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Im Test! Anarchy Reigns

Endlich! Die wohl beliebteste Hexe der modernen Videospielgeschichte schwingt ihre übergroßen charakteristischen Eigenschaften erneut auf die Bildschirme der Gamer. Doch handelt es sich dabei nicht um Bayonetta 2, sondern um Platinum Games‘ neusten Streich: Anarchy Reigns. Mit einem Line-Up wie Vanquish und Bayonetta und kommenden Highlights wie Metal Gear Rising Revengence haben die Jungs und Mädels von Platinum Games unmissverständlich klar gemacht, dass sie zwei Dinge bis zur Perfektion beherrschen. Zum einen die Obsession mit Style und zum anderen die Präzision eines einfachen, aber unglaublich effektiven Gameplays. Mit Anarchy Reigns liefert das Team ein erneut von Style besessenes Spiel, doch ohne das passende Spielgefühl.

Die Story ist recht schnell ohne Spoiler erzählt. Jack Kayman (vorher bekannt aus dem Wii-Exklusivtitel MadWorld) jagt Maximilian Caxton mit einer Doppelkettensäge. So wie diese Aussage bereits klingt gibt sie doch Einblick in die Seele der Story. Absolut abgedreht, doch ohne Tiefe und oft auch ohne Zusammenhang. Mit einer zweiten Kampagne als Leonhardt Victorion, ein junger Regierungsangestellter, der ebenfalls hinter Caxton her ist, versuchen die Entwickler etwas Licht und Tiefe in die Sache zu bringen, aber das gelingt leider nicht ganz. Obgleich die Story zwei Handlungsstränge besitzt, ist sie einfach viel zu kurz und bereits schnell verliert man die Motivation.

Jack´s „Guten Morgen“-Gruß

Einzig die Platinum Games typischen Render-Sequenzen treiben einen voran. Erwähnenswert wäre hier noch der komplette Verzicht auf eine deutsche Lokalisation. Wer ohne gute Englischkenntnisse an das Spiel herangeht, wird absolut gar nichts verstehen. Was bei den teilweise lächerlichen Dialogen nicht die allerschlechteste Idee wäre.

Der Grafik-Stil des Spiels ist eigen, doch von der Abgefahrenheit einer Bayonetta oder der Hochglanzpolitur eines Vanquish Meilenweit entfernt. Alle wichtigen Charaktere sind herrlich designt und mit Waffen wie Doppelkettensägen kommt noch einmal extra Würze hinzu. Doch die Fassade der Technik bröckelt bei näherem Hinsehen. Zwar sind die Charaktere hübsch anzuschauen, aber die Feinde stammen alle aus derselben Feder, will heißen, dass man es häufig mit Klongegnern vom Fließband zu tun hat. Hinzu kommt, dass diese nicht einmal originell designt wurden. Nicht nur das Design ist einfallslos und repetitiv, auch die KI enttäuscht auf ganzer Linie. Einigen Spielern könnte das gefallen, da es sich stark an die klassischen Arcade-Prügler anlehnt, aber in der heutigen Zeit wünscht man sich doch etwas mehr Herausforderung.

Auch den großen Gegner fehlt es an Intelligenz. Diese haben nur mehr Ausdauer und verrichten mehr Schaden. Einzig die brachialen Bosskämpfe und unfassbar schnell geschnittenen Cutscenes, die das Highlight der Singleplayer-Kampagne darstellen, tragen ganz klar den Platinum Games Stempel: Verrückt, krass, stylisch und japanisch. Beim Leveldesign sinkt die Euphorie doch wieder. Lieblos gestaltete Areale, die zwar in mehrere thematische Abschnitte und Ebenen unterteilt sind, aber ohne allzu große Variation und Liebe zum Detail. Erneut eine Anlehnung an den Arcade-Prügler. Aber hier hätten die Entwickler die Chance ergreifen können dem Genre eine Frischzellenkur zu verpassen und es für dieses Zeitalter fit zu machen. Doch so bekämpft man neben gigantischen Horden voller eineiiger Zwillinge, die alle im selben Klamottenladen einkaufen gehen, auch noch matschige, unsaubere Texturen und Kantenflimmern. Alles in allem wirkt die Technik von Anarchy Reigns veraltet und enttäuscht jeden Platinum Games Fan.

AR´s Motto: „Go nuts!“

In Sachen Sound können sich die Geister scheiden. Die Effekte sind teilweise wuchtig, stark und motivieren dazu einen Haufen Polygone zu Klump zu zerhauen. Dazu kommt eine Synchronisation, die motivierte Sprecher und äußerst humorvolle, wenn auch extrem konfuse und lächerliche Dialoge beinhaltet. Was hingegen negativ auffällt, ist die Lippensynchronisation bei den Dialog-Bildschirmen, die es neben den gerenderten Cutscenes gibt. Nur in den seltensten Fällen sind Sprache und Lippen Bewegung synchron, was die gestörten und irren Dialoge jedoch ein Stück weit wieder wett machen. Die Musik im Hintergrund ist gewöhnungsbedürftig. Teilweise passend, teilweise nicht, aber besonders sticht keiner der Faktoren hervor. Auch hier hat Platinum Games schon wesentlich bessere Arbeit abgeliefert.

