges an Frustmomenten.

Aber nicht alles muss in Tod und Leid enden. Nicht selten könnt ihr durch die Vorrichtung eures besonderen Handschuhs, die sich COMP nennt, mit Dämonen kommunizieren. Je nachdem, wie der angesprochene Gegner veranlagt ist und ihr euch verhaltet, werden sie nur noch aggressiver, ergreifen die Flucht oder aber verhandeln mit euch. Sie können euch unter anderem heilen, mit Gegenständen belohnen und sogar eure Verbündeten werden – in der Regel gegen einen Obolus. Bossgegner können im normalen Spielverlauf nicht rekrutiert werden, werden sich aber dennoch mit euch unterhalten, euch unter Druck setzen. Abhängig von eurer Reaktion kann der Kampf euch einem Vorteil, aber auch einen Nachteil verschaffen – ein nettes Gimmick, das für teilweise amüsante Abwechslung sorgt!

Macht euch euren eigenen Samurai.
Macht euch euren eigenen Samurai.

Zwar werden euch von Zeit zu Zeit menschliche Figuren als Gäste begleiten, doch eure wahre Mannschaft besteht aus euch und bis zu drei verbündeten Dämonen. Euch selbst könnt ihr dabei mit Ausrüstungsgegenständen ausstatten, die unterschiedliche Attribute haben, euch mitunter sogar gegen verschiedene elementare Eigenschaften immunisieren oder aber anfällig machen.

Außerhalb von Kämpfen haben die angelegten Ausrüstungsgegenstände zumindest einen optischen Nutzen und ihr könnt euch auf diese Weise euren Samurai durch einzelne Kleidungsstücken zu eurem persönlichen Avatar machen. Ferner könnt ihr bei Level Ups selbst festlegen, welche Attribute ihr steigern wollt. Manchmal erhält man durch befreundete Dämonen auch die Option, neue Fertigkeiten von diesen zu erlernen, um auch als einfacher Samurai in jeder Lage im Gefecht um Leben und Tod jeder Lage Herr zu werden. Mit Apps, die ihr im Verlauf eures Abenteuers erhaltet, automatisch oder durch bestimmte Voraussetzungen, könnt ihr euch überdies mit besonders hilfreichen Features ausstatten. Der Individualität sind damit kaum Grenzen gesetzt.

Dämonen verfügen zwar auch über ein Level, das auch erhöht werden kann, können von sich aus keine neuen Fähigkeiten erlernen und haben ein vorherbestimmtes Wachstum. Weiterhin können Schwächen von Dämonen in bestimmten Situationen sehr zum Nachteil werden. Wirbt man neue Kreaturen an? Eine Möglichkeit. Viel effektiver ist es, Dämonen miteinander zu fusionieren.

Durch die Fusion von zwei verschiedenen Gefährten können neue, sehr oft stärkere, Wesen geschaffen werden, deren Fähigkeiten teilweise diejenigen der ursprünglichen Dämonen entsprechen. Einige speziellere Fusionen erfordern mehr Opfer oder aber ganz bestimmte Kreaturen. Mit einer guten Mischung kann der durchaus herausfordernde Schwierigkeitsgrad im Spielverlauf um einiges erleichtert werden. Für diejenigen, die sich lieber mit dem Plot als dem tieferen Gameplay beschäftigen möchten, gibt es auch einen Assistenten, der Vorschläge macht. Insgesamt warten über 400 Dämonen auf euch! Für Balance sorgt die Tatsache, dass ihr keine Dämonen fusionieren könnt, deren Level euren eigenen übersteigen.

Eine Dystopie im Einklang

Kämpfe grafisch eher simpel gehalten.
Kämpfe grafisch eher simpel gehalten.

Was eingangs schon etwas unter die Räder kam, war die Grafik. Die Designs der Gegner und die der meisten Charaktere sind in 2D gehalten, die Szenen verlaufen im Stile einer Visual Novel und Zwischensequenzen gibt es ebenfalls nur in Standbildern mit Effekten zu sehen. Lediglich der Gang durch die Areale erfolgt in dreidimensionaler Sicht. Was zuerst wie sehr durchschnittliche Arbeit wirkt, erzeugt letztendlich aber eine Atmosphäre, die nicht von vielen Spielen erreicht wird.

Auch der Soundtrack von Shin Megami Tensei IV reiht sich gut in die Grundstimmung des Spiels ein. Wieder einmal eine gelungene Mischung aus kräftigem Rock und dystopischen Klängen erzeugt, obwohl dieses Mal nicht Shoji Meguro mitwirkt. In wichtigen Schlüsselszenen sind auch Stimmen zu hören, und diese sind vollkommen in englischer Sprache vertont – nur Satzfetzen wird hingegen in allen anderen Szenen gesprochen, ähnlich Fire Emblem: Awakening.

Jenseits von Gut und Böse?

Es ist wirklich traurig, zu sehen, wie unauffällig man mit der Umsetzung von Shin Megami Tensei IV in Europa umgegangen ist. Hinter dem Titel verbirgt sich ein Abenteuer, das sowohl dem eigenen Franchise als auch seinem Ruf gerecht wird. Insbesondere zeigt das Spiel ganz gut auf, wie man schon mit grundlegenden Themen einen Handlungsbogen epischen Ausmaßes aufbauen kann und dass Atmosphäre auch heute noch gut ohne Effekthascherei klappt.

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Story: Eine bedrückende Handlung, die kein Schwarz und Weiß kennt.

Gameplay: Rundenbasiertes Rollenspiel mit Elementen eines Dungeon-Crawlers und Zuchtsystems.

Grafik: Wirkt einfach, trägt aber zur Atmosphäre bei

Sound: Gelungene Mischung aus kräftigem Rock und dystopischen Klängen.

Sonstiges: Über 400 Dämonen, verschiedene Enden, New Game +.