Die Aufgabe des Spielers ist so simpel wie sie nur sein könnte. Ausgerüstet mit einer Doppelkettensäge oder ähnlich überpowerten Waffen wird man auf einen Spielplatz geworfen. Ein Spielplatz voller potentieller roter Tapetenfarbe. Go mad. So lautet das Motto von Anarchy Reigns. Neben den kleinen Gegnern findet man auf den Arealen Story- und Nebenmissionen, die erst einmal absolviert, eine gewisse Punktzahl dem Konto gutschreiben. Im Laufe der Story wird dann eine Vielzahl von Gimmicks und Charakteren freigeschaltet.

Schade: Ödes Leveldesign

Das Gameplay, das dem Spieler zur Verfügung steht um sich durch die Massen zu kämpfen, wirkt im ersten Moment sehr variabel, doch enthüllt dies auch den größten Kritikpunkt von Anarchy Reigns. Ähnlich wie in anderen Genrevertretern besitzt man starke und schwache Angriffe, die sich zu wenigen Kombos verbinden lassen. Dazu kommt die Fähigkeit Gegner zu packen, auszuweichen, zu blocken, mit herumstehenden Objekten um sich zu schlagen und alles weitere was dazugehört. Aber anscheinend ist das nicht genug. Anarchy Reigns leidet an einem so repetitivem Kampfsystem, dass bereits nach wenigen Stunden die Luft komplett draußen ist. Die Gegner sind dumm, keine Herausforderung und obgleich es verschiedene Schwierigkeitsgrade gibt, ändert sich nichts an der KI. Im Singleplayer fehlt es ganz klar an Langzeitmotivation und an Länge, denn bereits nach kurzer Zeit hat man beide Storystränge hinter sich gebracht.

Das Herz und die Seele von Anarchy Reigns liegen ganz klar im Multiplayer. Eigentlich keine Überraschung, da das Spiel ursprünglich als Online-Spiel konzipiert wurde. Aber hier macht Platinum Games alles richtig. Man hat die Auswahl aus über 20 spielbaren Charakteren, von denen man einige erst freispielen muss. Diese spielen sich zwar alle sehr ähnlich, aber auch wenn es nur kleine Unterschiede sind, so kann dies doch bei präzisem Spielen, was im Singleplayer nicht wirklich möglich ist, bemerkbar machen. Außerdem können Käufer der Limited Edition (seltsamer Weise gibt es keine normale Edition) zusätzlich mit Bayonetta die Arenen unsicher machen. Alles was beim Solospiel fehlt, entfaltet hier seine volle Pracht. Die Gegner sind intelligent und dadurch eine Herausforderung, die nicht durch simples Buttonmashing bestanden werden kann. Dadurch wird ständig Motivation geboten. Ganz besonders das Battle Royale mit bis zu 15 weiteren Spielern macht unglaublich viel Spaß. Leider fehlt ein lokaler Multiplayer, doch das bricht der Online-Krone keinen Zacken ab.

HELL YEAH!!!

Anarchy Reigns ist eine Enttäuschung. Anstatt das Genre des Arcade-Prüglers neu zu erfinden oder zumindest die bestehenden Kritikpunkte anzugehen, hält Platinum Games an veralteten Traditionen fest. Das Spiel wird ohne Liebe zum Detail und mit groben Schnitzern präsentiert, die hauptsächlich das Gameplay angehen. Das Design, die Story, die überdrehten Charaktere und die Cutscenes sind gewohnte Platinum Games Kost und das Einzige, was einen im Singleplayer voran treibt. Was jedoch das Spiel aus der Mittelmäßigkeit rettet ist der brachiale Online-Modus. Unzählige Modi, die man mit seinen Freunden aus aller Welt bestreiten kann. Hier wird das vom Spieler gefordert, was dem Singleplayer fehlt. Taktik und gutes Timing. Dabei kommt das Spiel weg von seiner repetitiven Ader, die ohne Online Funktion ein Genickbruch wäre. Hier schafft es das Spiel über viele Stunden zu fesseln und zu motivieren, besonders wegen der freizügigen Hexe. Aber das Potential von Anarchy Reigns wurde ohne jede Frage vergeudet.

Story: Konfus, kurz und inhaltlich nichts Erwähnenswertes. Dafür zwei Storystränge und verrückte Cutscenes.

Grafik: Außer hübsch designten Charakteren viel zu veraltet und unschön.

Sound: Gewöhnungsbedürftige Musik und fehlende Lippensynchronität stehen wuchtigen Effekten und motivierten Sprecher gegenüber.

Gameplay: Arkade-Prügler wie aus den uralten Bilderbüchern. Im Singleplayer zu simpel, zu zahnlos und schnell zu langweilig. Im Multiplayer ein wahres Fest.

Sonstiges: Keine deutsche Lokalisation. Multiplayer: Über 20 Charaktere in mehr als 10 Modi. Einfach Hammer!